Verfassungsschutzchef Maaßen muss Innenminister Seehofer am Montag Erklärungen für seine Äußerungen zu Chemnitz geben. Foto: dpa

Verfassungsschutzchef Maaßen genieße weiter sein Vertrauen, sagt Innenminister Seehofer. Gleichzeitig macht er deutlich: Maaßen muss für seine Äußerungen zu den Ereignissen in Chemnitz selbst gerade stehen.

Berlin - Nach seinen umstrittenen Äußerungen zu den Geschehnissen in Chemnitz erwartet Bundesinnenminister Horst Seehofer bis zu diesem Montag Erklärungen von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. „Er hat bis morgen einen Bericht an das Bundesinnenministerium zu erstatten“, sagte der CSU-Chef am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“. „Ich erwarte eine Begründung, auf die er seine These stützt.“

Maaßen hatte mit Äußerungen in der „Bild“-Zeitung vom 7. September eine heftige Debatte ausgelöst, indem er unter anderem gesagt hatte, es lägen seinem Amt keine belastbaren Informationen darüber vor, dass Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Es lägen auch keine Belege dafür vor, dass ein im Internet kursierendes Video zu einer angeblichen Hetzjagd authentisch sei. Maaßen sprach von möglicherweise gezielten Falschinformationen.

Maaßen ist für Formulierungen und Thesen selbst verantwortlich

Der Geheimdienstchef habe ihn selbst und das Ministerium über seine Zweifel vorab informiert, sagte Seehofer in Antwort auf eine Frage, bei der es um die Videoaufnahme ging. „Und wenn solche Zweifel vorhanden sind, darf man diese Meinung als Minister nicht unterdrücken.“ Seehofer sprach Maaßen zwar das Vertrauen aus, machte aber auch deutlich: „Die Verantwortung für Formulierungen und seine Thesen hat er, bleibt natürlich bei ihm.“

Zuvor hatten insbesondere SPD-Politiker Maaßen heftig attackiert. „Herr Maaßen stellt die Glaubwürdigkeit von Politik, Medien und den vielen Augenzeugen infrage. Er schafft weitere Verunsicherung und zerstört damit Vertrauen in unseren Staat“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und SPD-Vizevorsitzende Malu Dreyer der „Bild am Sonntag“. „Ich glaube daher nicht, dass er noch der richtige Mann an dieser Stelle ist.“ Andere SPD-Politiker verlangten ebenfalls Aufklärung.

Maaßen hatte mit seiner Skepis auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Regierungssprecher Steffen Seibert widersprochen - beide hatten von „Hetzjagden“ in Chemnitz gesprochen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden machte hingegen deutlich, dass sie keine Hinweise auf eine Fälschung des Videos sehe. Zudem ermittelt sie eigenen Angaben zufolge wegen einer Vielzahl von Straftaten.

Klingbeil setzt Ultimatum

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil setzte Maaßen ein Ultimatum. „Entweder Maaßen legt diese Woche klare Belege für seine Behauptungen der letzten Tage vor, oder er ist in seinem Amt nicht mehr zu halten“, sagte Klingbeil den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Montag). Der Verfassungsschutzchef wird am Mittwoch zu Sitzungen sowohl des Innenausschusses als auch des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) erwartet.

In Chemnitz war vor zwei Wochen ein Mann erstochen worden, tatverdächtig sind drei Asylbewerber, von denen einer noch gesucht wird. Nach der Tat kam es in der Stadt zu Trauermärschen und Protesten und auch zu fremdenfeindlichen Übergriffen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, erklärte: „Für die Versuche einiger Politiker und Vertreter der Sicherheitsbehörden, die Lage in Chemnitz schönzureden, habe ich kein Verständnis.“ Das Problem müsse beim Namen genannt werden. „Das erwarte ich vor allem von denen, die für die innere Sicherheit in Deutschland verantwortlich sind. (...) Die Bestrebungen der Verfassungsbehörden, die Vorfälle offensichtlich zu bagatellisieren, lassen mich ernsthaft an der Arbeit dieser Behörden zweifeln.“

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte eine umfassende Aufklärung. „Zwei Wochen nach dem Tötungsverbrechen und den anschließenden rechtsradikalen Ausschreitungen von Chemnitz muss endlich ein umfassendes und nachprüfbares Lagebild von den Ereignissen abgegeben werden“, sagte er der „Welt am Sonntag“.

Musiker wollen erneut in Chemnitz spielen

Grund dafür, dass einer der drei mutmaßlichen Täter von Chemnitz - der mutmaßliche Messerstecher - nicht wie 2016 noch möglich abgeschoben wurde, war nach einem Bericht der „Bild am Sonntag“ ein Aktenfehler. So habe die Ausländerbehörde in Chemnitz zwar im Mai 2016 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) einen Brief mit einer Abschiebefrist bis November erhalten, bestätigte ein Sprecher der Ausländerbehörde der Zeitung. Diese Frist sei aber „nicht in die Akte übertragen“ worden. Daher habe die Behörde ihre Bemühungen um eine Abschiebung vorzeitig eingestellt.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, appellierte via „Welt“ an Politik und Medien, bei ostdeutschen Bürgern den Eindruck zu vermeiden, „dass wir paternalistisch den Leuten vorschreiben, was sie denken oder reden sollen“. Viele seien frustriert. „Wir müssten zum Beispiel akzeptieren, dass manche die derzeitige Flüchtlingspolitik ablehnen und keine vernünftige Partei im Parlament finden, die das geschlossen ebenso sieht.“

Video – Drei Tage in Chemnitz – unser Videoreporter zieht eine persönliche Bilanz:

Eine Woche nach dem großen „#wirsindmehr“-Konzert in Chemnitz wollten an diesem Montag erneut Musiker bei einem Open Air gegen Gewalt und Hetze in der sächsischen Stadt eintreten.

Im sachsen-anhaltischen Köthen folgten am Sonntagabend Hunderte Menschen Aufrufen zu Kundgebungen, nachdem in der Stadt ein Deutscher nach einem Streit ums Leben gekommen war. Zwei Afghanen wurden als Tatverdächtige festgenommen.