Die Gefängnisse im Land sind überfüllt. Deshalb bleibt das berühmte RAF-Hochhaus in Stammheim noch einige Jahre stehen. Im Sommer sollen dort wieder Gefangene einziehen. Die JVA Stuttgart zählt dann fast 1100 Haftplätze.
Der Druck ist enorm. Und das seit Jahren. Denn die Gefängnisse in Baden-Württemberg platzen aus allen Nähten. Besonders bei den männlichen Gefangenen im geschlossenen Vollzug, die den Großteil ausmachen, gibt es zu wenig Kapazitäten. So manche Justizvollzugsanstalt (JVA) wird deshalb überbelegt, die Bedingungen sind sowohl für das Personal wie für die Insassen mangelhaft.
Welche Auswirkungen das hat, lässt sich besonders gut an der JVA Stuttgart sehen. Das Gelände am Nordrand von Stammheim gleicht seit Jahren einer Großbaustelle. Pläne werden gemacht und aufgrund der Platzsituation im Land wieder verworfen oder verschoben. Und jetzt kommt ein bundesweit bekanntes Gebäude, das längst abgerissen sein sollte, noch einmal zu seinem zweiten Frühling.
Der Bau 1, das markante Hochhaus, hat Geschichte geschrieben. Dort saß in den 70er Jahren die Führungsriege der Rote Armee Fraktion (RAF) ein – und nahm sich zum Teil dort auch das Leben. Die Zellen, die für die Terrorgruppe genutzt wurden, sind inzwischen großteils zu Gruppenräumen umgebaut. Zuletzt stand der Bau 1 komplett leer. Das marode Gebäude hätte eigentlich längst verschwunden sein müssen. Doch das geht nicht, denn die Kapazitäten werden gebraucht. Zumindest, bis die neue JVA in Rottweil fertig ist. Das könnte 2027 der Fall sein. Also hat man zuletzt bei Brandschutz, Heizung und Gebäudetechnik nachgebessert. Auch im Verwaltungsgebäude gibt es eine Brandschutzsanierung. Beides zusammen kostet 23 Millionen Euro.
Von Sommer an sollen dann wieder Gefangene ins Hochhaus einziehen. „Bis auf Weiteres werden dort dann 326 Haftplätze zur Verfügung stehen, für die jedoch keine vollständige Infrastruktur besteht“, sagt eine Sprecherin des Justizministeriums. Das bedeutet, dass insbesondere das Arbeits- und Freizeitangebot nicht entsprechend aufgestockt werden können. Denn mit den zusätzlichen Kapazitäten kommt die JVA in Stammheim vom Sommer an auf 1065 Haftplätze und ist damit die mit Abstand größte im Land. Zum Vergleich: Das geplante neue Großgefängnis in Rottweil soll nicht einmal halb so viele Plätze umfassen. Zuletzt waren im Dezember von den 739 Haftplätzen in Stammheim 726 belegt – das Gefängnis gilt damit bereits als überbelegt, denn eigentlich sollte es einen Puffer von zehn Prozent geben.
Mehrzweckgebäude soll noch dieses Jahr fallen
Doch mit der Wiederinbetriebnahme des Hochhauses ist es nicht getan im Stuttgarter Norden. Irgendwann werden die 111 Haftplätze im Bau 2 vorübergehend oder ganz wegfallen, weil auch der saniert werden muss. Und noch für dieses Jahr ist der Abriss des sogenannten Mehrzweckgebäudes geplant. Das frühere Gerichtsgebäude, errichtet 1975 für die RAF-Prozesse, ist außer Betrieb, seit das Stuttgarter Oberlandesgericht im April 2019 das für 29 Millionen Euro errichtete neue Sitzungssaalgebäude direkt daneben in Betrieb genommen hat. Erst im vergangenen Sommer haben die Denkmalschutzbehörden zugestimmt, das als Kulturdenkmal eingestufte Mehrzweckgebäude abzureißen.
Auf längere Sicht soll dann die vorerst letzte große Baumaßnahme in Stammheim erfolgen: Der Umzug des Justizvollzugskrankenhauses auf dem Hohenasperg auf das Gelände. „Zum Neubau liegen aufgrund der frühen Planungsphase noch keine belastbaren Daten vor“, heißt es im zuständigen Finanzministerium. Weder Zeitplan noch Kosten stehen also fest, allerdings beträgt die erste Rate im Etat für Planung und Beginn der Arbeiten 25 Millionen Euro. Der vorgesehene Krankenhaus-Neubau soll rund 200 Betten umfassen.
140 Millionen Euro in wenigen Jahren
So ändert sich das Aussehen der JVA Stammheim über die Jahre komplett. Bis 2009 ist bereits eine neue Torwache entstanden, bis 2017 folgten fünf neue Haftgebäude, die eigentlich das Hochhaus ersetzen sollten. Weitere anstehende bauliche Maßnahmen sind die Installation einer PV-Anlage noch in diesem Jahr und die Ertüchtigung eines bestehenden Lagerbereichs. Dazu kommen Sanierungsmaßnahmen der bestehenden Werkhalle. Rechnet man alle bisher bekannten Kosten zusammen, sind in den vergangenen rund 15 Jahren etwa 140 Millionen Euro in die Stuttgarter JVA geflossen, die erste Tranche für das Krankenhaus nicht mitgerechnet.
Ob es bei den bisher geplanten Zeit- und Kostenrahmen bleiben wird? Und ob die Maßnahmen auch alle so umgesetzt werden, wie derzeit vorgesehen? Das ist wohl schwer zu sagen. Denn der Druck auf die Gefängnisse im Land ist enorm. Und vieles hängt vom Neubau in Rottweil ab.