Auch wenn immer mehr Frauen beruflich erfolgreich sind – in vielen Berufen dominieren nach wie vor Männer. Foto:  

Frauen haben eine höhere Bildung als Männer und sind gut ausgebildet. Dennoch können sie Benachteiligungen nur langsam ausgleichen. Was noch zu tun ist.

Stuttgart -

Ob bei Bildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen und sozialer Absicherung im Alter – wenn es um die Gleichstellung von Frau und Mann geht, hat das weibliche Geschlecht aufgeholt. Die Studie der arbeitnehmernahen Böckler-Stiftung und des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zeigt aber auch: Manchmal ist der Fortschritt eine Schnecke. Rückschläge sind nicht ausgeschlossen – auch dafür gibt es Beispiele in der Studie. Welche konkreten Fortschritte hat die Studie, die anlässlich des Weltfrauentages Anfang März vorgestellt wird, nun herausgefunden?

Einkommen

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Beim Einkommen holen Frauen auf – aber nur sehr langsam. 2020 verdienten Männer im Schnitt 22,78 Euro brutto pro Stunde, Frauen 18,62 Euro. Damit liegt der Stundenlohn von Frauen im Schnitt knapp 18,3 Prozent unter dem von Männern. Zehn Jahre zuvor lag dieser sogenannte Gender Pay Gap – also der Anteil, den Frauen im Schnitt pro Arbeitsstunde weniger verdienen als Männer – bei über 22 Prozent. Die Folgen sind gravierend: 17,5 Prozent der weiblichen Beschäftigten mit Vollzeitstelle verdienten 2020 weniger als 2000 Euro brutto im Monat, bei den Männern waren es 9,1 Prozent.

Dass sich die Lohnlücke mittlerweile so langsam schließt, hat nicht zuletzt mit der Politik zu tun: Konkret mit dem 2015 eingeführten Mindestlohn. Die von der Ampelkoalition in Berlin geplante Erhöhung auf zwölf Euro könnte da einen weiteren spürbaren Impuls geben, geht aus der Studie hervor.

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Soziale Absicherung

Das geringere Einkommen hat – gerechnet über das gesamte Erwerbsleben hinweg – seinen Preis. Gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung aufsummiert, beziehen Frauen im Schnitt ein um 49 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer, geht aus der Untersuchung der Böckler-Stiftung hervor. Anfang der 1990er Jahre lag die Lücke allerdings noch bei 69 Prozent. „Diese Entwicklung zeigt beispielhaft: Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehen sich bislang meist sehr langsam“, sagt Yvonne Lott, Gleichstellungsforscherin am WSI und Mitautorin des Reports. Doch Corona könnte diesen Trend negativ beeinflussen. Einige Studien weisen darauf hin.

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Bildung

An der Bildung liegt das finanzielle Ungleichgewicht nicht. Der Trend zu höheren Schulabschlüssen ist in Deutschland seit Jahrzehnten ungebrochen – bei Frauen und Männern. Doch die Frauen sind etwas flotter unterwegs, wenn es um das Erreichen von mehr Bildung geht. Ob bei Abitur oder Realschulabschluss – Frauen haben die Männer überholt. Seit 2019 übersteigt der Anteil der Frauen mit Hochschulreife den der Männer. Beim Realschulabschluss haben die Frauen schon deutlich länger die Nase vorn.

Doch bei der Berufswahl bleibt alles weitgehend wie gehabt: Männer entscheiden sich für technische Berufe, Frauen bevorzugen Gesundheit/Pflege und Kaufmännisches. Nur sieben der 25 häufigsten Ausbildungsberufen in Deutschland sind nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen.

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Arbeitszeit

Auch wenn die Frauen gut ausgebildet sind, arbeiten sie viermal so häufig wie Männer in Teilzeit. Und von den Beschäftigten, die als einziges Arbeitsverhältnis einen Minijob haben, sind rund 60 Prozent weiblich. Grund dafür ist die Mehrfachbelastung: Familie und Beruf sind unter einen Hut zu bringen.

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Betreuung

Frauen übernehmen nach wie vor den größten Teil der Pflege von Angehörigen und der Kinderbetreuung. Hier könnte es durch die Coronakrise sogar zu Rückschritten gekommen sein, steht in der Studie. So übernahmen vor Beginn der Pandemie 62 Prozent der Mütter und fünf Prozent der Väter in Paarbeziehungen mit Kindern den überwiegenden Anteil der Betreuungszeit. Im Frühjahr 2020 – damals waren viele männliche Beschäftigten in Kurzarbeit – haben dann 13 Prozent der Männer überwiegend den Nachwuchs betreut.

Doch dieser Anteil ist schnell wieder gesunken. Nach den jüngsten verfügbaren Daten vom Juni des vergangenen Jahres ist die Arbeitsteilung sogar noch ungleicher geworden als vor der Krise: Nun übernahmen bei 71 Prozent der Familien die Mütter überwiegend die Kinderbetreuung. Dies sei aber eine Momentaufnahme, betonen die Autoren. „Aber es besteht die Gefahr, dass die Pandemie Fortschritte infrage stellt, die langsam über Jahre hinweg gemacht wurden“, sagt Yvonne Lott.

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Forderungen

Damit Frauen berufliche Chancen besser nutzen können, fordert die Gleichstellungsforscherin Lott einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuung, mehr Partnermonate bei der Elternzeit und eine Abkehr von der nach wie vor in vielen Unternehmen gepflegten Kultur überlanger Arbeitszeiten. Aber es muss auch auch ein Ende für Regelungen her, die vor allem Frauen am Rande des Arbeitsmarktes halten, insbesondere Minijobs und das ihrer Ansicht nach überkommene Ehegattensplitting. Darüber hinaus müssten systemrelevante „typisch weibliche“ Berufe finanziell aufgewertet werden. Und Kinder und Jugendliche müssten mehr Möglichkeiten erhalten, geschlechteruntypische Berufsfelder kennenzulernen, um Stereotype bei der Ausbildungs- und Berufswahl abzubauen.