Abschied von einer Blueslegende: B.B. ist tot. Foto: dpa

Der Gitarrist und Sänger B. B. King ist im Alter von 89 Jahren gestorben – Erinnerung an eine Blueslegende und an einen denkwürdigen Auftritt in Stuttgart

Las Vegas/Stuttgart - „Hetzt einen alten Mann doch nicht so“, raunzt der König grinsend, als sie ihn aus seinem Mantel und auf seinen Thron helfen. Der steht an einem lauen Sommerabend auf dem Stuttgarter Killesberg. Und fast hätte das Täuschungsmanöver funktioniert: Schwerfällig-würdevoll, wie es sich für einen alten Mann gehört, nimmt B. B. King Platz, lässt sich die Gitarre reichen. Man ist geneigt, diesem großen Bluesman, der mehr Rockmusiker beeinflusst hat als irgendwer sonst, das Rentnerdasein zu gönnen, in das er sich nach dieser Abschiedstour zurückziehen will.

Dann aber greift er in die Saiten von „Lucille“ – und auf einmal ist alles Gravitätische, alles Gemächliche, alles Altersschwere verschwunden. Nach wenigen Tönen steht fest: Solange B. B. King so vergnügt-virtuose Konzerte wie das auf dem Killesberg geben kann, ist der König des Blues noch lange nicht reif für den Ruhestand.

Das war im Juli 2004. Damals war B. B. King 78 Jahre alt. Und tatsächlich sollte sich das mit dem Abschied, mit dem Ruhestand als nicht ernst gemeint erweisen. B. B. King machte weiter, veröffentlichte Platten, gewann Preise, gab Konzerte und kehrte sieben Jahre später noch einmal zurück nach Stuttgart, beendete mit dem Gospel „When The Saints Go Marching In“ sein Konzert auf dem Schlossplatz, das nun wirklich sein letztes in Stuttgart werden sollte. Wie seine Tochter Patty King bestätigte, ist B. B. King am Donnerstag im Alter von 89 Jahren gestorben. Er erlag in einer Klinik in Las Vegas den Folgen einer langjährigen Diabetes-Erkrankung.

Das Gitarrenspiel des Mannes, der rund 70 Jahre auf Konzertbühnen zu Hause und ein Pionier des elektrifizierten Blues war, war bis zuletzt jugendlich-frisch und ungestüm. Während er alle Varianten des Blues ausprobierte, sich mal ganz im schleppenden Shuffle-Rhythmus verkroch, mal mit kraftvollen Bläsersätzen Soulelemente aufnahm, spielte B. B. King mit seinem stilbildenden, angezerrten, warmen Sound immer wieder raffiniert gegen den Rhythmus an, fand mit seinen Licks und Riffs verblüffende Lücken oder breitete schwärmerische Melodiebögen aus.

Diesem Mann, der daheim 15 Grammys und vier Ehrendoktorhüte im Schrank stehen hatte, gelang es, dem Blues das Schwermütige zu nehmen, ihm fiel es leicht, einen Zwölftakter, der mit der klassischen Textzeile „Early in the morning“ beginnt, in das glückselige „You Are My Sunshine“ zu überführen. Und der Mann, der seit den 1950er Jahren alle seine Gitarren liebevoll Lucille nannte, war bis zuletzt nicht nur ein grandioser Gitarrist, sondern auch ein herrlicher Entertainer, der bei Auftritten irrwitzig mit den Händen wedelte, Grimassen zog, mit den Augen rollte, Witze über sein Alter machte und sich auch mal für sein Englisch entschuldigte, das, wie er behauptete, schlecht sei, weil er vom Mississippi komme.

Tatsächlich entsprach seine Kindheit ganz dem Bluesklischee: B. B. King war am 16. September 1925 auf einer Baumwollplantage im US-Bundesstaat Mississippi als Riley B. King geboren worden. Er sang im Kirchenchor, lernte Gitarre spielen, war Farmarbeiter, schlug sich als Straßensänger durch, trampte 1947 schließlich in die Blues-Hochburg Memphis, Tennessee. Den Durchbruch schaffte King Ende der 1960er Jahre mit der Nummer „The Thrill Is Gone“. Und obwohl er den Blues in seiner Reinform liebte, ließ er sich später immer wieder auf spektakuläre Zusammenarbeiten ein, etwa mit U2 („When Love Comes To Town“) oder mit Eric Clapton („Riding With The King“).

Und auch nach seinem Tod gilt, was einst das US-Magazin „Rolling Stone“ über B. B. King schrieb: „Jeder Blues- und Rockgitarrist, der ihn nicht als einen wichtigen Einfluss nennt, ist entweder ein Ignorant oder ein Lügner.“ Der alte Mann war – ohne sich hetzen zu lassen – allen weit voraus.