Ist sie nicht süß, die Kleine. Und wenn sie mal groß ist und nicht kastriert wird, bekommt sie ganz viele Babys. Und der Besitzer weiß nicht, wohin mit ihnen. Foto: dpa

Katzen an die Leine? Der neue Tierschutzbericht der Bundesregierung nennt ein Ausgehverbot für Katzen als ein Mittel gegen die Zunahme herumstreunender Tiere.

Stuttgart - Streunerkatzen sind sehr scheue Tiere. Deshalb bekommt man sie auch nur selten zu Gesicht. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht in Scharen vor allem in den größeren Städten dahinvegetieren. Streunerkatzen sind überall. Nach Angaben von Tierschutzverbänden gibt schätzungsweise zwei Millionen herrenlose Katzen in Deutschland, die früher mal Hauskatzen waren oder deren Nachkommen sind. Und es werden immer mehr, weil verantwortungslose Katzenbesitzer ihre Freigänger nicht kastrieren lassen wollen und Kommunen nicht willens sind, die gesetzlich vorgeschriebene Kastrationspflicht umzusetzen.

Stubenarrest für Freigänger-Katzen

Nun soll unkastrierten Katzen in Deutschland Stubenarrest drohen. Es könne „erforderlich sein, den unkontrollierten freien Auslauf fortpflanzungsfähiger Haus- und Hofkatzen für einen bestimmten Zeitraum zu beschränken oder zu verbieten“, heißt es im zwölften Tierschutzbericht der Bundesregierung, der jetzt vorgelegt worden ist (www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/Tierschutzbericht-2015.pdf?__blob=publicationFilee). Auch in Deutschland würden die „Kolonien herrenloser, verwilderter Katzen zunehmen“, heißt es weiter. Verlässliche Zahlen gebe es nicht, zudem sei die Problematik regional unterschiedlich groß, deshalb gäbe es auch keine bundesweite Regelung. Die Bundesländer entscheiden, ob es zu entsprechenden ordnungsrechtlichen Schritten kommt.

Streunerkatzen sind immer auf der Suche nach Futter, ausgemergelt und verwahrlost, geschwächt und nicht geimpft, von unheilbaren Krankheiten wie dem Felinen Immunodeficiency Virus (FIV, auch Katzenaids genannt) befallen. „Solche Krankheiten breiten sich unter streunenden Katzen schnell aus“, erklärt die Landestierschutzbeauftragte Cornelie Jäger. Auch vor Hauskatzen, die mit Streuern in Kontakt kommen, mache der Krankheitserreger nicht Halt.

Die Kastrationspflicht ist gesetzlich vorgeschrieben

Die Kastration von freilaufenden Hauskatzen ist verpflichtend. In das im Juli 2013 verabschiedete neue Tierschutzgesetz ist eine entsprechende Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen eingefügt worden. Wenn davon Gebrauch gemacht werde, entspreche die Regelung „de facto einer Kastrationspflicht für Haus- und Hofkatzen mit Freigang“, heißt es im Tierschutzbericht der Bundesregierung 2015.

Allerdings kann jede Kommune selbst entscheiden, ob sie einen solchen Schritt für notwendig erachtet oder nicht. Nach Angaben der Tierschutzorganisation Tasso machen bundesweit bisher höchstens 300 Städte und Gemeinden davon Gebrauch, um die „Katzenplage“ in den Griff zu bekommen. Darunter befindet sich demzufolge keine einzige Kommune im Südwesten. Was umso erstaunlicher ist, da Baden-Württemberg als erstes Bundesland im November 2013 eine Kastrationspflicht beschlossen hat.

Private Hilfe für Streunerkatzen ist ein Tropfen auf den heißen Stein

Für die Katzenhilfe Stuttgart sind die herrenlosen Tiere die „Ärmsten der Armen unter unseren schutzbedürftigen tierischen Mitbewohnern: Herrenlose Katzen auf Industriebrachen, in Parks und Gartengebieten, die ganz auf sich allein gestellt sind“. Seit Jahren fangen die ehrenamtlichen Helfer verwilderte Katzen ein und vermitteln sie an Privatpersonen. Eine Sisyphusarbeit, denn der Strom an nicht kastrierten jungen Katzen, die von ihren Besitzern ausgesetzt werden, versiegt nicht. Bei der Stuttgarter Stadtverwaltung ist der Verein nach eigener Aussage mit der mehrfach vorgetragenen Bitte, auch in der Landeshauptstadt eine Kastrationspflicht zu erlassen, bisher auf taube Ohren gestoßen.

Ordnungsamt: „Eine solche Verordnung ist in Stuttgart nicht notwendig“

„Eine solche Verordnung setzt voraus, dass andere Maßnahmen, die direkt auf die wild lebenden Katzen bezogen sind, nicht greifen. In Stuttgart gibt es die Katzenhilfe, die seit Jahren wild lebende Katzen kastriert. Sie bekommt für ihre Arbeit Zuschüsse von der Stadt. Da diese Maßnahme greift, ist es in Stuttgart nicht notwendig eine solche Verordnung zu erlassen“, sagt ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes.

In Hessen, das neben Nordrhein-Westfalen Vorreiter bei der Kastrationspflicht ist, hat der Landestierschutzverband Hessen bereits im vergangenen Jahr ein Kastrationsmobil für Katzen eingeführt. Der umgebaute Transporter ist mit allen tiermedizinisch notwendigen Materialien und Medikamenten ausgestattet ist. Bis zu 15 Katzen können pro Einsatztag kastriert werden. Paderborn hatte 2008 als erste deutsche Kommune die Kastrationspflicht eingeführt. Ob es inzwischen weniger verwilderte Katzen gebe, weiss die Stadt nicht, sagt Amtstierarzt Ralf Lang. „Wir haben da keinen Kontrolldienst.“

Kontrolle ist unmöglich

Das gilt auch für Darmstadt, wo die Kastrationspflicht seit Ende Juli gilt. Wer seinen Stubentiger draußen frei rum laufen lässt, muss ihn zuvor beim Tierarzt mit einem Chip oder einer Tätowierung versehen lassen und registrieren. Wer sich nicht an die Auflagen hält, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 1000 Euro. „In der Bürgerschaft gab es keine Proteste“, sagt die Pressesprecherin der Stadt, Sigrid Dreiseitel. Allerdings sei es fast unmöglich nachzuprüfen, ob die Verordnung auch tatsächlich eingehalten werde. „Eine solche Rechtsverordnung hat eher Signalcharakter. Kontrollen sind auch in Zukunft nicht geplant.“

Wo kein Kläger, da kein Richter. Beim Deutschen Tierschutzbund, der seit Jahren mit anderen Tierschutzorganisationen eine kommunale Kastrationspflicht fordert, kennt man das Problem. „Die Umsetzung der Rechtsverordnung und Kontrolle ist sehr schwierig“, betont Sprecherin Lea Schmitz. „Die Kommunen hoffen, dass sich die Katzenbesitzer daran halten. Aber natürlich wird es immer Leute geben, die sich nicht daran halten.“

Wenig Resonanz bei den Kommunen

Zwölf Millionen Katzen in Privathaushalten und zwei Millionen Streuer

In Baden-Württemberg sind Tasso zufolge rund 431 000 Hauskatzen registriert, gut 50 400 davon sind nicht kastriert. „Damit liegt Baden-Württemberg im guten Mittelfeld“, sagt Tasso-Sprecherin Marie-Christin Gronau. Spitzenreiter bei der Kastration sei Nordrhein-Westfalen, Schlusslicht die neuen Länder. Zusammen mit den Tierschutzorganisationen Vier Pfoten und Bund gegen Missbrauch der Tiere (BMT) hat der Verein im Jahr 2011 das Bündnis „Pro Katze“ gegründet, dass sich für die Streunerkatzen und die Kastration der Tiere einsetzt.

Ministerium: „Keine Kommune macht von dieser Möglichkeit bisher Gebrauch“

Beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Stuttgart verweist man auf den Bundesgesetzgeber, der in Paragraf 13b des Tierschutzgesetzes die Möglichkeit geschaffen habe, die Kennzeichnung und Registrierung freilaufender Katzen vorzuschreiben und - soweit andere Maßnahmen nicht ausreichen - den unkontrollierten Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen zu beschränken oder zu verbieten.

„Da Probleme mit verwilderten Katzen am besten vor Ort zu lösen sind, hat die Landesregierung von Baden-Württemberg die Ermächtigung des Bundes auf die Kommunen übertragen“, erklärt Ministeriumssprecher Ulrich Arzberger. „In Baden-Württemberg können also die jeweils zuständigen Ortspolizeibehörden tätig werden, falls lokal Handlungsbedarf besteht. Uns ist nicht bekannt, dass eine Kommune von dieser Möglichkeit bisher Gebrauch gemacht hätte.“

Katzen sind gebärfreudige Tiere

Katzen können zwei- bis drei Mal pro Jahr durchschnittlich fünf bis sechs Kitten zur Welt. Man kann sich also leicht vorstellen, dass eine Population ohne Eingriff des Menschen in nur wenigen Jahren epidemisch auf mehrere Tausend anwächst. Sorgenkinder sind vor allem Kater, deren Besitzer oft nur wendig Interesse an einer Kastration haben. Das liegt zum einen an den Kosten: Die Kastration eines Katers kostet zwischen rund 80 Euro, die einer Kätzin zwischen 100 und 150 Euro. Zum anderen ist es vielen Kater-Besitzern schlichtweg egal, ob ihre Tiere unkontrolliert Nachwuchs zeugen. „Sie haben die Jungen nicht direkt am Hals. Anders ist das bei Katzen, die trächtig nach Hause kommen und deren Junge man versorgen muss oder die im Tierheim landen“, sagt Lea Schmitz.

Für verantwortliche Katzenbesitzer ist es selbstverständlich, ihre Tiere, wenn sie geschlechtsreif werden – je nach Rasse ab dem fünften bis zwölften Monat –, kastrieren zu lassen. Das beugt nicht nur ungewollten Schwangerschaften vor , sondern schützt die Katzen auch vor Infektionen, Krankheiten und Verletzungen. Übrigens: Auch die weiblichen Tiere werden kastriert - und nicht sterilisiert!

Info: Kastration ist die beste Lösung

Kastration oder Sterilisation?

Bei einer Kastration wird die weitere Produktion von Geschlechtshormonen unterbunden. Dies geschieht durch die Entfernung der „Keimdrüsen“. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um männliche Keimdrüsen (beide Hoden) oder aber um weibliche Keimdrüsen (Eierstöcke) handelt. Man „kastriert“ sowohl männliche als auch weibliche Katzen.

Was nun ist der Unterschied zwischen einer Sterilisation und Kastration? Bei einer Sterilisation bleiben Hoden und Eierstöcke dort, wo sie sind. Es wird nur verhindert, dass Samen - oder Eizellen weiter transportiert werden können. Da die Keimdrüsen nicht entfernt werden, sind Katzen weiterhin rollig und Kater bleiben kampfeslustig und markieren weiterhin mit ihrem übel riechenden Urin.

Dauerrollig und dauerpotent

Katzen, die nicht befruchtet oder kastriert werden, sind dauerrollig. Sie sind dann quasi permanent paarungsbereit und großen hormonellen Belastungen ausgesetzt. Wenn sie Freigänger sind, können sie sich – genauso wie Kater – auf der Suche nach einem Geschlechtspartner weit von Zuhause entfernen. Dabei dringen sie nicht nur in die Reviere anderer Katzen ein - was bedeutet: Kampf und Gefahr von Verletzungen –, sondern müssen auch viele gefährliche Straßen queren. Die meisten Katzen werden während der Paarungszeit überfahren.

Unkastrierte Kater legen nach Einsetzen der Geschlechtsreife mit fünf, sechs Monaten auf der Suche nach einem Weibchen oft viele Kilometer zurücklegen. In Katerkämpfen kommt es häufig zu Infektionen mit FIV (Katzen-Aids) oder FeLV (Feline Leukämie, auch Leukose genannt) und zu schweren, bisweilen tödlich Verletzungen.

Katzen in Deutschland – Daten und Fakten

Katzen sind noch vor Hunden die beliebtesten Heimtiere in Deutschland. Unsere Hauskatzen stammen von der in Asien und Westafrika verbreiteten Falbkatze ab. Im Laufe der Jahrtausende entstanden über 40 Rassen. Zahlen und Fakten:

11,8 Millionen Katzen lebten nach Angaben des Industrieverbandes Heimtierbedarf 2014 in deutschen Haushalten - und damit in jedem fünften.

1,57 Milliarden Euro gaben die Deutschen allein für Katzenfutter aus - eine Steigerung von zwei Prozent im Vergleich zu 2013.

Weitere 181 Millionen Euro legten die Katzenfreunde für Zubehör und Bedarfsartikel auf den Tisch.

Unkastrierte Katzen können sich zwei- bis dreimal im Jahr fortpflanzen.

Die deutschen Tierheime nehmen pro Jahr mehr als 130 000 Katzen auf.

Tierschützer schätzen die Zahl streunender Hauskatzen auf bundesweit zwei Millionen.