Der Jazz- und Barsänger Freddy Cole – hier auf dem Cover seines Albums„Talk to me“ aus dem Jahr 2011 Foto: High Note

Aufgeregtheit war seine Sache nicht: Der Sänger und Pianist Freddy Cole unterschied sich von hektischeren Kollegen wie ein guter Whiskey von Flugbenzin. Im Alter von 88 Jahren ist er nun gestorben. Wir laden noch mal ein, seine Musik kennenzulernen.

Stuttgart - Die unbeugsamen Gallier aus dem kleinen Dorf von Asterix und Obelix haben bekanntlich vor gar nichts Angst. Nur ihren weitblickenden Häuptling Majestix plagt eine Restsorge: dass ihnen eines Tages der Himmel auf den Kopf fallen könnte. In diesem Fall könnten wohl auch die Zaubertränke von Miraculix nicht zur Erstarkung der Gemüter beitragen, geschweige denn die Gesänge des mit einer Kreissägenstimme gesegneten Dorfbarden Troubadix. Allerdings gab es in der Musikwelt einen Mann, dem man zugetraut hätte, seine Zuhörer auch noch beim Zusammenbruch des Firmaments gelassen zu stimmen: den Barsänger Freddy Cole, den gechilltesten Mann im US-Showbusiness.

Lionel Frederick Cole, der nun am 27. Juni 2020 im Alter von 88 Jahren gestorben ist, nutzte das übliche Repertoire seiner Zunft:Lider über lachendes Glück und chronischen Herzschmerz, nagende Reue und selige Erinnerungen, greifbare Hoffnungen und luftige Tagträume, gedeckte Gefühlserkundungen für ein erwachsenes Publikum, teils Klassiker der Broadwaygeschichte, teils selbst geschrieben. Aber neben Cole klangen auch ruhigere Kollegen wie Hysteriker, sentimentale Kerle wie Eiswürfelmaschinen und auch verschmitzte Sänger wie in Humorlosigkeit erstarrte Salzheringe.

Cole war der Meister des warmherzigen, humordurchtränkten, nie übereifrigen und doch keine Sekunde bloß geschäftsmäßigen Liebeslieds. Sein täuschend entspanntes Klavierspiel war die ideale Begleitung für seine Gesangstechnik: Jede Note, die nicht unbedingt gebraucht wurde, flog hier raus, aber keine Phrase klang nach Abkürzung zum Feierabend. Ein steter Swing brachte noch die melancholischsten Lieder voran: „Das Leben geht weiter“ kommentierte das Instrument jede Wendung des Textes.

Aus einer musikalischen Familie zu kommen, kann manchmal ein Fluch sein. Freddy Cole war der Bruder von Nat King Cole, Klaviergang, Jazzlegende, Starsänger, einer der wichtigsten Pioniere des Durchmarschs afroamerikanischer Künstler aus den Kneipen der Gettos ins Zentrum der Unterhaltungsindustrie. In Nat King Coles Schatten wurde Freddy zunächst kaum wahrgenommen. Aber auch nach Nats Tod 1965 waren die Ohren von Kritikern und Plattenbossen eher taub für die Qualitäten des 12 Jahre jüngeren Bruders. Alle hörten nur, dass dieser Cole ziemlich so klang wie sein Bruder – nur stimmlich vermeintlich schwerfälliger als das Genie, mit einem Klavierspiel, das nicht so anspringend virtuos war.

Man kann sich einen Mann in den Schuhen von Freddy Cole leicht als verbitterten Typen vorstellen. Aber Cole war wohl so heiter lebensklug wie er klang, begleitete Kollegen, zog sein Ding durch. Und dann kam, nach 12-jähriger Pause und schon ziemlich spät in einer Karriere, 1990 seine dritte Platte, die dann doch noch die Wende bringen sollte, vielleicht wegen ihres originelle, Gerade-heraus-Titels, der alle Vorurteile ansprach: „I’m not my Brother, I’m me“.

Von nun an wurde Freddy Cole viel breiter wahrgenommen, auch als lebende Brücke zu einer anderen Epoche der Musik. Sein Sound war kein cleverer Retro-Mix, sondern authentisch gewachsener Stil, kein Zitat, sondern der wahre Jakob. Ab und an gab es nun eine Grammy-Nominierung, sogar ein Dokumentarfilm wurde über ihn gedreht, aber zum Glück gab es keinen Freddy-Cole-Hype. Ja, man kann das nicht immer hören und wohl auch keine 5 CDs hintereinander. Cole strebte nicht nach Variantenreichtum, Themenbreite, Überraschungsattacken, sondern nach dem idealen Ausdruck einer mittleren Tonlage. Aber wenn einem mal wieder der Himmel auf den Kopf fällt, dann kann eine halbe Stunde Freddy Cole einen prächtigen Schirm bilden.