Fertigung bei Marquardt in Rietheim-Weilheim. Foto: Marquardt

Der Zulieferer Marquardt nutzt Zeitarbeit seit Jahren. Doch 2014 endet der Einsatz für viele Beschäftigte – ihre Arbeit wird künftig im Ausland erledigt.

Der Zulieferer Marquardt nutzt Zeitarbeit seit Jahren. Doch 2014 endet der Einsatz für viele Beschäftigte – ihre Arbeit wird künftig im Ausland erledigt.

Rietheim-Weilheim - Seine Vorliebe für Zeitarbeit hat dem schwäbischen Unternehmer Harald Marquardt oft Ärger eingebracht – zwischen 10 und 15 Prozent seiner Belegschaft in Deutschland sind Leiharbeiter. Dabei gibt Marquardt offen zu, dass er mit Leiharbeit Kosten senkt. Allerdings nur noch bis Ende 2014 – dann sieht eine aktuelle Betriebsvereinbarung vor, „alle Zeitarbeitnehmer im direkten Bereich abzubauen“. Von derzeit laut Betriebsrat 240 Zeitarbeitern werden 15 befristet übernommen. Die Jobs der Übrigen machen künftig Arbeiter in Mexiko, Rumänien und Tunesien.

Die Marquardt-Gruppe mit Sitz in Rietheim-Weilheim im Kreis Tuttlingen ist Spezialist für elektromechanische und elektronische Schaltsysteme. 75 Prozent des Umsatzes macht das Familienunternehmen mit Produkten wie Zündschlüsseln und Start-Stopp-Schaltern für namhafte Autohersteller. Zudem stecken Marquardt-Schalter in Elektrowerkzeugen und Haushaltsgeräten. Die Montagetätigkeiten sind häufig in der niedrigsten Lohngruppe angesiedelt, erledigt werden sie bei Marquardt zum großen Teil von Frauen mit ausländischen Wurzeln.

Allerdings sind auch einfache Tätigkeiten zuletzt teurer geworden: Zeitarbeiter in der Metallindustrie bekommen seit 2012 Branchenzuschläge, die ihren Verdienst sukzessive aufbessern. Nach 24 Monaten im gleichen Betrieb muss der Arbeitgeber Zeitarbeiter unbefristet übernehmen. Dies hat Firmenchef Marquardt im Interview mit unserer Zeitung bereits im Mai dieses Jahres ausgeschlossen, „wir können uns definitiv nicht leisten, Dutzenden oder sogar einer dreistelligen Zahl an Mitarbeitern auf einen Schlag einen festen Arbeitsplatz anzubieten“, erklärte er. Und zwar ungeachtet dessen, dass Marquardt als Vizechef des Arbeitgeberverbands Südwestmetall den Tarifvertrag zur Zeitarbeit mitgetragen hat.

Wachstum geplant

Die jüngste Betriebsvereinbarung bei Marquardt erlaubt dem Unternehmer nun, die Übernahmeverpflichtung zu umgehen. Überschrieben ist das Papier mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland aufrechtzuerhalten, dafür werden laut Firmensprecher Michael Barthel Tätigkeiten in der Montage, der Lackiererei sowie der Kunststoff-Fertigung bis Ende 2014 an die Standorte in Mexiko, Rumänien und Tunesien verlagert. Betroffen sind von 2500 Stellen in Deutschland knapp 200. Letztere seien „zu 99 Prozent mit Leiharbeitern besetzt“, sagt Betriebsratschef Antonio Piovano.

2013 wird die Gruppe Barthel zufolge einstellig beim Umsatz zulegen, 650 Millionen Euro erwirtschaftete sie 2012. Für 2014 ist weiteres Wachstum geplant. Trotzdem schließt der Sprecher weder Kündigungen noch den Wegfall von Jobs außerhalb der Produktion aus: „Wir prüfen aktuell, welche Qualifikationen wir in Deutschland langfristig noch beschäftigen wollen. Dabei steht die Wettbewerbsfähigkeit im Fokus.“ Verlagerungen in der Produktion hätten später oft Folgen für Verwaltung und Entwicklung.

Marquardt mit über 6000 Beschäftigten weltweit wächst seit Jahren vor allem im Ausland, vier Werke stehen in Niedriglohnländern. Rumänien wird in einem Jahr mit dann 1500 Mitarbeitern größter Auslandsstandort. Dortige Beschäftigte arbeiten für einen Bruchteil des deutschen Tariflohns und auch deutlich günstiger als hiesige Zeitarbeiter. Erst im November hat Marquardt mitgeteilt, mit einer neuen Fabrik in Mazedonien 2015 in das neunte Land zu expandieren.

"Die Übernahmeverpflichtung war uns wichtig“

Für Walter Wadehn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Albstadt, war die Ankündigung zu Mazedonien „ein fehlendes Puzzleteil“. Seit Frühjahr standen Marquardt-Betriebsrat und IG Metall mit der Geschäftsleitung in Verhandlungen über einen neuen Haustarifvertrag – darin wollte sich das Unternehmen von jedem Beschäftigten Hunderte Stunden unbezahlte Mehrarbeit zusichern lassen. Im Gegenzug konnte sich die Gewerkschaft neben einer Jobgarantie Investitionen vor Ort vorstellen, etwa in ein Forschungszentrum. Den Haustarif hat schließlich die Belegschaft abgelehnt, anstelle eines Forschungszentrums in Rietheim „kommt Mazedonien“, sagt Wadehn.

Und das Ende der Zeitarbeit: „Circa 80 Leute hätten im Mai 2014 Anspruch auf Übernahme gehabt“, bedauert der Gewerkschafter. Dieser lässt sich nach Abschluss der Betriebsvereinbarung nur einzeln vor Gericht erstreiten – und ist damit ungleich schwerer erreichbar. Wadehn: „Das entspricht nicht dem Geist, mit dem die Tarifvertragsparteien den Vertrag zur Zeitarbeit abgeschlossen haben. Die Übernahmeverpflichtung war uns wichtig.“

Für Betriebsratschef Piovano ist die Betriebsvereinbarung zwar nicht die Wunschlösung – diese sichere den Leiharbeitern aber wenigstens auch noch 2014 Arbeit zu. „Marquardt hätte sie im Mai auf keinen Fall übernommen, ich wollte ihnen mehr Zeit verschaffen.“ Die meisten seien dankbar für den Aufschub, sagt er.

Und wie geht es 2015 bei dem Zulieferer weiter? „Ich habe die Hoffnung, die Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Dafür müssen Betriebsrat, IG Metall und Geschäftsleitung gemeinsam etwas tun“, sagt Piovano. Laut Firmensprecher Barthel wird der Standort Deutschland „weiterhin einen wichtigen Part in der Gruppe einnehmen – aber nicht mehr der Mittelpunkt sein“.