Streitbarer Geist: Rolf Hochhuth prägte die Bundesrepublik. Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Kein Dramatiker hat so viel bewirkt wie er: Rolf Hochhuth stürzte Politiker und provozierte die Theaterwelt. Seine Stimme wird fehlen.

Stuttgart - Was harmlos klingt, kann gefährlich werden: Schillers vor mehr als zweihundert Jahren aufgestellte Forderung, die „Schaubühne als moralische Anstalt“ zu betrachten, hat kein Schriftsteller je so ernst genommen wie Rolf Hochhuth. Aus der Schaubühne machte er einen Kampfplatz, auf dem Gut gegen Böse rang, was nur gelingen konnte, weil er seine Theaterstücke zu Tribunalen umgeschmiedet hatte. Und vor diese Tribunale zerrte er Politiker und Päpste, Militärs und Lobbyisten, Konzernchefs und Unternehmensberater. Ihnen und allen anderen, die er zu den Herrschenden zählte, machte er den Prozess, moralisch einwandfrei, aber ästhetisch oft dürftig, weshalb er nicht zum Liebling der Theaterkritik avancierte. Sie schmähte seine Stücke als „Bühnenleitartikel“ – und doch war Rolf Hochhuth, der am Mittwoch mit 89 Jahren in Berlin gestorben ist, der politisch wirkmächtigste deutsche Dramatiker der Nachkriegszeit.