Mia Wasikowska in „Damsel“ Foto: Produzent

Heldin des Metoo-Zeitalters: Mia Wasikowska ist in der Westernpersiflage „Damsel“ das Ereignis des zweiten Festivaltages in Berlin.

Stuttgart - Ich brauche keinen, der mich beschützt“, ruft Penelope (Mia Wasikowska) mit dem Gewehr in der Hand genervt aus. Sie hat nun endgültig genug von den Männern, die alles vermasseln. Es dauert fast einen halben Film, bis man die Frau, von der der schwer verliebte Samuel Alabster (Robert Pattinson) seinem Reisebegleiter vorgeschwärmt hat, endlich zu Gesicht bekommt. Und von dem Moment an, wo sie die Tür nach draußen auftritt, wild um sich schießt und den Verehrer zur Schnecke macht, ist klar, dass diese Penelope nichts mit dem zarten Wesen aus Samuels Wunschvorstellungen zu tun hat.

In „Damsel“ bringen die Gebrüder David und Nathan Zellner den Geschlechterkampf ins Western-Genre – dorthin, wo sich der Mythos vom harten Mann am hartnäckigsten gehalten hat. In diesem Film sind die echten Kerle am Wilden Westen längst irre geworden und taugen nur noch zu einem äußerst demolierten Heldentum. Für sie wird die Frau zur Projektionsfläche von Reinheit, Liebe und Seelenglück – so wie es in den alten Genrefilmen die auf die Heldenrückkehr wartenden Frauen in ihren gestärkten Kittelschürzen über Jahrzehnte verkörpert haben. Mit diesen Strukturen räumt die fabelhafte Mia Wasikowska in dieser gelungenen Western-Persiflage so gründlich auf, dass ihre Figur als erste Heldin des Metoo-Zeitalters in die Annalen der Berlinale eingehen könnte.

Am späten Abend wurde mit Lance Dalys „Black 47“ noch eine weitere Western-Variante im Wettbewerb um den Goldenen Bären nachgeschoben. Der Film spielt zur Zeit der großen Hungersnot in Irland 1847. Über eine Million Menschen starben infolge der Kartoffelpest. Eine weitere Million wanderte nach Amerika aus.

Geradlinige Rachedramaturgie

„Black 47“ erzählt die Geschichte des Soldaten Feeney (James Frecheville), der für die britische Armee in Afghanistan gekämpft hat und als Deserteur zu seiner Familie nach Irland zurückkehrt. Die Mutter ist bereits am Fieber gestorben. Der Bruder wurde gehängt, weil er sich der Zwangsräumung widersetzte. Mit eindrücklichen farbgesättigten Aufnahmen macht „Black 47“ das furchtbare Elend sichtbar, über das die britischen Kolonialherren einfach hinwegregierten. Als Mischung zwischen „Rambo“ und „Michael Kohlhaas“ wird der zurückgekehrte Soldat zum Rächer, der sich mordend bis ganz nach oben zum Landgrafen arbeitet. Daly verwandelt die Landschaften Connemaras in eine morastige Prärie. Agonie, Schmerz und Wut werden nicht in Dialoge gepackt, sondern in die Blicktiefe der Figuren gelegt. Stilistisch für die große Leinwand sehr kohärent inszeniert bleibt „Black 47“ durch seine geradlinige Rachedramaturgie jedoch einfach zu vorhersehbar.

Das britische Kino präsentierte sich mit der Bestsellerverfilmung „The Bookshop“ in der „Special“-Reihe, die eingeführt wurde, um Werke aufnehmen zu können, die schon auf anderen Festivals gelaufen und somit vom Wettbewerb ausgeschlossen sind. Die Regisseurin Isabel Coixet inszeniert die Geschichte der tapferen Buchhändlerin, die sich in einem englischen Küstenort der fünfziger Jahre gegen Intrigen zur Wehr setzen muss, auf betuliche Weise und stellt nicht nur die Leidensfähigkeit ihrer Heldin auf den Prüfstand. Immerhin brachte der Film mit Emily Mortimer, der Indie-Königin Patricia Clarkson und dem Alters-Charmeur Bill Nighy ein wenig Prominenz auf den roten Teppich.