Günther Förg ist mit 61 Jahren gestorben Foto: em

Als Max Hetzler, Ursula Schurr und Hans-Hürgen Müller 1979 in Stuttgart mit der Schau „Europa 79“ die Behauptung wagten, die Kunst der 1980er Jahre zu zeigen, waren auch Werke von Günther Förg zu sehen. Die Behauptung wurde Realität und Förg einer der herausragenden Figuren der deutschen Gegenwartskunst.

Als Max Hetzler, Ursula Schurr und Hans-Hürgen Müller 1979 in Stuttgart mit der Schau „Europa 79“ die Behauptung wagten, die Kunst der 1980er Jahre zu zeigen, waren auch Werke von Günther Förg zu sehen. Die Behauptung wurde Realität und Förg einer der herausragenden Figuren der deutschen Gegenwartskunst.

Stuttgart - „Der Winter ist grau“, weiß die Kindermaus Frederick – und also sammelt sie im Sommer und im Herbst Farben, um das Grau in den wärmsten Tönen erstrahlen zu lassen. Als Maler weiß Günther Förg, 1952 in Füssen geboren, das Grau zu vertiefen, den Ton zu verdichten, das Grau zum Klingen zu bringen. Als Künstler weiß er, Farben und Formen loszulassen und doch bei einem Thema zu bleiben, den einmal begonnenen Satz fortzuschreiben, durch ergänzende oder gar widersprechende Einschübe zu erweitern.

Als Flaneur tritt Förg 1990 mit einer den Gestus des Schönen feiernden Ausstellung im Kassler Museum Fridericianum auf. Als Flaneur des Materials und der Moderne. Sechs Jahre später ist der Kunstverein Hannover, unter der Leitung Eckhard Schneiders durch Präsentationen von Gerhard Merz oder Daniel Buren, von Jan Fabre oder Rob Scholte als herausragender Ort großer Einzelausstellungen ausgewiesen, Förgs Bühne. Und wieder bewegt er sich mit verblüffender Leichtigkeit, wirken die Arbeiten aus seinerzeit mehr als 20 Jahren wie gute Freunde, die doch den Status des fremden Gastes nie aufgeben.

Der Doppelauftritt in den Kunstvereinsräumen in der Sophienstraße und in der Orangerie in den Herrenhäuser Gärten zeigt Förg überrascht von der Dauerhaftigkeit seiner so flüchtigen Gesten. Natürlich ist die Überraschung gespielt wie auch das Flüchtige seiner Arbeiten. Förg, der auch als Fotograf und Bildhauer stets den Blick des Malers behält, das Gegenspiel von geometrischer Rasterstruktur (Fotografie) und sinnlich schmeichelnder Farb- und Oberflächenstruktur (Malerei und Plastik) vorführt, arbeitet höchst präzise, bereitet seine die offene Bildwirkung begründenden Formsetzungen intensiv vor. Dies geschieht, und eben das macht sein Schaffen über die Auseinandersetzung mit dem einzelnen Stück hinaus interessant, in den Arbeiten selbst, in den Zyklen, die bis in die jüngste Zeit sein Schaffen bestimmen.

Utopie blickt auf die Realität

Zum Grau der beginnenden 1970er Jahre tritt bald das Spiel mit einander begrenzenden Farbflächen. Der von Förg im Sucher der Fotokamera bestimmte Bildausschnitt verliert auf Papier und Leinwand den Bezug zur Wirklichkeit – gerade so, als hätte der Zoom-Effekt, das Heranholen des Motivs, die Dinge durch Klärung verwischt, durch Verwischung geklärt. Es gilt, was anlässlich der Ausstellung des fotografischen Werks Günther Förgs, 1994 in der Galerie der Stadt Stuttgart (heute Kunstmuseum Stuttgart), deutlich wurde: Die Utopie blickt auf die Realität und legt, nicht ohne Geste der Versöhnung, die Finger in die Wunde der Blauäugigkeit.

Die Reflexion des Blickes von Innen nach Außen, der sich als Blick von Außen nach Innen bestätigt, bleibt das entscheidende Moment für Förg und seine Rolle als Flaneur des Materials und der Moderne – als „Stratege des Schönen und des Zerbrechlichen“ (Eckhard Schneider).

Förg, auf Ruf von Heinrich Klotz von 1992 bis 1999 Professor an der Hochschule für Gestaltung in Kalrsruhe, agiert meist in zwei Welten. Hier der Dialog der Bronzen und Wandbilder, dort das Neben- und Miteinander von Gemälden, Gouachen und Fotografien. Der Fries erweist sich dabei als gültige Präsentationsform – und Förg, 1992 prominent auf der Weltkunstausstellung Documenta IX vertreten, spielt immer wieder virtuos die Rolle als ironischer Kommentator seines sich stetig erweiternden Panoramas. Dabei darf dann auch schemenhaft und einer Fingerübung gleich der menschliche Körper auftauchen, eine Figur unter vielen, eingebunden in die dominant gewordenen Liniengitter. Das Grau der frühen Jahre – es ist ja doch aufgeladen mit gebrochenem Gelb, Grün, Rot, Braun, Weiß und Blau.

Günther Förg, der am 5. Dezember nach langer, zehrender Krankheit an seinem 61. Geburtstag in Freiburg gestorben ist, mag sich Aussagen über die Gegenwart entzogen haben. Seine Werke aber sind ganz gegenwärtig. Förgs Bilder, Plastiken, Fotografien – darunter der Zyklus zur Weißenhof-Siedlung im Kunstmuseum Stuttgart – feiern, kommentieren, ironisieren diese Gegenwart.