Wasser für Vilja: Am Ende machte der Elefantenkuh die Hitze sehr zu schaffen. Foto: Hörner

Die große alte Dame der Wilhelma ist tot. Ein Nachruf auf Vilja, Elefantenkuh und Publikumsliebling.

Stuttgart - Die große alte Dame der Wilhelma ist tot. Vilja, die 61 Jahre alte Elefantenkuh, ist am vergangenen Samstag mit Herz-Kreislaufversagen zusammengebrochen. Seit ihrer Ankunft in der Wilhelma 1952 war sie der Publikumsliebling, der die Besucher, die Pfleger und immer wieder auch die Feuerwehr in Atem hielt.

Wer weiß, vielleicht wäre der zoologisch-botanische Garten Wilhelma ohne die indische Elefantenkuh Vilja immer noch ein rein botanisches Paradies. Doch Albert Schöchle, der frühere Wilhelmadirektor, verfolgte Anfang der 50er Jahre listig und trickreich den Plan, den Stuttgartern auch exotische Tiere zu präsentieren. Dabei hatte er in Vilja seine stärkste Verbündete. Zum Dank trägt die moderne Wilhelma einen Elefanten im Logo.

Für Späßchen war Vilja immer zu haben

1952 kam Vilja als etwa dreijähriges Elefantenmädchen nach Stuttgart. Eigentlich war sie nur kurzfristig für die Sonderausstellung "Indische Dschungeltiere" vorgesehen. Doch weil Schöchle damals für den Kauf 12.000 Mark in die Hand nahm, wurde aus ein paar Wochen die kleine Ewigkeit von 58 Jahren.

Wer weiß, vielleicht wäre Professor Dieter Jauch, der heutige Wilhelmachef, ohne Vilja gar kein Zoodirektor geworden. "Ich kann mich noch genau an unsere erste Begegnung erinnern", sagt Jauch. 1952 war's, und der kleine Dieter, kaum älter als die kleine Vilja, war schwer beeindruckt. "Obwohl es in ihrem Haus furchtbar gerochen hat." So richtig riechen konnten sich beide auch später nicht immer, trotz aller Zuneigung und gegenseitigem Respekt. "Vilja hat mich gelegentlich mit Dreck bespritzt", erinnert sich Jauch. "Ich war bei ihr immer auf der Hut."

Für Späßchen war Vilja immer zu haben. Ihr erster Tierpfleger in der Wilhelma sammelt mit ihr an der Seite bei den großen und kleinen Besuchern immer "Zehnerle" ein. Zum Dank und zum Staunen des Publikums schnappte sich Vilja dann mit grenzenlosem Appetit die zugeworfenen Brotstücke. Manchmal aber, da war Vilja schon älter, hatte sie auf anderes als trockenes Brot Lust. Einmal griff sie sich mit dem Rüssel die Handtasche einer Besucherin und verdrückte sie samt Fotoapparat. Ein andermal verschwand eine Lederjacke in ihrem Maul. Zum Glück passierten sogar diese Dinge Viljas Verdauungstrakt, ohne bei ihr Schaden anzurichten.

"Einen Umzug hätte sie nicht überlebt"

Ein Leckermaul war Vilja bis zuletzt. Keine ihrer Artgenossinnen, weder die inzwischen 44-jährigen Pama und Molly, noch die 43-jährige Zella, waren so erfindungsreich, wenn es darum ging, einen Extrahappen als Belohnung zu ergattern. Eifrig trug sie herumliegendes Werkzeug und leere Futtereimer zusammen - und erwartete dafür ein schmackhaftes Honorar. "Auch beim Stibitzen war Vilja ganz groß", erinnert sich der Wilhelmachef Jauch.

In den letzten Jahren aber wurde Vilja auch ohne Gegenleistung von allen Seiten verwöhnt. Fast zahnlos, wie die inzwischen älteste Elefantendame Europas war, bekam sie ein auf sie abgestimmtes Spezialfutter. Nur auf die Schnabeltasse legte Vilja bis zuletzt keinen Wert.

"Einen Umzug hätte sie nicht überlebt"

Mit der Feuerwehr hatte Vilja in der Wilhelma immer wieder zu tun. Als im Winter 1952 nachts in ihrem Elefantenhaus ein Feuer ausbrach, wurde sie erst in letzter Minute gerettet. Der damalige Tierpfleger Werner Freund schaffte es, das vor Angst tobende Tier zu beruhigen und ins Freie zu bringen. Bis zuletzt waren sich beide in tiefer Freundschaft verbunden.

Der zweite Großeinsatz der Feuerwehr wurde 2008 nötig. Nach einem Gerangel mit der Elefantenkollegin Molly war Vilja in den Gehegegraben gestürzt. Wie durch ein Wunder wurde sie dabei nur leicht verletzt. Dank einer Kreislaufspritze, vor allem aber mit Hilfe der Feuerwehr, die mit einem Hebekran anrückte, wurde die alte Elefantendame wieder auf die Beine gestellt.

Der Tod von Vilja am vergangenen Samstag kam für die Verantwortlichen der Wilhelma nicht unerwartet. "Zuletzt ging es mit ihr immer weiter bergab", sagt Jauch. "Sie wurde immer schwächer." Trotz kühllender Wasserduschen setzte die aktuelle Hitzewelle dem Tier immer mehr zu. Das Ende kam durch ein akutes Herz-Kreislauf-Versagen. "Auch wenn wir sehr traurig sind, so können wir zumindest sicher sein, dass Vilja sich nicht lange hat quälen müssen.", sagt Dieter Jauch. "Einen Umzug hätte sie nicht überlebt", sagt der Wilhelmachef mit Blick auf das geplante neue Elefantenhaus, mit dessen Bau frühestens 2015 begonnen werden kann.

Bereits 1968 hatte es bei der Eröffnung des damals neuen Elefantenhauses in der Wilhelma fast ein Drama um Vilja gegeben. Mit aller Körperkraft stemmte sie sich gegen den Ortswechsel. Ein Laster, der sie ins neue Heim ziehen sollte, blieb mit Getriebeschaden liegen. Vilja beugte sich erst der Zugkraft zweier Unimogs.

Eine Ära ist zu Ende. Vilja ist tot. Die Vuvuzelas in Südafrika haben ihr das letzte Geleit gegeben. Jetzt können die Elefanten-Tröten aus Plastik endlich schweigen.