Derby in der zweiten Liga: Aalens Robert Lechleiter (li.), Tim Göhler (Heidenheim) Foto: Getty

Helmut Dietterle kennt die Fußballszene auf der Ostalb wie wenig andere. Der Ex-Profi des VfB Stuttgart trainierte schon den VfR Aalen und den Heidenheimer SB, aus dem der 1. FC Heidenheim hervorging. Vor dem Start der Zweiten Fußball-Bundesligisten sagt er: „Die Ostalb verträgt zwei Zweitligisten.“

Helmut Dietterle kennt die Fußballszene auf der Ostalb wie wenig andere. Der Ex-Profi des VfB Stuttgart trainierte schon den VfR Aalen und den Heidenheimer SB, aus dem der 1. FC Heidenheim hervorging. Vor dem Start der Zweiten Fußball-Bundesligisten sagt Dietterle: „Die Ostalb verträgt zwei Zweitligisten.“ Seine Prognose: Aalen landet knapp vor Heidenheim. Beide Clubs bleiben drin.

 Herr Dietterle, grassiert auf der Ostalb das Fußballfieber?
Auf jeden Fall. Die Begeisterung ist deutlich zu spüren. Es wird vor dieser Zweitliga-Saison so viel getrommelt wie noch nie. Es geht gegen die Traditionsclubs 1. FC Nürnberg, Eintracht Braunschweig, 1860 München, Fortuna Düsseldorf, den 1. FC Kaiserslautern, den Karlsruher SC. Einfach klasse, dass auch noch unser brisantes Ostalb-Derby dazukommt. Dieses Duell Aalen gegen Heidenheim elektrisiert die ganze Region.
Zwei sind nicht einer zu viel?
Eindeutig nein. Die Ostalb verträgt zwei Zweitligisten. Heidenheim hat sein Einzugsgebiet in dem Raum Ulm, Geislingen. Aalen rekrutiert seine Zuschauer aus den Regionen Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch Hall, Crailsheim, Nördlingen. Die Vereine nehmen sich keine Zuschauer weg.
Und auch keine Sponsoren?
Schwer zu sagen. Beide Clubs hatten bisher unterschiedliche Strategien. Der 1. FC Heidenheim kann auf eine sehr breite Sponsorenpyramide bauen. Der VfR Aalen hängt nach dem Ausstieg des Unternehmens Imtech fast ausschließlich am Tropf seines Präsidenten Berndt-Ulrich Scholz. Der Verein arbeitet aber daran, die Finanzierung auf mehrere Schultern zu verteilen.
Die Stadt Heidenheim liest dem 1. FCH fast jeden Wunsch von den Lippen ab, wie sieht es in Aalen aus?
In Heidenheim ist Bürgermeister Rainer Domberg gleichzeitig Aufsichtsratschef des 1. FCH. Er ist genauso wie Oberbürgermeister Bernhard Ilg schon sehr lange im Amt. Es existiert eine über Jahre hinweg gewachsene, vertrauensvolle Zusammenarbeit. In Aalen gab es dagegen innerhalb relativ kurzer Zeit zwei Wechsel auf dem Posten des Oberbürgermeisters, von daher gestaltet es sich etwas schwieriger.
In Sachen Zuschauerresonanz hat Heidenheim die Nase vorne. Warum?
In Heidenheim strömten schon in der dritten Liga 9000 Besucher im Schnitt ins Stadion, in Aalen etwas mehr als 7000. Woran’s liegt? In Heidenheim herrscht die bessere Stadionatmosphäre, die Vip-Logen bieten mehr Möglichkeiten. Außerdem hat der 1. FCH die Vereine im Umland an seiner Erfolgsstory teilhaben lassen und viele Testspiele bei kleinen Vereinen ausgetragen. Der Club präsentiert sich sehr volksnah.
Der VfR ist bei den kleinen Vereinen im Umland nicht so beliebt?
Das sind uralte Geschichten. Teilweise stammen sie aus Zeiten, als das Ringen in der Stadt noch einen höheren Stellenwert hatte als der Fußball. Der Neidfaktor war bei manchen Nachbarvereinen ziemlich ausgeprägt. Das ist jedoch schon wesentlich besser geworden. Und was man nicht vergessen darf: Der Profifußball auf der Ostalb wurde unter dem Visionär Johannes Moser (Anm. d. Red.: Ex-Aufsichtsratschef) in Aalen eingeführt. Heidenheim hat sich einiges abgeschaut.
Im Gegensatz zum 1. FCH hat der VfR seine zweite Mannschaft nicht vom Spielbetrieb abgemeldet. Ist das ein Vorteil fürs Image?
Nicht nur fürs Image. Mit dieser Entscheidung geht Aalen den absolut richtigen Weg. Heidenheim setzt auf die Kooperation mit Nachbarvereinen. Doch es gibt nichts Besseres, als die jungen Spieler in der eigenen Oberligamannschaft an höhere Aufgaben heranzuführen.
Welcher Club entscheidet denn die interne Ostalb-Wertung in der zweiten Liga für sich?
Der VfR Aalen wird am Ende knapp vor dem 1. FC Heidenheim landen.
Warum?
Der VfR hat in Sachen Erfahrung Vorteile. Zudem ist die Mannschaft sehr gut organisiert, kompakt und im Sturm flexibler. Aber keine Bange: Beide Clubs bleiben drin.
Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl prognostiziert, dass der VfR Aalen auf Platz drei landet.
Tut er das wirklich? Das mag von Ralph nett und sympathisch gemeint sein, aber einen Gefallen tut er seinem ehemaligen Verein mit dieser Prognose nicht. Das ist völlig unrealistisch. Wenn es optimal läuft, kann der VfR auf Platz neun landen.
Und der 1. FC Heidenheim?
Die Mannschaft wird nach dem Aufstieg den Schwung und die Euphorie mit in die neue Runde nehmen. Wenn sie dem konterstarken FSV Frankfurt nicht ins offene Messer laufen, werden sie am kommenden Sonntag auch mit einem Erfolgserlebnis starten.
Welcher Club hat den besseren Trainer?
Beide Vereine haben erstklassige Trainer. Ich sehe einige Parallelen. Sie sind glänzende Analytiker und ein Glücksfall für ihren jeweiligen Verein. Frank Schmidt hat es in Heidenheim genauso wie Stefan Ruthenbeck in Aalen verstanden, eine Mannschaft zu formen, in der jeder Spieler bedingungslos für den anderen arbeitet, sich geradezu zerreißt.
Beide Trainer machen einen sehr geerdeten Eindruck.
Der Eindruck täuscht nicht. Beide sind sehr bodenständig. Beide wissen, was es heißt, zehn Stunden am Tag hart in einer Fabrik zu schuften. Das weiß ich von Stefan Ruthenbeck, und bei Frank Schmidt habe ich es selbst mitbekommen, als er 2004 in Heidenheim mein Spieler war. Diese Erfahrungen haben beide geprägt. Da bin ich mir sicher.
Frank Schmidt hat als gebürtiger Heidenheimer einen Bezug zur Region. Ein Vorteil?
Der Verein hat mit der fast überzogenen Vertragsverlängerung bis 2020 klargemacht: Wir setzen bedingungslos auf Frank Schmidt, komme, was wolle. Ich sehe das als klugen Schachzug an. Denn oft zählt der Prophet im eigenen Land wenig. Ein Trainer aus dem eigenen Verein kennt alle im Umfeld. Es gibt Abhängigkeiten zu Sponsoren, zur Presse. Das birgt eine gewisse Gefahr.
Ist die zweite Liga für beide Clubs das höchste der Gefühle?
Einen Bundesliga-Aufstieg halte ich für eher unwahrscheinlich. Andererseits: Wer hätte vor der vergangenen Zweitliga-Saison dem SC Paderborn den Sprung in die Bundesliga zugetraut?
Welcher Verein hat die besseren Perspektiven?
Der VfR Aalen ist sportlich derzeit noch einen Schritt voraus. Was jedoch Marketing und Sponsoren betrifft, hat der 1. FC Heidenheim die Nase vorn. Aber beim VfB Stuttgart muss keiner Schweißausbrüche bekommen. An seiner Stellung als Nummer eins in Württemberg wird sich definitiv nichts ändern.
Sehr viel hat nicht gefehlt und der VfB wäre zu Zweitliga-Derbys auf die Ostalb gekommen.
Eine Horrorvision für jeden Fan des VfB Stuttgart. Solch eine Zittersaison wird es diesmal nicht geben. Ich rechne mit einer Platzierung zwischen acht und zwölf und hoffe unter dem neuen Trainer Armin Veh auch auf ein deutliches Plus an Spielfreude.