2015 sind Rettungswagen in Stuttgart zu häufig zu spät zum Einsatzort gekommen. Im vergangenen Jahr konnten sie wie auch die Notärzte die gesetzlichen Vorgaben wieder einhalten. Weiteren Verbesserungsbedarf sehen die Verantwortlichen aber trotzdem.
Stuttgart - Bei der Stadt und bei den Hilfsorganisationen ist die Freude groß. „Das ist eine gute Nachricht für alle Patienten“, sagt Stadtdirektor und Feuerwehrchef Frank Knödler. Udo Bangerter, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), stimmt zu: „Das ist eine schöne Entwicklung.“ Grund für die Zufriedenheit: Nach großen Problemen im Jahr zuvor haben die Rettungskräfte die gesetzliche Hilfsfrist 2016 wieder erfüllt. Die besagt, dass die Retter in 95 Prozent aller Einsätze binnen maximal 15 Minuten vor Ort sein müssen. Die Rettungswagen kamen im vergangenen Jahr auf eine Quote von 96,2, die Notärzte auf 95,25 Prozent.
Grund dafür ist ein Ausbau der Kapazitäten. Bereits seit Februar 2016 ist ein zusätzlicher Rettungswagen im Einsatz. Nachdem ein Gutachten im Auftrag der Stadt eine erhebliche Versorgungslücke festgestellt hat, ist er zur Dauereinrichtung geworden. Bei der Johanniter-Unfall-Hilfe ist im November zudem ein weiteres Fahrzeug in Dienst gegangen, sodass jetzt 17 Rettungswagen auf der Straße sind. Außerdem haben die Malteser ein Fahrzeug, das bisher nur 16 Stunden pro Tag unterwegs gewesen ist, auf 24 Stunden aufgestockt.
Zurücklehnen kann man sich angesichts des Ergebnisses allerdings nicht, denn es ist trügerisch. Seit Jahren hecheln die Rettungskräfte der Entwicklung hinterher, weil zwar das System verfeinert und besser ausgestattet worden ist, aber gleichzeitig die Einsatzzahlen in die Höhe schießen. „Wir haben einen Anstieg in allen Bereichen“, sagt Knödler. Laut DRK-Zahlen gab es im vergangenen Jahr eine Zunahme der Blaulichtfahrten um 5,1 Prozent auf 11 236 bei den Notärzten. Rettungswagen rückten zu 32 968 Notfällen aus – das waren 2,4 Prozent Einsätze mehr als im Jahr zuvor. Dieser Trend geht weiter – und sorgt dafür, dass man sich nicht zu sicher sein kann, was die Einhaltung der Vorgaben betrifft.
Im Februar sind die Werte wieder schlechter geworden
„Jetzt im Februar zum Beispiel lagen wir wieder unter 95 Prozent“, weiß Knödler. Für ihn ist deshalb klar, dass man einen Puffer schaffen muss, „um eine dauerhafte Verbesserung bei der Versorgung der Patienten zu erzielen“. Den soll ein weiteres Fahrzeug bringen. Seit Januar ist ein zusätzlicher Notarzt unterwegs, um die Versorgung abzusichern. „Diese Entscheidung war richtig und wichtig“, sagt Knödler.
Anderswo sieht es nicht ganz so gut aus. Obwohl das für den Rettungsdienst verantwortliche Innenministerium seit einiger Zeit die Zahlen aller 34 Rettungsdienstbereiche in Baden-Württemberg sammelt und später im Jahr gemeinsam veröffentlicht, sickern schon jetzt immer mehr Werte durch. Die Rhein-Neckar-Region zum Beispiel hat die Vorgaben nicht erreicht. Auch aus der Region Stuttgart gibt es bereits weitere Ergebnisse. Nämlich aus dem Rems-Murr-Kreis. Dort ist die gesetzliche Hilfsfrist im vergangenen Jahr ebenfalls nicht eingehalten worden. Die Rettungswagen blieben nur in 93,3 Prozent der Einsätze innerhalb der Vorgaben, bei den Notärzten sind es 94,5 Prozent gewesen. Auch dort sind die Einsatzzahlen zuletzt immer weiter gestiegen – binnen zwei Jahren um 13 Prozent. Der Landkreis und das DRK haben bereits Gegenmaßnahmen angekündigt. So sollen unter anderem weitere Fahrzeuge in Dienst genommen werden.
Zahl der Einsätze steigt landesweit
Ein Trend, der auch landesweit seit Jahren anhält. Stetig steigende Einsatzzahlen machen es den Rettern trotz zusätzlicher Fahrzeuge schwer, die Vorgaben einzuhalten. Sie hinken der Entwicklung meist hinterher. Im Jahr 2015 haben bei den Rettungswagen 26 der 34 Rettungsdienstbereiche die Latte gerissen, bei den Notärzten sogar 31. Die Zahl der Einsätze stieg landesweit um rund zehn Prozent. „Wir hoffen, dass sich 2016 Auswirkungen der mannigfaltigen Bemühungen zeigen“, sagt DRK-Sprecher Bangerter. Ganz einfach ist die Lage nämlich selbst dann nicht, wenn die Krankenkassen eine bessere Vorhaltung finanzieren: Die Hilfsorganisationen müssen erst einmal das notwendige Personal finden. Und das ist bundesweit derzeit äußerst knapp.
Für Spannung sorgt in diesem Jahr aber noch eine weitere Umstellung: Die neue Qualitätssicherungsstelle für den Rettungsdienst gibt landesweit die Parameter für die Erfassung der Einsätze vor. Was das für die Zahlen bedeutet, ist bisher noch offen.