Nokie Edwards (1935-2018) hat mit der Band The Ventures und mit Soloprojekten viele Laien fürs Gitarrespielen begeistert – und Profis neidisch gemacht. Foto: Youtube

Nokie Edwards ließ alles ganz einfach klingen, er stand auf der Bühne, als müsse er sich kein bisschen anstrengen. Aber was er Jahrzehnte lang auf Instrumentalhits wie „Walk, Don’t Run“ bot, war E-Gitarrenkunst vom Feinsten.

Stuttgart - Auch bei Menschen, die viel Oldies hören, wird der Name Nokie Edwards nicht gleich ein Glöcklein läuten lassen. Aber ohne diesen Mann wären im Lauf der Jahrzehnte wohl einige zigtausend E-Gitarren weniger verkauft worden. Edwards war der entspannteste und virtuoseste Surfgitarrist aller Zeiten, der genialste der trickreichen Supergruppe The Ventures.

Alles, was die an Instrumentals lieferte, klang so eingängig, spaßig, locker, als könne man das zwei Wochen nach Kauf der ersten eigenen Gitarre und nach ein bisschen Herumnudeln auf den Saiten gleich mal nachspielen. Ihrem ersten Hit „Walk, Don’t Run“ von 1960 folgten unter anderem die Ohrwürmer „Bulldog“, „Yellow Jacket“, „Apache“, „Tequila“, „Hawaii Five-0“ und natürlich das von allen Surfbandsgespielte, ursprünglich von den Surfaris stammende „Wipe Out“.

Vor allem Nokie Edwards hat das Beiläufige des Halsbrecherischen, das Lässige des Knöchelausrenkenden, die Untertreibung der Bravourstücke mit einer Grandezza perfektioniert, die jede Menge erstklassiger Gitarristen Bescheidenheit gelehrt hat. Am 12. März ist Nokie Edwards, der mit den „Ventures“ immer wieder Welttourneen absolvierte, aber auch Soloprojekte verwirklichte, im Alter von 82 Jahren gestorben.

Seine Musik entzückt noch Jahrzehnte nach den ersten Aufnahmen so, dass selbst Menschen, die beim langsamen Foxtrot Gleichgewichtsstörungen bekommen, glauben, sie könnten ein Surfbrett aufs Autodach schnallen, ans nächste Meer fahren und über die Wellen reiten. Auch Surfen klang in der Soundtrackvariante von Edwards wie etwas, das man souverän und sofort beherrschen würde, so wie der Löwenzahnsamen ohne Üben das Fliegen.

Ein paar Kostproben von Edwards entspannter Haltung und großer Musikalität haben wir bei Youtube anlässlich seines Todes herausgesucht.

„Wipe Out“

1. „Wipe Out“: Jede Band, die je den Klang von Sonnentagen, Wellenschlag, Surfbrett-Kentern und Liebesschmachten einfangen wollte, hat ihre Variante von „Wipe Out“ drauf. Die Ventures zeigen 1966 in Japan, wo die Messlatte liegt. Nokie Edwards (der mittlere der Gitarristen) ist souverän wie immer. Aber auch Drummer Mel Taylor kann zeigen, dass er nicht fürs gemütliche Vier-Viertel-Zählen bezahlt wird.

„Bulldog“

2. „Bulldog“: Noch mal die Ventures live in Japan, wo sie über die Jahrzehnte hinweg der „Godzilla des Rock“ blieben, wie ein User auf Youtube mal staunend kommentierte. Nokie Edwards wirkt wie immer, als würde er gar nicht spielen, sondern ein bisschen entspannt zu dem tänzeln, was die anderen da liefern.

„Diamond Head“

3. „Diamond Head“: Aus gesundheitlichen Gründen – das lange Stehen bereitete ihm Beschwerden – saß Nokie Edwards in späteren Jahren gerne auf der Bühne. Das ließ sein fabelhaftes Spiel noch einmal beiläufiger erscheinen, wie hier bei der Tour zum fünfundvierzigsten Bandjubiläum im ewigen Kernland des Venture-Kults, in Japan.

„House of the Rising Sun“

4. „House of the Rising Sun“: Dies ist gewiss einer der meistgezausten Songs der Gitarrenanfängerhölle. Mit „House of the Rising Sun“ lassen sich erste schlichte Griffwechsel, gekoppelt mit ein wenig Einzelsaitenspiel, gut üben. Nokie Edwards zeigt, dass man auch ein zu Schanden geklampftes Stück wieder flott klingen lassen kann.

„Steel Guitar Rag“

5. „Steel Guitar Rag“: Nokie Edwards war nicht nur ein exzellenter Surfgitarrist, er mochte und spielte auch Country-Musik – die swingende Art Country, die seit Jahrzehnten virtuose Instrumentalisten hervorbringt und anzieht. Sein „Steel Guitar Rag" zeigt, warum er in Nashville Respekt genoss. Zwei seiner späteren Alben waren sogar für Grammys im Fach „Best Country, Southern or Bluegrass Gospel Album“ nominiert. Nokie Edwards hatte Spaß an vielen Spielarten Musik. Nur entspannt musste alles klingen.