Schülerinnen und Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums haben Texte von Zeitzeugen der Bombardierung vorgetragen. Foto: Staufenpress

Am 1. März 1945 starben bei einem Luftangriff auf Göppingen fast 300 Menschen. Für Oberbürgermeister Alexander Maier sind die Opfer Mahnung und Verpflichtung zugleich. Auf dem Hauptfriedhof wurde der Toten jetzt gedacht.

Während nur wenige Meter entfernt hörbar und lautstark die Mannschaft des Göppinger Sportvereins angefeuert wird, haben sich Menschen auf dem Hauptfriedhof zum stillen Gedenken getroffen. Auch Heinrich Breusch, Jahrgang 1938, ist dabei und erinnert sich, als wäre es gestern gewesen, an die dramatischen Ereignisse des 1. März 1945, als er, sein Bruder Friedrich und die Mutter beim Angriff der US-Armee auf Göppingen aus ihrem Haus an der Ecke Luther-/Barbarossastraße gerade noch rechtzeitig hatten flüchten können. „Wir waren die einzigen Überlebenden.“​

 

Am Samstagnachmittag nahm er an der Gedenkveranstaltung am Mahnmal auf dem Göppinger Hauptfriedhof teil, bei der an die Menschen gedacht wurde, die bei der Bombardierung einen sinnlosen Tod gestorben sind. Es war eine sehr überschaubare Anzahl von Menschen, die an dem wegen der Faschingsferien verschobenen und von einem Bläserensemble der Jugendmusikschule musikalisch gestalteten Gedenken teilnahmen.

334 Menschen verloren ihr Leben

Oberbürgermeister Alexander Maier betonte, dass dieser stille, würdige Ort „die Grausamkeit des Krieges und die Verwundbarkeit unserer Stadt uns vor Augen führt“. Denn an diesem ersten Donnerstag im März 1945 starben fast 300 Menschen, „wurden innerhalb weniger Minuten aus dem Leben gerissen“. Die Bilder der Zerstörung „sind bis heute in den Herzen vieler Göppinger verankert“. Bis zum 20. April 1945, der Befreiung der Stadt vom nationalsozialistischen Terror, „verloren 334 Menschen ihr Leben, wurden 1033 Häuser zerstört oder beschädigt“.

Die Ereignisse sind für das Stadtoberhaupt „Mahnung und Verpflichtung zugleich. Sie erinnern uns daran, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein kostbares Gut, für das wir jeden Tag aufs Neue einstehen müssen.“

Wie Zeitzeugen den Angriff erlebten

Juline, Victoria, Samuel und Stella, Neuntklässler des Hohenstaufen-Gymnasiums, hatten sich im Unterricht von Thomas Sperling intensiv mit der Bombardierung auseinandergesetzt und trugen Texte vor, Texte von Zeitzeugen wie den, der berichtete, dass durch die „fast alltäglichen Warnungen und durch die Hoffnungslosigkeit über einen günstigen Ausgang des Krieges“ der Alarm von vielen, auch von ihm und seiner Frau, nicht mehr beachtet worden war. ​

So beendete das Paar in aller Ruhe sein Mittagessen und wurde erst durch ein Sausen, „das mir vom Ersten Weltkrieg wohlbekannt war“, alarmiert. Später sollte sich zeigen, dass das Nachbarhaus – eben das der Familie Breusch – völlig zerstört worden war. 

Gedichte und mahnende Texte

Schnell sei nach Verschütteten gesucht worden. „. . . schon nach einer halben Stunde kam der Körper eines Toten zum Vorschein, noch blutwarm, aber zunächst unkenntlich.“​

Durch den Ehering habe das Opfer identifiziert werden können. Ein weiterer Zeitzeuge hatte die großen Verheerungen mit der bereits zuvor erfolgten Zerstörung der Infrastruktur begründet. Eine Schülerin las das Gedicht „Kriegsschauplätze“ von Gisela Baltes vor. „Eingebettet in meine heile Welt erlebe ich Krieg“ hatte sie geschrieben und dabei deutlich gemacht, dass für viele Menschen Krieg noch immer Realität ist, wir als „Zaungäste“ aber jederzeit uns „mit einem Knopfdruck“ daraus verabschieden können. ​

„Der Andere ist nur der Andere und nicht Dein Feind“ – das von Wolfgang Blaffert verfasste Friedensgebet mahnte: „Folgt denen nicht, die Euch verführen, im Anderen den Gegner zu sehen.“ Auch der vorgetragene Text „Wir machen Frieden“ von Friedl Hofbauer unterstrich, dass es mit Gedenken allein nicht getan ist, dass vielmehr jeder Einzelne Verantwortung für ein gedeihliches Zusammenleben trägt. 

Oberbürgermeister: Jeder trägt Verantwortung

Darauf verwies auch der Oberbürgermeister. Er rief dazu auf, „das Gedenken an die Vergangenheit als Auftrag für die Zukunft zu verstehen“. Jeder Einzelne trage Verantwortung dafür, „dass sich die Schrecken des Krieges nie wiederholen. Stehen wir ein für Demokratie, Toleranz und ein friedliches Miteinander.“ Er bedankte sich bei den Schülern für ihre Mitwirkung und betonte: „Göppingen steht solidarisch auf der Seite derer, die Schutz suchen.“