Das neue Wärmenetz führt mitten durch die Fußgängerzone. Foto: Avanti/Ralf Poller

Eine Vermieterin in Marbach im Kreis Ludwigsburg befürchtet, dass der Energiemix des Wärmenetzes nicht die neuen Kriterien an Heizungen erfüllt – und eine Klagewelle auf die Stadt zurollen könnte.

 
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Die Bundesregierung zieht die Daumenschrauben fester, sie will im Sinne des Klimaschutzes die Kriterien für Heizungen verschärfen. Neue Anlagen sollen vom kommenden Jahr an zu einem Mindestanteil von 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Ab 2045, so der Wunsch in Berlin, werden Gas- und Ölheizungen endgültig ein Fall fürs Museum sein. Vorgaben, die sich nach Ansicht von Katharina Vollmer nur bedingt mit dem Wärmenetz in Marbach vertragen, das mitten durch die Altstadt führt. Denn die vom Bund anvisierte Quote werde hier nicht erreicht.

Mehr Transparenz gefordert

Das hätten ihr die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim (SWLB) als Betreiber bestätigt. Laut einer E-Mail der SWLB seien in der Heizzentrale im Schulzentrum im Jahr 2022 rund 30 Prozent Holz verfeuert, der Rest der Energie über Gas gewonnen werden. Dabei habe es in den vergangenen Jahren stets geheißen, die Wärme werde größtenteils aus regenerativen Quellen generiert. „Die Bürger werden hinters Licht geführt. Die konkreten Zahlen beim Energiemix werden nicht offengelegt und müssen transparenter werden“, sagt Vollmer.

Den Anwohnern werde das Netz in den allerhöchsten Tönen als umweltfreundliche Alternative zu den bisher in der Altstadt dominanten Nachtspeicheröfen, Ölöfen und den wenigen Ölzentralheizungen angepriesen, sagt die Marbacherin. Und nun offenbare sich, dass beim Energiemix die Erneuerbaren keine zwei Drittel ausmachten, ärgert sie sich. „Man muss für einen Anschluss ans Wärmenetz auch sehr viel Geld investieren. Bei mir wären es als Vermieterin mehrerer Wohnungen zum Beispiel wahrscheinlich mehr als 100 000 Euro. Die Ausgabe wäre doch in den Sand gesetzt, wenn die Anlage nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht“, sagt Vollmer, die prognostiziert, dass auf die Stadt Marbach als Eigentümerin der Leitungen eine Klagewelle zurollen könnte.

Stadtwerke: Schwankungen sind normal

Ein Szenario, das allerdings die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim ausschließen. „Wir haben bisher gesetzeskonform gehandelt und werden das auch in Zukunft tun“, beteuert die Pressesprecherin Astrid Schulte. Zugleich macht sie keinen Hehl daraus, dass eine 65-Prozent-Quote an Erneuerbaren aktuell nicht erreicht werde. Im Jahr 2022 sei die Wärme mit Öl, Gas und Holz erzeugt werden. Ein Zertifikat bescheinige einen Anteil an regenerativen Quellen von 56 Prozent als so genannten Planwert, der „über klar definierte Rechenmethoden“ ermittelt worden sei. „In den letzten Jahren haben die Anteile geschwankt. Der Erdgasanteil war höher. Das Netz befand sich und befindet sich weiterhin im Aufbau, von daher ist das nicht ungewöhnlich und auch nicht relevant im Hinblick auf die Gültigkeit unseres Zertifikats“, erklärt Schulte gegenüber unserer Redaktion.

Kein Problem sei es auch, wenn die Zwei-Drittel-Quote zum Stichtag 1. Januar 2024 nicht erfüllt werde. „Die Nutzer müssen keine Konsequenzen erwarten. Im Gegenteil: Die Nutzer können froh darüber sein, bereits vorausschauend und frühzeitig auf Fernwärme umgestiegen zu sein“, hebt die SWLB-Pressesprecherin hervor.

Übergangsfrist für die Umstellung

Schulte verweist auf den Gesetzesentwurf, nach dem ausdrücklich eine Übergangsfrist eingeräumt werde. Das ist in der Tat so. Allerdings muss der Betreiber eines Netzes, für das der Spatenstich wie in Marbach vor dem 1. Januar 2024 erfolgte und in dem die 65-Prozent-Quote unterschritten wird, dann „beim Einbau oder bei der Aufstellung einer Hausübergabestation“ zum Anschluss an einen Leitungsverbund bis Ende 2026 für das Gebiet einen Transformationsplan in petto haben. Besagtes Konzept „muss insbesondere detailliert eine schrittweise Umstellung der Wärmeversorgung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2029 auf einen Anteil von mindestens 50 Prozent aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme anstreben und die vollständige Dekarbonisierung der Wärmeversorgung durch die Umstellung auf erneuerbare Energien oder unvermeidbare Abwärme bis zum Ablauf des 31. Dezember 2044 vorsehen“. Etwaige Abweichungen in dem Plan von der Mindestquote müssen laut dem Entwurf explizit begründet werden.

Angebot offenbar gut nachgefragt

Dass folglich ein Konzept zum Umstieg auf die Erneuerbaren vorgelegt werden muss, sei den SWLB bewusst und werde, wie übrigens bei allen Netzen, die die Stadtwerke betreiben, umgesetzt, versichert Schulte. Die Sprecherin berichtet zudem, dass bisher die Resonanz auf das Wärmenetz in Marbach „sehr positiv“ gewesen sei.

Netz wird in drei Abschnitten gebaut

Zentrale
Die Energiezentrale für das Marbacher Wärmenetz befindet sich im Schulzentrum. Von hier wurden Leitungen Richtung Altstadt verlegt, damit die Gebäude in der Fußgängerzone angedockt werden können. Einige Immobilien auf dem Weg dazwischen konnten sich ebenfalls einen Anschluss legen lassen.

Sektoren
Die gesamte Trasse besteht aus drei Bauabschnitten. Die ersten beiden Sektoren von der Heizzentrale Anne-Frank-Realschule bis zur Uhlandschule und bis zur Haffnerstraße sowie zwischen Uhlandschule und Wildermuthstraße wurden 2021 und 2022 verlegt und gingen sukzessive ans Netz. Jetzt fehlt nur noch das letzte Teilstück durch die Fußgängerzone, die aktuell saniert wird.