Verkaufen ihre Kneipe, die sie über 15 Jahre betrieben haben: Anja und Manfred Schuster. (Archivfoto) Foto: Björn Springorum

Seit Corona wurde es in der Fußball-Kneipe im Stuttgarter Westen immer leerer. Doch ausschlaggebend für die Schließung nach fast 70 Jahren ist ein anderer Grund. Die Besitzer erklären die Hintergründe.

Stuttgarts Westen verliert eine Institution: Die Fußball-Kneipe Zum Dortmunder hat geschlossen – für immer. Nach fast 70 Jahren. Ein für alle Mal. „Es war eine sehr schwierige Entscheidung und sehr emotional für uns, aber am Samstag war unser letzter Tag“, sagt Anja Schuster, die die Kneipe zuletzt mit ihrem Ehemann Manfred betrieben hat.

 

Gesundheitliche Probleme sind ausschlaggebend für das Ende

„Doch jetzt geht es aus gesundheitlichen Gründen einfach nicht mehr.“ Manfred erlitt vor zwei Jahren einen Herzinfarkt, ist inzwischen fast 70 Jahre alt, erzählt sie. „Da sind die meisten Leute längst in Rente, und wir haben bis tief in die Nacht gearbeitet, teilweise an sieben Tagen in der Woche.“

Nach dem Herzinfarkt reduzierte das Ehepaar die Öffnungszeiten in der Fußball-Kneipe in der Silberburgstraße. Kein Open End mehr wie früher, um 1 Uhr sollte Schluss sein. „Doch selbst das war, muss man ehrlich sagen, dann irgendwann zu viel“, sagt Anja.

Sie wirkt emotional angefasst, wenn sie über die Zeit im Dortmunder spricht, über „die vielen schönen Geschichten“, über „unser zweites Wohnzimmer“, das sich nur ein paar Meter unterhalb ihres eigentlichen Wohnzimmers befindet.

Noch mehr getroffen habe es aber ihren Mann. „Eigentlich hätte er schon früher aufhören müssen, aber er wollte nicht los lassen.“ Er leide unter dem Verkauf. Schließlich war er schon weit, bevor er mit seiner Anja die Kneipe übernahm, Teil des Dortmunders.

Leitspruch im Dortmunder: „Sie serviert, er frittiert“

Als der vorherige Besitzer Ende der 2000er verkaufen musste, wollte Manfred Schuster seine Stammkneipe, die er regelmäßig nach seinem Feierabend im Modellautoladen gegenüber aufsuchte, nicht aufgeben.

Gemeinsam mit Anja, die damals noch Zöller hieß, war er wie gemacht für die bei VfB- und BVB-Fans beliebte Fußball-Kneipe: Sie, gebürtig aus Nordrhein-Westfalen, hielt die BVB-Fahne hoch; er vertrat als gebürtiger Stuttgarter den VfB.

„Das hat die Kneipe ausgemacht. Bei uns lief auf der einen Seite Dortmund, auf der anderen der VfB – und trotzdem gab es nie Probleme zwischen den Fans“, sagt Anja.

Über die Jahre etablierte sich im Dortmunder der Leitspruch „Sie serviert, er frittiert“, klare Rollenverteilung im Hause Schuster. „Ein Gast hat uns den Spruch reingedrückt, wir mögen ihn aber“, sagt Anja. Denn schließlich sei er passend. Während sie Essen und Getränke servierte, stand Manfred in der Küche und bereitete die „Original Dortmunder Currywurst“ zu. Die Soße: ein Geheimrezept.

Schließung hat auch finanzielle Gründe

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass auch finanzielle Gründe mitentscheidend dafür waren, dass diese Geschichte im Dortmunder nun endet. „Seit Corona hat sich vieles verändert“, sagt Anja. Schon 2021 meldete sich das Besitzer-Paar über Facebook zu Wort. In einem Post zeigten sie Bilder vom leer gefegten Dortmunder. Und das an einem Bundesliganachmittag, während eines Dortmund-Spiels, der eigentlichen Primetime im Dortmunder. „Da bist du vor Corona nach Spielbeginn gar nicht mehr reingekommen, so voll war das“, sagt Anja.

Zwar hielten einige Stammgäste der Kneipe bis zuletzt die Treue, doch „so wie vorher wurde es nie mehr“, sagt sie. Das Ehepaar schrieb rote Zahlen, musste an sein Erspartes ran, um die Kneipe noch irgendwie weiter betreiben zu können. „Wir haben es aus Leidenschaft getan, gerechnet hat es sich schon eine Weile nicht mehr“, sagt Anja.

Auch das Ersparte war irgendwann aufgebraucht. Nach dem Herzinfarkt fiel dann der Entschluss, die Kneipe zu verkaufen, „damit auch noch was für die Rente bleibt“, so Anja. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger begann.

Was wird aus dem Dortmunder?

„Unser Wunsch wäre es gewesen, jemanden zu finden, der die Kneipe weiterführt“, sagt Anja. Der Wunsch blieb unerfüllt. Sie fanden niemanden, der den Dortmunder erhalten wollte. Nun übernimmt ein Investor die Gaststätte. „Was aus unserer Kneipe wird, wissen wir nicht“, sagt Anja.

Bis zum Jahreswechsel muss das Ehepaar die Kneipe leer räumen. „Das wird für uns noch mal eine emotionale Herausforderung. Ich hoffe, Manfred übersteht das“, sagt sie.

Er wolle sich von nichts trennen. Nicht von den vielen Fanschals, die die Gäste über Jahre mitgebracht und aufgehängt haben. Nicht von den Bildern an der Wand, die die „vielen verrückten Geschichten“ zeigen, über die das Ehepaar „ein Buch schreiben“ könnte. Nicht einmal von den Biergläsern im Regal hinter dem alten Holztresen.

Von den Stammgästen hat Manfred Schuster bei der Abschiedsfeier am Samstag ein weiteres Andenken bekommen, das ihn an die schöne Zeit erinnern soll, und das passender wohl kaum sein könnte: ein individuelles Fußballtrikot, das Elemente des BVB- und des VfB-Trikots vereint.