Peter Lustig (rechts) im Jahr 2010 mit seinem Nachfolger Guido Hammesfahr alias Fritz Fuchs. Foto: dpa

Generationen von Kindern und Eltern kannten ihn, den Mann mit der Latzhose, Nickelbrille und dem Bauwagen: Peter Lustig. Der Moderator der ZDF-Kultsendung „Löwenzahn“ ist mit 78 Jahren gestorben. Ein ganz persönlicher Nachruf.

Stuttgart - „Es gibt viele Menschen, die sich einbilden, was sie erfahren, das verstünden sie auch.“ Dieser Satz stammt von der Deutschen liebsten Dichter, Johann Wolfgang von Goethe. Peter Lustig, der am Dienstag (23. Februar) im Alter von 78 Jahren gestorben ist, gehörte nicht zu dieser Kategorie Mensch. Was er erfahren hatte, verstand er, weil er der Welt und ihren Dingen mit unnachahmlicher Neugier und Aufgeschlossenheit auf den Grund ging und mit Selbstironie und Witz begegnete.

Bescheiden, lustig und liebenswürdig

Nicht zu vergessen seine Bescheidenheit und sein liebenswürdig-munter machender Humor. 197 Folgen der ZDF-Kinderserie „Löwenzahn“ moderierte er. Mehr noch: Peter Lustig erfuhr und erlebte das, was er seinen Zuschauern – Kindern und fast genauso vielen Erwachsenen – per TV-Bildschirm mitteilte. Damit sie aus der Sendung lernen, wie er für die Sendung lernte und das Gelernte an die Zuschauer von „Löwenzahn“ weitergab.

Peter Lustig war ein Mensch ohne Scheuklappen. Er sah als Erwachsener die Welt mit den Augen eines Kindes. Nicht etwa, weil er infantil geworden wäre – sondern, weil er sich die ursprüngliche Neugier des ersten Blickes wie ein Kind ein Leben lang bewahrt hatte. Er erlebte die Welt und ihre Faszinationen mit offenen Augen, unverstellt und immer lustig.

Sein Name war Programm

Sein Name war Programm. Offenbar war der Privatmann Peter Lustig ähnlich lustig wie der TV-Moderator. So bunt und blau schillernd wie sein Bauwagen und die rosafarbene Dachterrasse in „Löwenzahn“, die auf dem Wiesengrundstück von Trude im Elchwinkel 3 standen, war auch sein Leben. Am 27. Oktober 1937 wurde Klein-Peter in Breslau geboren. Jener Stadt, welche die Nazis im März 1945 zur „Festung Breslau“ erklärten, die dem Ansturm der Roten Armee standhalten sollte (was sie bekanntlich nicht tat).

Seine zweite Ehefrau Elfie Donnelly schrieb darüber ein Kinderbuch: „Peters Flucht“ über die Flucht des Achtjährigen aus der belagerten Stadt. Elfie Donnelly ist nicht minder berühmt als ihr am 23. Februar verstorbenen Mann. Sie ist Autorin der Kinder-Helden „Bibi Blocksberg“ („Hex-hex“) und „Benjamin Blümchen“ („Töröö“).

Seine Markenzeichen: Latzhose, Nickelbrille, Halbglatze

Halbglatze, Nickelbrille, Hosenträger, Bart und – natürlich die unverwechselbare Latzhose waren Peter Lustigs Markenzeichen seit seinen ersten Schritten auf dem Fernsehparkett. In der „Löwenzahn“-Vorgängersendung „Pusteblume“, die am 7. Januar 1979 erstausgestrahlt wurde, trug er bereits die Schlabberhose. In 197 Episoden von „Löwenzahn“, die er vom 4. Oktober 1981 bis zu seinem endgültigen krankheitsbedingten Abschied am 16. Oktober 2005 moderierte, machte der gelernte Rundfunktechniker und studierte Elektrotechniker die blaue Jeanshose mit dem Bruststreifen zum Kult.

Aber schon acht Jahre zuvor zeichnete sich ab, dass dieser Öko-Onkel der ersten Generation Großes vorhatte. 1973 trat er in der „Sendung mit der Maus“ als Peter mit Robotervogel Atze auf und erklärte Klein und Groß die Welt der Technik, der Natur, des Wissens und des Landlebens. Überhaupt alles, was Kinder wissen wollen oder noch nicht kennen. Bei diesem Konzept blieb es auch in „Löwenzahn“.

Er erklärte kleine und großen Kindern die Welt

Peter Lustig zeigte Kindern, wo Kartoffeln wachsen und das Salz herkommt. Warum Flugzeuge fliegen, im Wald so viele Bäume stehen, Kasperl Theater spielt und der Igel im Winter schlafen muss. Wie Schokolade gemacht wird und Berge entstanden sind. Warum Flüsse fließen und Schnecken so langsam sind. Was das Weltall so spannend macht und Staudämme so hoch. Und das 197 Folgen lang. Einfach grandios.

In der großen Wohnstube seines 450 Quadratmeter großen und 200 Jahre alten Fresenhofs in Bohmstedt in der Nähe von Husum, wo er mit seiner dritten Ehefrau Astrid Berge von 2004 bis 2014 lebte (bevor beide nach Berlin umzogen) hing auch die aus der Sendung bekannte sprechende Ukulele an der Wand. Peter Lustigs warme und sonore Stimme bleibt so unvergesslich wie die von Klaus-Dieter Klebsch (der deutschen Stimme von „Dr. House“ ) oder von dem Schauspieler und Rezitator Gert Westphal („Der Schatz im Silbersee“, komplette Lesung von Karl Mays Abenteuerroman).

Was Peter Lustig erzählte, hatte er zuvor selbst erlebt. Er besuchte Fabriken und Museen, Theater und Labors. Er ging auf Safari, in den Zoo und in Spukschlösser. Er buk Brot, melkte Kühe und beschnitt Apfelbäume. Als begnadeter Erzähler und Pädagoge brachte er seinen Fans die Welt mit spielerischer Sicherheit und traumwandlerischer Begabung bei.

„Unsere größten Fans sind deutlich über 30“

Ursprünglich war „Löwenzahn“ gedacht für Grund- und Unterstufenschüler bis zur sechsten Klasse. In einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ im Jahr 2004 bekannte Peter Lustig: „Inzwischen wissen wir, dass unsere größten Fans so wie bei der ‚Sendung mit der Maus‘ deutlich über 30 sind. Die haben vor 15 Jahren als Kinder schon die Ausgaben der ‚Pusteblume‘ gesehen und sind uns bis heute treu geblieben.“ (Der Autor muss bekennen, dass er zu dieser Gruppe gehört.)

Paradiesvogel und TV-Institution

Heirat in Latzhose

Peter Lustig war ein Paradiesvogel – und ein hochdekorierter TV-Veteran. Schon 1980 bekam er für „Pusteblume“ den Adolf-Grimme-Preis mit Silber. Zahlreiche weitere Ehrungen folgten – wie 2007 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Modisch gekleidet war der auch im Leben lustige Lustig nie, dafür aber stilecht. 35 Latzhosen besaß er laut „Stern“. Er heiratete seine dritte Ehefrau Astrid Berge sogar in einer schwarzen mit Nadelstreifen.

„Hab ich immer schon getragen“, sagt er einmal. „Da zwickt nichts“ Und sie boten ihm mit den vielen Taschen genügend Platz für Schnupftabakdosen, Schraubenzieher, Bleistift und Hundeleckerlis. Alles, was ein Peter Lustig halt so brauchte für sich, seine Sendung, Labrador Martha und die beiden Möpse Julchen und Manfred.

„Eine Institution im deutschen Kinderfernsehen“

Norbert Himmler, der Programmdirektor seines Haussenders ZDF, kondoliert mit den Sätzen: „Über 25 Jahre war Peter Lustig eine Institution im deutschen Kinderfernsehen und das Gesicht der ZDF-Kultsendung ‚Löwenzahn‘. Peter Lustig erzählte den Kindern allwöchentlich spannende Geschichten, erklärte interessante Experimente und kam zu außergewöhnlichen Erkenntnissen - ohne sich je bei den Kindern anzubiedern. Wir werden den Mann, der Kinder und Erwachsene immer wieder zu überraschenden Erkenntnissen geführt hat, in lebendiger Erinnerung behalten.“

Seine „Geschichten aus Natur, Umwelt und Technik“ seien Kult gewesen. 24 Jahre lang habe Peter Lustig mit seinem halbstündigen ZDF-Wissensmagazin „Löwenzahn“ wissbegierige Kinder und immer noch neugierige Erwachsener vor den Bildschirm gezogen. Unnachahmlich machte er schwierige Zusammenhänge durch kluge Fragen für jedermann verständlich.

Wie gesagt: Peter Lustig war ein Paradiesvogel – vor und hinter der Kamera. Wie seine zweite Frau Elfie Donnely gehörte er in den 1980er Jahren der Osho-/Bhagwan-Bewegung an. Auch Elfie Donnely war eine Anhängerin von Oshos Neo-Sannyas-Bewegung. Mit ihr hatte Peter Lustig einen gemeinsamen Sohn – Momme Pavi.

Mitte der 1980er Jahre diagnostizierten die Ärzte einen Lungentumor. Nach sieben Operationen besaß der Moderator noch einen Lungenflügel. „Damals hatte man mit fünf Jahre gegeben“, sagte er 2010 in einem Interview und fügte mit dem typischen Lustig-Humor hinzu: „Ich bin also weit über dem Verfallsdatum.“ Peter Lustig starb am Dienstag (23. Februar) im Alter von 78 Jahren in der Nähe von Husum im Kreise seiner Familie, wie das ZDF mitteilte.

Der Mensch geht, die Erinnerung bleibt

„Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt‘‘, hat der Dramatiker und Lyriker Bertolt Brecht einmal gesagt. Bis dass Peter Lustig in diesem Sinne „wirklich tot“ ist, wird hoffentlich noch eine sehr, sehr lange Zeit vergehen.