ZF Friedrichshafen steigt an die Spitze der Zulieferer auf Foto: dpa

ZF Friedrichshafen übernimmt US-Konkurrent TRW und überlässt ZF Lenksysteme dafür komplett Bosch. Die zwei größten Zulieferer weltweit kommen damit aus Baden-Württemberg.

Stuttgart - Es wirkte nicht gerade wie von langer Hand geplant. Am Morgen trommelte Bosch die Journalisten zu einer eilends anberaumten Telefonkonferenz zusammen, am Nachmittag tat es ZF Friedrichshafen den Stuttgartern gleich. Die beiden Nachrichten, die da verkündet wurden, hatten es in sich. Bosch übernimmt die ZF Lenksysteme, bisher ein Gemeinschaftsunternehmen mit der ZF Friedrichshafen. Und was ohnehin seit Monaten spekuliert wird, bestätigte ZF-Chef Stefan Sommer dann ein paar Stunden später. ZF krallt sich den amerikanischen Zulieferer TRW Automotive. „Wir verbessern unsere Zukunftsaussichten weiter, indem wir unser Produktportfolio in einem äußerst attraktiven Segment erweitern“, sagte Sommer. TRW ist auf Sicherheitssysteme spezialisiert und zählt hier zu den führenden Anbietern weltweit.

Wieder einmal wird die Zulieferbranche damit komplett umgekrempelt. ZF, bisher eher im Mittelfeld der globalen Rangliste, steigt durch die Übernahme an die Spitze auf. Gemeinsam mit Bosch kommen damit die beiden größten Zulieferer weltweit aus Baden-Württemberg. TRW und ZF erwirtschaften zusammen einen Umsatz von rund 30 Milliarden Euro. Die Anteile der beiden sind fast gleich groß. Zum Vergleich: Die Kfz-Sparte von Bosch erzielte 2013 einen Umsatz von 30,6 Milliarden Euro. In Zukunft beschäftigt die ZF auf der ganzen Welt 138 000 Mitarbeiter, zuvor waren es 72 600. Für den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen ist der Zukauf strategisch der richtige Schritt. „Damit kann ZF zum Marktführer aufsteigen.“ Außerdem verfüge ZF über eine größere Durchschlagskraft bei den großen Herstellern, um seine Preise durchsetzen zu können.

ZF will die Technologie von TRW

Der Kaufpreis für TRW liegt bei umgerechnet rund 9,6 Milliarden Euro. Dieser soll durch Kredite von der Deutschen Bank sowie der Citi Group finanziert werden. Zu einem späteren Zeitpunkt sind Anleihen geplant, um weiteres Geld in die Kassen zu spülen. Einen Vergleich mit der gescheiterten Übernahme von Conti durch Schaeffler lehnte Sommer ab. „Wir haben ein besseres Marktumfeld, sind beide solide und konservativ finanziert – außerdem handelt es sich um eine friedliche und nicht um eine feindliche Übernahme.“ Durch schnelles Wachstum soll die Verschuldung rasch sinken. Ferdinand Dudenhöffer geht jedoch davon aus, dass ZF Friedrichshafen, bisher in der Rechtsform einer Stiftung, in naher Zukunft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird und an die Börse geht. „Nur so lässt sich auf lange Sicht das Wachstum organisieren.“ Ansonsten sei das Risiko hoch, dass die Übernahme das Unternehmen in eine Schieflage bringe.

Für ZF geht es vor allem darum, sich die Technologie von TRW zu krallen. Das amerikanische Unternehmen mit Sitz im Bundesstaat Michigan ist ein Spezialist für elektronische Sicherheits- und Assistenzsysteme, etwa bei der Steuerung von Airbags oder der Fußgängererkennung, bietet aber auch elektronische Lenkungen an. Neben Leichtbau, Spritverbrauch seien Sicherheit und automatisiertes Fahren die großen Themen der Zukunft, sagte ZF-Chef Sommer. Tatsächlich liefern sich Hersteller und Zulieferer vor allem beim selbst fahrenden Auto einen heißen Konkurrenzkampf. „Damit haben wir einen starken Produktmix mit glänzenden Wachstumsperspektiven“, sagte Sommer. Bisher ist ZF vor allem auf die Antriebs- und Fahrwerktechnik spezialisiert.

Weltweit hat TRW 185 Standorte in 24 Ländern

Der Hauptsitz von ZF soll weiterhin in Friedrichshafen sein, TRW als separate Sparte in das Geschäft integriert werden. Das US-Unternehmen hat im Südwesten vier Standorte. Hier arbeiten 3475 Beschäftigte in genau jenen Bereichen, an denen die ZF interessiert ist. In Alfdorf bei Welzheim etwa befindet sich das weltweite Entwicklungszentrum für Insassenschutzsysteme mit 1620 Mitarbeitern. In Radolfzell entwickeln 800 Mitarbeiter Lösungen in der Sicherheitselektronik, weitere 115 forschen an Steuergeräten für Airbags oder Gurtstraffer. Weltweit hat TRW 185 Standorte in 24 Ländern. Beide Unternehmen wollen mit Integrationsteams eine nahtlose Eingliederung der Mitarbeiter ermöglichen. „Wir haben bereits durch Zukäufe in der Vergangenheit bewiesen, dass wir das können“, sagte Sommer. An der Zahl der Beschäftigten soll sich auch an den deutschen Standorten zunächst nichts ändern. Da die Übernahme noch von den Kartellbehörden genehmigt werden muss, geht Sommer davon aus, dass sie im ersten Halbjahr 2015 abgeschlossen sein wird. Um die Genehmigung überhaupt zu bekommen, musste sich das Unternehmen aber von ZF Lenksysteme trennen.

Mit dem TRW-Coup hat ZF Bosch am Montag ein wenig die Schau gestohlen. Dabei ist die Übernahme von ZF Lenksysteme auch nicht von Pappe. Zuvor hatte Bosch einen 50-Prozent-Anteil. Mit 20 Standorten und 13 000 Mitarbeitern weltweit erzielte ZF Lenksysteme zuletzt einen Jahresumsatz von 4,1 Milliarden Euro. Zum Kaufpreis wurde zwar Stillschweigen vereinbart. Experten zufolge dürfte er aber im hohen dreistelligen Millionenbereich liegen. Ähnlich wie bei ZF geht es auch für Bosch um die strategische Ausrichtung. So spielen elektronische Lenkungen eine große Rolle bei der Senkung des Spritverbrauchs. Sie sind aber auch eine Basistechnologie für das automatisierte Fahren. „Bisher haben wir Gas gegeben und konnten bremsen“, sagte der Chef von Boschs Kfz-Sparte, Wolf-Henning Scheider. „Jetzt können wir auch noch lenken.“