Der Weg zur beruflichen Anerkennung in Deutschland kann mühsam sein – beispielsweise beim Apothekerberuf. Foto: dpa

Der Weg zur beruflichen Anerkennung in Deutschland kann mühsam sein. Eine zentrale Voraussetzung für den Einstieg in den erlernten Beruf ist, die deutsche Sprache zu beherrschen. Wie ein syrischer Apotheker, ein italienischer Jurist und eine ukrainische Ingenieurin in Baden-Württemberg ankommen.

Stuttgart - Wenn Migranten mit einer beruflichen Qualifikation nach Deutschland kommen, bedeutet das nicht, dass sie in ihrem erlernten Beruf auch arbeiten können. Vor allem bei anerkennungspflichtigen Berufen im Gesundheits- und Sozialwesen – etwa Arzt, Apotheker, Pfleger oder Erzieher – kann der Weg für Menschen aus dem Ausland steinig sein. Immerhin stimmen in Baden-Württemberg die Strukturen. Das IQ Bildungsnetzwerk vermittelt Sprachkurse, sinnvolle Vorbereitungskurse oder Weiterqualifizierungen. Bis zum Ziel sind bei den Betroffenen aber Geduld und Ehrgeiz nötig.

Der Apotheker

Abdulkader Daieh (25) stammt aus Syrien. In Aleppo, seiner Heimatstadt, arbeitete er in einem Krankenhaus – nach seinem Pharmaziestudium zunächst als Apotheker. Weil der Bürgerkrieg in Aleppo aber heftig tobte, musste er als Arzt aushelfen, um Bombenopfer zu versorgen. „Es war eine grauenvolle Zeit“, sagt Daieh. Er habe Angst gehabt, selbst Opfer eines Angriffs zu werden oder sich an der Waffe am Krieg beteiligen zu müssen. Deshalb entschied er sich Ende 2015, seine Eltern und drei Geschwister zu verlassen und nach Europa zu fliehen.

Am 21. Juni 2016 kam er in Deutschland an, die Behörden schickten ihn nach Baden-Württemberg – zunächst nach Karlsruhe. Mittlerweile wohnt er in Mannheim. Hier absolvierte er einen Integrations- und Sprachkurs. „Aber die Sprache nur über einen Kurs zu lernen, ist schwierig. Man muss sie auch im Alltag sprechen“, sagt Daieh. Um Einheimische kennenzulernen und die Sprachkenntnisse zu verbessern, engagierte er sich ehrenamtlich in der Sozialarbeit und nahm an einem Gitarrenkurs teil.

Als er das B2-Sprachniveau erreicht hatte, beantragte er im April dieses Jahres beim dafür zuständigen Landesprüfungsamt im Regierungspräsidium Stuttgart eine Berufserlaubnis als Apotheker – nicht ohne Schwierigkeiten. Zum einen konnte Daieh kein polizeiliches Führungszeugnis vorweisen, was rechtlich erforderlich ist. Und zum anderen musste er seinen Universitätsabschluss persönlich in Stuttgart vorlegen. Weil das zuständige Amt wegen der Antragsflut bei den Gesundheitsberufen seit Monaten aber heillos überlastet ist, musste er zweieinhalb Monate auf einen Termin und wegen der Sommerferien noch mal mehrere Wochen auf die Antragsbearbeitung warten.

Um die Wartezeit zu überbrücken, begann er, in einer Mannheimer Apotheke zu hospitieren: drei Stunden pro Tag. Ohne die Berufserlaubnis durfte er jedoch weder Kunden beraten noch pharmazeutische Tätigkeiten ausüben. Seit Mitte September hat Daieh die Berufserlaubnis; alle erforderlichen Dokumente hatte er vorgelegt. Das ermöglicht ihm, als Apotheker zu arbeiten. Vor allem, dass er in Deutschland den weißen Kittel tragen und seinem Chef etwas zurückgeben könne, erfülle ihn mit Stolz: „Das ist sehr schön, dafür habe ich sehr gekämpft“, sagt er. Als nächsten Schritt strebt Daieh an, die Approbation zu erhalten. Dazu muss er Ende Januar 2018 noch eine Fachsprachenprüfung für Pharmazie ablegen und im Anschluss eine inhaltliche Prüfung, weil sich die Studiengänge in Deutschland und Syrien unterscheiden. Mittel- bis langfristig kann er sich vorstellen, noch eine Doktorarbeit zu schreiben – „dann natürlich auf Deutsch“.

Die Ingenieurin

Mariupol ist ein wichtiges Industriezentrum in der Ukraine. In der Universitätsstadt mit rund 500 000 Einwohnern studierte Olena Baur (48) einst Ingenieurwissenschaften. Nach ihrem Diplomabschluss arbeitete sie dort fast 25 Jahre als Planungsingenieurin. Sie führte ein gutes Leben. Doch dann lernte sie übers Internet ihren heutigen Ehemann kennen. Immer wieder trafen sie sich. Mal in Deutschland. Mal in der Ukraine. Die beiden verliebten sich ineinander – und heirateten im Mai 2016. Baur bekam einen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis für Deutschland, sie zog zu ihrem Mann nach Oberbalzheim (Alb-Donau-Kreis). Im benachbarten Dietenheim machte sie einen Integrations- und Sprachkurs. Nebenbei arbeitete sie bei einer Einzelhandelskette. Baur räumte die Regale ein, schleppte Kartons im Lager. Weil dies keine Dauerlösung ist, will sie versuchen, einen ähnlichen Beruf zu finden, wie sie ihn in der Ukraine hatte. Vielleicht wieder als Planungsingenieurin, eher in einem Ingenieurbüro als in einem Unternehmen – das sind ihre Vorstellungen.

Allerdings wisse sie nicht genau, was es bedeute, als Ingenieurin in Deutschland zu arbeiten. Sind die Aufgaben vergleichbar? Reichen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten aus? Um das herauszufinden, hätte sie im September eine zehnmonatige Brückenmaßnahme für internationale Ingenieure – eine Art Vorbereitungskurs auf die Berufswelt in Deutschland – in Friedrichshafen beginnen sollen. Drei Tage pro Woche. Weil sie das dafür nötige Sprachniveau jedoch nicht nachweisen konnte, muss sie den entsprechenden Test im Dezember wiederholen. Möglicherweise kann sie danach in den Kurs einsteigen. Vorerst ist es aber ein Rückschlag auf dem Weg ins neue Berufsleben. Baur ist sich inzwischen bewusst: „Ohne Deutschkenntnisse habe ich keine Chance.“

Der Jurist

In Italien als Anwalt? „Schwierig, einen gut bezahlten Job zu finden“, sagt Danilo Cinelli (32). Trotzdem entschied er sich einst für das Studium der Rechtswissenschaften an der Uni Perugia, Schwerpunkt europäisches und internationales Recht. Nach dem Masterabschluss und dem Referendariat in einer Kanzlei in seiner Geburtsstadt Paola in Kalabrien arbeitete er sieben Monate als Jurist für einen Apothekerverband in Venedig. Er prüfte und gestaltete Verträge, beriet Geschäftsführung und Mitglieder insbesondere in wirtschaftlich relevanten Rechtsgebieten. Doch wirklich zufrieden stimmte ihn das nicht. Auch die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt seien nicht prickelnd gewesen, allein in Rom gebe es „fast so viele Rechtsanwälte wie in Frankreich“, sagt er.

Weil er sich schon als Jugendlicher für die Kultur und die Geschichte Deutschlands interessiert habe, habe er im Februar 2015 beschlossen, zu einem Freund nach Winterbach (Rems-Murr-Kreis) zu ziehen. „Ich habe mir gedacht, vielleicht habe ich hier eine bessere berufliche Chance“, sagt er. Cinelli war sich bewusst, dass er zunächst die Sprache lernen muss. „Ohne die Sprache zu sprechen, ist nie ein gutes Gespräch möglich.“ Es sei „einfach unerlässlich“, die Sprache zu lernen, wenn man zum Leben in ein neues Land komme. Er findet, das sei auch ein Zeichen des Respekts den Einheimischen gegenüber. Kurz nach seiner Ankunft absolvierte er deshalb den ersten Deutschkurs in Schorndorf. Es folgten weitere. Inzwischen spricht er fließend und kann auch anspruchsvolle Konversationen führen.

Vor allem der Respekt für die Umwelt, die Mentalität und die Disziplin der Deutschen faszinierten ihn, sagt der Italiener, der das für sich offenbar übernommen hat. Um sein eigenes Geld zu verdienen und weder vom Staat noch von seinen Eltern abhängig zu sein, heuerte er wenige Wochen nach seiner Ankunft bei einem türkischen Spezialitätenhändler in der Produktion an. Im Sommer 2016 zog er nach Stuttgart. Hier lebt er nun mit seiner deutschen Freundin in Untertürkheim und arbeitet seit genau einem Jahr als Obst- und Gemüseverkäufer bei einem Feinkosthändler in der Innenstadt. Cinelli ist glücklich, dass er diesen Job gefunden hat. Die Kollegen seien nett, die Waren von hoher Qualität. Trotzdem war für ihn von Anfang an klar, dass er mittelfristig wieder „etwas mehr“ wolle – eine Tätigkeit, in der er seine Jurakenntnisse einbringen kann.

Im Zeitalter von Bologna wird sein Masterabschluss hierzulande ohne Probleme anerkannt. Theoretisch hätte er nach einer erleichterten Eignungsprüfung die deutsche Zulassung als Rechtsanwalt erlangen können. Aber Cinelli will als solcher nicht mehr arbeiten. Er sei „sehr diplomatisch“ und mehr an Menschen interessiert, wie er sagt. Seine Zukunft sieht er deshalb in einem Unternehmen in der Personalgewinnung und -entwicklung. Um sich darauf vorzubereiten, absolvierte er von Februar bis August dieses Jahres – parallel zu seinem Vollzeitjob – eine Weiterbildung im Personalwesen und Arbeitsrecht bei der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) in Stuttgart. Viel Freizeit blieb in diesen Monaten nicht. Aber Cinelli ist guter Dinge, dass sich sein Fleiß nun auch auszahle. Nach einem Heimaturlaub – dem ersten seit seiner Auswanderung – hat er jetzt die ersten Bewerbungen verschickt.