Für kleine Schäden braucht niemand eine Versicherung. Es ist fast immer güns­tiger, Brillen- und Glasbruch­versicherungen zu kündigen und für Schäden statt­dessen selbst eine Geld­reserve anzu­sparen. Foto: Fotolia/© Denis Ponkratov

Zu viele Policen und zu wenig Schutz: Kunden geben immer noch viel Geld für falsche und zu teure Versicherungen aus

Berlin - „Brille zum Nulltarif – und alle zwei Jahre eine neue.“ Mit diesen Worten wirbt Fielmann, Deutschlands größte Augenoptiker-Kette, für eine Brillenversicherung, die in Zusammenarbeit mit der Hanse-Merkur Versicherung angeboten wird. Zehn Euro Jahresprämie kostet die Police, dafür haben die Kunden sofort nach Abschluss Anspruch auf eine Metall- oder Kunststoffbrille mit Einstärkengläsern. Wer Mehrstärkengläser benötigt, muss eine Jahresprämie von 50 Euro bezahlen. Nach zwei Jahren haben die Kunden Anspruch auf eine neue Brille, bei Bruch oder Beschädigung gibt es jederzeit kostenlos Ersatz, genauso bei einer Sehstärkenveränderung von mindestens 0,5 Dioptrien.

Das Angebot klingt verlockend, stößt aber bei Verbraucherschützern auf Kritik: Denn wer glaubt, die Versicherung übernehme die vollen Kosten für jedes neue Brillengestell nebst entspiegelten oder getönten Gläsern, der irrt, warnt die Verbraucherzentrale Sachsen. Das Fielmann-Angebot bezieht sich nämlich nur auf die hauseigene „Nulltarif-Collection“. Wem die Auswahl nicht zusagt, der muss zuzahlen: Auf Markenbrillen beispielsweise von Gucci werden auf den Preis lediglich 15 beziehungsweise 70 Euro angerechnet. Und auch bei den Brillengläsern ist nur die einfachste Ausführung erfasst. Schon für eine einfache Entspiegelung müsse zugezahlt werden.

Kaum ein Verbraucher weiß, was bei solchen Zusatzversicherungen wirklich abgesichert ist

Zusatzversicherungen dieser Art gibt es viele – nicht nur bei Optikern: Geschäfte für Elektronikgeräte versprechen mit der sogenannten Elektronikversicherung beim Kauf eines Smartphone oder iPad umfangreichen Versicherungsschutz gegen Diebstahl und Beschädigung. Doch kaum ein Verbraucher weiß wirklich, was bei solchen sogenannten produktergänzenden Versicherungen wirklich abgesichert ist – geschweige denn, ob er sie benötigt. „Die meisten Verbraucher mit einer solchen produktergänzenden Versicherung wissen nicht, was die Versicherung leistet und was nicht“, sagt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten (BdV). „Im Schadensfall sind sie dann enttäuscht über geringe Leistungen.“

Rund drei von zehn Verbraucherinnen und Verbrauchern (28 Prozent) wurden in der letzten Zeit beim Einkauf eine Geräteversicherung oder eine Garantieverlängerung angeboten, zeigt eine aktuelle Emnid-Umfrage, die der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Auftrag gegeben hatte. Nur jeder siebte Verbraucher (14 Prozent) kann demnach benennen, was genau diese Versicherung eigentlich abdeckt.

Im Regelfall werden die Versicherungen direkt nach dem Verkauf angeboten

Der vzbv kritisiert Mängel beim Vertrieb der Zusatzversicherungen und fordert Nachbesserungen insbesondere im Hinblick auf die Beratung. „Der Vertrieb von produktergänzenden Versicherungen darf nicht im toten Winkel der Regulierung bleiben. Verbraucher erwarten zu Recht eine angemessene Beratung“, sagt Klaus Müller, Vorstand des vzbv. „Dazu zählt, dass die Vermittler eine Mindestqualifikation vorweisen können und den tatsächlichen Bedarf ermitteln.“ Zudem müsse das Versicherungsunternehmen für die Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit die uneingeschränkte Haftung übernehmen.

Bislang ist der Vertrieb der Zusatzversicherungen nur rudimentär reguliert: Vorgaben an die Qualifikation oder Beratungsqualität fehlen. Im Regelfall werden die Versicherungen direkt nach dem Verkauf eines Produkts angeboten. Vertragsdetails werden meist nur mündlich und damit latent unvollständig wiedergegeben. „Oft hat ein Verkäufer keine ausreichende Ausbildung oder Schulung genossen, um den Verbraucher ordnungsgemäß über den Inhalt der Vertragskonditionen zu informieren“, kritisiert BdV-Vorstand Kleinlein. Damit sei es vorprogrammiert, dass Verträge unter falschen Erwartungen abgeschlossen werden.

Die Deutschen lassen sich ihre Absicherung vor den Risiken des Lebens einiges kosten

BdV und vzbv fordern daher, bei der Übernahme der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie in deutsches Recht einen besseren Verbraucherschutz zu verankern. Die EU-Richtlinie ist im Februar dieses Jahres in Kraft getreten und muss innerhalb der nächsten zwei Jahre in nationales Recht umgesetzt werden. Die Bundesregierung plant, das Verfahren noch in dieser Legislaturperiode zu beenden. „Im Rahmen der gesetzlichen Neufassung des Versicherungsvertriebs muss der Gesetzgeber hier für die Verbraucher einen besseren Schutz etablieren“, so BdV-Vorstand Kleinlein.

Grundsätzlich lassen sich die Deutschen ihre Absicherung vor den Risiken des Lebens einiges kosten: „Über 2100 Euro gibt der Bundesbürger im Schnitt pro Jahr für Versicherungen aus“, betont BdV-Vorstand Kleinlein. „Dabei zeigt sich häufig, dass existenzielle Versicherungen wie die Berufsunfähigkeitsversicherung meist fehlen.“

Versicherungen, die nur kleine Schäden abdecken, sind verzichtbar

Verzichtbar sind grundsätzlich all jene Policen, die nur kleinere Schäden absichern. Dazu zählt beispielsweise eine Reisegepäckversicherung, denn der Verlust eines Koffers mag zwar ärgerlich sein, er lässt sich aber leicht ersetzen. Glas-, Sterbegeld- und private Arbeitslosenversicherungen sind ebenfalls entbehrlich, genauso wie Extra-Geräteversicherungen für Fahrräder, Handys, Laptops oder Brillen.

Entscheidend ist, dass der eigene Versicherungsschutz regelmäßig überprüft, an die eigene Lebenssituation angepasst wird und hierbei existenzbedrohende Risiken richtig versichert sind.

Diese Versicherungen sollte jeder haben

Berufsunfähigkeitsversicherung: Diese zahlt eine vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit oder eines Unfalls seinen letzten Beruf nicht mehr ausüben kann. Alternativ kann man auch die deutlich günstigere private Unfallversicherung abschließen. Diese zahlt eine Rente jedoch nur, wenn man aufgrund eines Unfalls seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, nicht jedoch bei krankheitsbedingter Berufsunfähigkeit.

Private Haftpflichtversicherung: Diese sichert den privaten Versicherungsnehmer und seine Familie im Rahmen der vereinbarten Deckungssummen vor Forderungen Dritter. Der Schaden muss durch Fahrlässigkeit im privaten Bereich entstanden sein.

Wohngebäudeversicherung: Diese schützt den Gebäudeeigentümer vor Risiken, die sich aus Brand, Sturm, Hagel und Leitungswasserschäden ergeben. Versichert ist jedoch nur das Gebäude, nicht dessen Einrichtung. Diese kann über eine Hausratversicherung abgesichert werden.

Risikolebensversicherung: Sie ist ein Muss für alle, die Kinder oder Lebenspartner im eigenen Todesfall absichern möchten. Es wird die vereinbarte Versicherungssumme an die Hinterbliebenen ausgezahlt. (czy)