Franziska (Julia Koschitz) versteht nicht, dass Sebastian (Felix Klare) sie angelogen hat. Foto: ZDF

Als Stuttgarter „Tatort“-Kommissar steht Felix Klare für Recht und Gesetz ein. Im Arte-Film „Zweimal lebenslänglich“ überzeugt er als bedrohlicher Charakter.

Stuttgart - In der Zuschauergunst liegt der Stuttgarter „Tatort“ sehr weit vorne. Das mag an den oft ziemlich differenziert angelegten Drehbüchern liegen, an den schönen Bildern aus der örtlichen Halbhöhenlage, vor allem aber liegt es wahrscheinlich an den beiden Hauptdarstellern. Richy Müllers Hauptkommissar Thorsten Lannert ist ein faszinierender einsamer Wolf, und dann wäre da natürlich noch Felix Klare. Der 38-Jährige spielt Lannerts jüngeren Kollegen Sebastian Bootz als an psychologischen Zusammenhängen interessierten Feingeist und inzwischen nach üblen Verwerfungen von seiner Frau und den beiden Kindern getrennt lebenden Familienmenschen, und sieht dabei immer sehr, sehr gut aus. Kein Wunder, dass er im vergangenen Jahr für das „Breuninger“-Magazin fotografiert wurde - mit gepflegtem Dreitagebart und schwarzer Lederjacke posierend. Seinen persönlichen Stil bezeichnete der gewiefte Darsteller dort als „ungebügelt“.

 

Wenn auf Arte an diesem Freitag Johannes Fabricks Drama „Zweimal lebenslänglich“ läuft, dürften viele Zuschauer und vor allem Zuschauerinnen speziell wegen ihm einschalten. Sie könnten eine ziemliche Überraschung erleben. Denn Felix Klare, der in Stuttgart für Recht und Gesetz einstehende, leidend schöne Kriminaler, gibt in der in Hamburg angesiedelten Beziehungsgeschichte einen Verdächtigen, dem man bald nichts mehr glaubt: Sebastian Pauli wird aus dem Bett heraus, das er mit seiner Freundin Franziska Dreyer teilt, verhaftet. Man bezichtigt ihn des Mordes an der etwa gleichaltrigen Constanze Minnich, doch er beteuert verzweifelt seine Unschuld. Er tut das auch noch, nachdem er in einem Indizienprozess zu 23 Jahren Haft verurteilt worden ist, unter anderem, weil man ihm eine Affäre mit dem Opfer nachweisen konnte. Franziska, der Julia Koschitz mit naiver Verletzlichkeit ein für ihr Alter längst zu mädchenhaftes Gesicht gibt, stärkt dem Mann trotz des Betrugs den Rücken, sie will das innere Märchenschloss, das sie sich mit ihm schon gebaut hat, nicht zum Einstürzen bringen. Trotzdem gerät das Paar, das im Gefängnis auf Franziskas Wunsch hin auch noch heiratet, bald in einen Strudel des Misstrauens. War Sebastian vor der Beziehung mit Franziska wirklich der aggressive Stalker, als den ihn eine Exfreundin beschreibt? Warum erfindet er immer wieder Lügen, anstatt ehrlich zu sein? Und welche Geheimnisse versteckt er noch in seinem Kopf, zu dem anscheinend nicht einmal er selbst Zugang hat?

Den Wahnsinn im Blick

Johannes Fabrick, der zuletzt in „Der letzte schöne Herbsttag“ den Selbstmord einer Ärztin und zweifachen Mutter thematisierte, hat auch hier einen dunklen Stoff gewählt. Und neben der fabelhaften Julia Koschitz, bei deren Franziska, je länger sie an ihren Illusionen festhält, immer deutlicher ein fürchterlicher Mangel an Selbstbewusstsein und eine fast pathologische Abhängigkeit sichtbar wird, ist Felix Klare eine überzeugende Besetzung. Der Wahl-Münchner weiß den schmelzenden Blick des Verführers sehr gezielt einzusetzen, aus seinen verschattet grünen Augen kann er aber auch ziemlich wahnsinnig schauen. Nicht von ungefähr wurde er auf der Bühne – er war nach seiner Ausbildung an der Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“ unter anderem am Maxim-Gorki-Theater in Berlin, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und unter Amélie Niermeyer am Theater Freiburg engagiert – schon früher häufig als Mörder oder Selbstmörder besetzt, hinter dessen perfektem Äußeren sich Abgründe verbargen. Dieses Doppelspiel funktioniert auch in „Zweimal lebenslänglich“ ausgezeichnet, bis zum Schluss fragt sich der Zuschauer, an wen oder was er nun eigentlich nun glauben soll. Ob er mit Franziska Opfer der kitschigen Bilder wird, die sie nach dem Schema romantischer Komödien herbeifantasiert, oder von Anfang an Zweifel an Sebastians Gefühlen hegt, hat wohl viel mit dem jeweils eigenen Blickwinkel zu tun, den Johannes Fabrick gekonnt ins Wanken bringt.

Felix Klare wird deshalb nach diesem Auftritt, zumindest bis zum nächsten Stuttgart Tatort, als tendenziell bedrohlicher Charakter in Erinnerung bleiben, auch wenn er sich im Privatleben allem Anschein nach als fast schon ungewöhnlich reflektierter, konstanter und zuverlässiger Mensch bewährt. Mit seiner Schauspielkollegin Zora Thiessen, die er seit dem Konfirmandenunterricht kennt, hat er inzwischen vier Kinder, Thiessen, sagt er immer wieder, sei ihm eine wichtige Gesprächspartnerin, die er in Bezug auf die Rollen, die er übernehme, immer wieder frage „Wie siehst du das als Frau?“. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese unmachohafte Offenheit einen Teil seines Charmes und seines Erfolges als Schauspieler ausmacht.

Freitag, 20.15 Uhr ARTE

Wahlmünchner: Felix Klare, wurde 1978 in Heidelberg geboren, wohin seine Eltern ein Ärzteehepaar vier Jahre zuvor mit den drei älteren Geschwistern aus der DDR geflohen waren. Er wuchs in München auf, wo er nach Stationen in Hamburg und Freiburg inzwischen mit seiner Familie erlebt. Er war auf dem Theater erfolgreich, hat in zahlreichen TV-Produktionen mitgewirkt und spielt seit 2008 den Hauptkommissar Sebastian Bootz im Stuttgarter Tatort.

Koproduktion: „Zweimal lebenslänglich“ wurde von Johannes Fabrick im Auftrag des ZDF nach dem Drehbuch von Katrin Bühlig gedreht. Neben Julia Koschitz und Felix Klare sind Maren Kroymann als Franziskas Mutter und Godehard Giese als Sebastians Freund zu sehen. ulf