Auch bei BMW in Leipzig stockt die Produktion. Foto: www.christophbusse.de/ BMW AG

Weil Gussteile aus Italien fehlen, kann Bosch keine Lenkungen aus Schwäbisch Gmünd an BMW liefern. Deshalb stockt die Produktion bei BMW auf drei Kontinenten.

Stuttgart - Die Just-in-Time-Belieferung von Autobauern verschiebt die Lagerhaltung weitgehend auf Autobahnen und spart so Kosten. Logistisch ist das aber anspruchsvoll. Wenn dabei etwas schief geht, sind die Probleme gewaltig. Diese Erfahrung machen gerade der Münchner Premiumhersteller BMW und dessen Stuttgarter Zulieferer Bosch. „Unser Lieferant Bosch ist derzeit nicht in der Lage, uns mit einer ausreichenden Zahl von Lenkgetrieben für die BMW 1er-, 2er-, 3er- und 4er-Reihe zu beliefern“, klagt BMW Einkaufsvorstand Markus Duesmann. Bislang konnten deshalb Tausende Fahrzeuge nicht wie geplant hergestellt und ausgeliefert werden.

Betroffen sind die deutschen Werke München und Leipzig aber auch das chinesische Tiexi und Rosslyn in Südafrika. Für Bosch könnte das teuer werden. „Wir gehen davon aus, dass Bosch als der verantwortliche Lieferant für den uns entstandenen Schaden einstehen wird“, stellt Duesmann klar.

Wie hoch der Schaden ist kann BMW derzeit nicht beziffern

Wie hoch der Schaden ist, kann BMW derzeit nicht beziffern. Das hänge vor allem davon ab, wie lange der Lieferengpass noch andauere und wie viel der aufgestauten Produktion man noch nachholen könne, ergänzt ein BMW-Sprecher. Bis Montag früher Nachmittag habe Bosch noch keine Zusagen machen können, wann wieder Lenkgetriebe eintreffen. Einige Tage Produktionsausfall können in der Autobranche weitgehend kostenneutral aufgefangen werden, sagen Experten. Das aktuelle Problem bei BMW ist entlang der oft vielgliedrigen Lieferkette entstanden. Die elektrischen Lenkgetriebe für BMW werden von Bosch in Schwäbisch Gmünd gefertigt. Man beziehe ein wesentliches Bauteil für die Lenkung von einem Zulieferer aus Italien, erklärten die Stuttgarter. „Bei diesem Zulieferer kommt es derzeit zu Lieferproblemen“, teilte Bosch mit. Was fehlt, ist dem Vernehmen nach ein Gussgehäuse für die Lenkgetriebe. Beim italienischen Sublieferanten könnten die Stuttgarter theoretisch auch Regress nehmen, wenn BMW am Ende des Tages eines Rechnung präsentiert.

Die Produktionsausfälle sind größer als zunächst erwartet

Begonnen hatte die Misere am Dienstag voriger Woche im Münchner Stammwerk, wo die 3er- und 4er-Reihe gebaut wird. Ende voriger Woche hatte sie sich dann über Leipzig und die dortigen 1er- und 2er-Reihen sowie diesen Montag auch nach Tiexi und Rosslyn in größere Teile des BMW- Fertigungsnetzwerks hineingefressen. In beiden Auslandsstandorten ist die 3er-Reihe betroffen.

Die Produktionsausfälle seien umfangreicher und würden länger dauern, als ursprünglich erwartet, heißt es bei den Münchnern. Man versuche, in betroffenen Werken Wartungsarbeiten vorzuziehen, Urlaubstage einzustreuen oder über Gleitzeit und Arbeitszeitkonten auszugleichen, was geht. „Wir nutzen die Flexibilität, die wir in unseren Prozessen haben, um den wirtschaftlichen Schaden zu minimieren“, sagte Duesmann. Zusammen mit den Verantwortlichen bei Bosch arbeite man mit Hochdruck daran, die Lieferfähigkeit wieder herzustellen. Es sei jedoch absehbar, dass sich an der beklagenswerten Situation in dieser Woche nichts mehr ändert. Bosch sei einer der ältesten sowie größten Lieferanten von BMW und zeichne sich normalerweise auch durch große Liefertreue aus. BMW habe Vertrauen, dass Bosch auch diese schwierige Situation bewältigen werde.

Schon vorigen Sommer hatte sich bei VW gezeigt, wie abhängig die Autobauer sind

Was den Schaden bei BMW und damit für Bosch nicht vollends ausufern lässt, ist der Umstand, dass große Baureihen vom 5er bis zum 7er, die Geländewagen der X-Reihe sowie die Kleinwagenmarke Mini von den Problemen nicht betroffen sind. Zudem hat die Regensburger Fabrik derzeit Werksferien, weil dort bis zum 18. Juni modernisiert wird. Auch dort laufen sonst die jetzt vom Lieferengpass betroffenen Modelle vom Band. Weil die Wertschöpfungsketten der Autoindustrie international sind wie sonst in kaum einer Branche erstrecken sie sich im speziellen Fall bei BMW über Werke in drei Kontinenten bis nach China und Afrika.

Schon vorigen Sommer hatte sich damals bei VW gezeigt, wie sehr Autokonzerne von teils kleinen Zulieferern abhängen. Damals hatte die Prevent-Gruppe der bosnischen Industriellenfamilie Hastor bei den Wolfsburgern per Lieferstopp massive Produktionsausfälle verursacht. Rund 18 000 VW-Beschäftigte waren von Kurzarbeit bedroht. Das grundsätzliche Problem dahinter ist in der Branche erkannt, zumal es für manche Bauteile heute exklusive Lieferanten gibt. Solche Teile würden dann teils bis zu 30mal täglich an einem Autowerk angeliefert, um unmittelbar in die Produktion eingespeist zu werden, erklärt Christian Vietmeyer vom Verband der Zulieferindustrie. Mehr Geld könnten Zulieferer für diesen Aufwand oft nicht verlangen. Vielmehr steige für sie das Risiko von Vertragsstrafen.