Hans Gugelot war ein Pragmatiker, der kein Künstlerdesignern sein wollte. Er sei „auf dem Teppich“ geblieben, erzählte später einer seiner Studenten. Foto: HfG-Archiv/Museum Ulm

Seine Produkte waren schlicht, aber praktisch: Hans Gugelot war der pragmatischste Designer der legendären Ulmer Hochschule für Gestaltung. Bis heute steht in manchem Keller noch sein Dia-Karussell.

Ulm - Bei Ikea hätte der Mann sicher Karriere gemacht. Denn Hans Gugelot dachte praktisch. Warum Schränke kaufen, die schon bald zu groß, zu klein oder nach dem Umzug unpassend sind? Während noch massive Schränke üblich waren, entwickelte Hans Gugelot „M 125“, ein Schranksystem, das man nach Lust und Laune kombinieren konnte. Ob Wäsche-, Geschirr- oder Bücherschrank, im „M 125“ konnte man nicht nur alles unterbringen, man konnte die Module auch immer neu arrangieren.

 

Hans Gugelot? Hätte man vor ein paar Jahren in die Badezimmer der Deutschen geschaut, hätte man dort selbstverständlich den Braun-Rasierer gefunden, den Hans Gugelot entworfen hatte. In den Wohnzimmern standen Plattenspieler aus seiner Werkstatt, und die Hamburger fuhren jahrzehntelang in U-Bahn-Wagen, die er mit entwickelt hatte. Den Namen Hans Gugelot kennt dagegen kaum jemand – und könnte man den Designer noch fragen, hätte er vermutlich gesagt: Das ist auch gut so.

Hans Gugelot hat den Ulmer Hocker mitentwickelt

Denn Hans Gugelot (1920–1965) war ein pragmatischer Mann. Er war eine der wichtigen Figuren der Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) – und dort auch beteiligt an der Entwicklung des berühmten „Ulmer Hockers“ aus drei Brettern und Querstab, auch wenn meist nur Max Bill als Schöpfer genannt wird. Gugelot hielt wenig von Künstlerdesignern. Er war einer, der „auf dem Teppich blieb“, wie ein Student später sagte.

Hans Gugelot hat den Ulmer Stil entscheidend mitgeprägt. Die 1953 gegründete HfG gilt heute als die international bedeutendste Design-Hochschule nach dem Bauhaus – auch wenn sie 1968 wieder geschlossen wurde. Gugelot erinnerte seine Schüler stets daran, dass sich ihre Entwürfe verkaufen müssen. Deshalb ließ er sie Walkie-Talkies, Benzinbehälter und Kreissägen entwerfen. Er war Praktiker durch und durch.

Wollten sich die Menschen in den 50er Jahren modern einrichten, griffen sie zu asymmetrischen Möbeln – Stichwort Nierentisch. Freie Formen waren en vogue, die Möbel sollten leicht wirken. Die Ulmer Designer knüpften dagegen an die Bauhaus-Tradition an. Ihre Produkte sind praktisch, eckig und oft stapelbar. Anstelle von massivem Holz verarbeiteten sie Spanplatten und Kunststoffe und dachten in Serien, die sich industriell fertigen ließen.

Seine Ideen für ein Haus aus vorgefertigten Teilen kommen nicht gut an

Hans Gugelot ist schon früh fasziniert von Baukastensystemen. Geboren wird er 1920 in Indonesien, wo sein Vater, ein Holländer, als Arzt tätig ist. Als er 14 ist, zieht die Familie nach Davos. Er studiert in Zürich Architektur – notgedrungen, weil es keine spezifische Design-Ausbildung gibt. Nach dem Krieg ist er in mehreren Architekturbüros tätig, aber seine Überlegungen zu Gebäuden aus Fertigteilen stoßen auf wenig Begeisterung.

Wenn schon nicht Außenelemente, denkt er sich, sollen es wenigstens Schrankwände sein, um Räume zu unterteilen. So eröffnet Hans Gugelot 1950 ein eigenes Büro und bringt sein Möbelprogramm „M 125“ heraus, für das er Gegenstände abgemessen hat, Flaschen und Ordner, Schuhe, Bücher und Schallplatten. Sogar die Höhe, in welcher Menschen schauen und greifen, berücksichtigt er. Seine Idee: vom allerkleinsten Element ausgehen, um möglichst viele Kombinationen und Gestaltungsmöglichkeiten zu bieten.

Das mit den Aufträgen verdiente Geld fließt in den Unterhalt der Hochschule

Als Max Braun 1951 stirbt, übernehmen dessen Söhne das Elektronikunternehmen und wollen frischen Wind in die Produktpalette bringen. Sie holen sich Rat bei der HfG, an die Gugelot 1954 berufen wird – und es ist der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit. Gugelots „SK 4“ von 1956, wegen des Plexiglas-Deckels auch gern Schneewittchensarg genannt, ist ein Kompaktgerät mit Radio, Plattenspieler und Lautsprecher in einem. Aber er denkt auch im Phono-Bereich modular und entwickelt mit Herbert Lindinger ein System mit den Bausteinen Radio, Plattenspieler, Fernseher, Lautsprecher und Tonbandgerät.

1958 wird an der HfG eine eigenständige Entwicklungsgruppe eröffnet. Das Geld, das man mit Aufträgen verdient, fließt in den Unterhalt der Hochschule. Gugelots Entwicklungsgruppe arbeitet an einer Küchenmaschine, mit der man nicht nur rühren, sondern auch Kartoffeln schälen, bohren und schleifen konnte – und sogar Schuhe putzen. Leider kommt das Wundergerät nicht auf den Markt, weil aus Fernost bereits deutlich günstigere Geräte zu haben sind.

Ein mutiger Schritt für die Firma Braun: ein schwarzer Rasierapparat

Hans Gugelot hat wie beiläufig zahlreiche praktische Dinge auf den Weg gebracht – Getränkekisten, ein rollbares Fernsehgerät oder eine Liege, die zum Doppelbett aufgeklappt werden konnte. Gemeinsam mit Herbert Lindinger konstruierte er auch eine standardisierte Brillenfassung, die durchaus elegant daherkommt. Mit Hans Gugelot werden die einst grauen Nähmaschinen von Pfaff weiß – und mit dem Rasierer „SM 3“, der 1962 auf den Markt kommt, wagt die Firma Braun sogar eine kleine Sensation: Ganz „gegen unsere Farbprinzipien für Gegenstände zur Körperpflege“, so Erwin Braun, kommen nun Schwarz und Silber zum Einsatz. Der „SM 3“ sollte für die Firma Braun das wichtigste Produkt werden, um den Markt in Europa und Japan zu erobern.

Hans Gugelot hatte immer Papier dabei, um schnell etwas darauf kritzeln zu können. Was hätte Gugelot, der am 1. April 100 Jahre alt geworden wäre, wohl noch alles erfunden, wäre er nicht schon 1965 mit nur 45 Jahren nach einem Herzinfarkt gestorben. Sein Möbelsystem „M 125“ wurde noch bis 1988 produziert. Liebhaber nutzen sogar bis heute noch Gugelots „Carousel S“, eine Ikone des Industriedesigns – ein Diaprojektor mit drehbarem Karussell.

Ausstellung und Buch

Die Gugelot-Ausstellung im Museum Ulm ist geschlossen, das begleitende Buch (28 Euro) kann bestellt werden per E-Mail: hfg-archiv@ulm.de.