Dieselfahrzeuge sind bei Autokäufern nicht mehr so beliebt wie im Vorjahr. Foto: Fotolia/mrcats

Die Autokäufer in der Region Stuttgart wenden sich vom Diesel ab. Die Neuwagenverkäufe gehen rapide nach unten. Grund ist die Debatte über Fahrverbote in der Landeshauptstadt.

Stuttgart - Die in Stuttgart weit über dem gesetzlichen Limit liegenden Feinstaub- und Stickoxidwerte haben auf dem Automarkt in der Region in den vergangenen zwölf Monaten deutliche Spuren hinterlassen: In der Landeshauptstadt gingen die Neuwagenverkäufe bei den Selbstzündern von Oktober 2015 bis Oktober 2016 um 19,5 Prozent zurück. Im Landkreis Böblingen, aus dem viele Bürger zur Arbeit nach Stuttgart pendeln, brach der Verkauf in diesem Zeitraum sogar um 34,3 Prozent ein. Auch bei den Gebrauchtwagen (Besitzumschreibungen) war der Rückgang in Stuttgart (-10,6 Prozent) und dem Landkreis Böblingen (-19,6 Prozent) in der Region am höchsten.

„Mit dem Einbruch beim Diesel haben wir jetzt wohl den Punkt erreicht, an dem die Diskussionen um Feinstaubalarm und mögliche Fahrverbote ihre negative Wirkung entfalten“, betont Torsten Treiber, der Obermeister der Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart. Für die Umwelt gehe „der Schuss voll nach hinten los“, weil sich der Austausch älterer Selbstzünder gegen schadstoffärmere Euro-6-Diesel massiv verlangsame. Auch der Wechsel auf Diesel mit grüner Plakette stocke, weil die Umschreibungen stark zurückgegangen seien.

„Bisher ist der Diesel ein Lieblingskind der Stuttgarter gewesen“, so der Obermeister. Nun lasse die Zuneigung nicht nur in der Großstadt, sondern auch in der Region deutlich nach. Im Kreis Böblingen seien die Neuzulassungen bei Diesel-Pkw wegen der „Gemengelage aus Fahrverbotsdebatte, Feinstaubalarm und Abgasskandal“ um 34,3 und die Umschreibungen um 19,6 Prozent zurückgegangen.

Die Käufer werden vorsichtig

„Die Käufer werden vorsichtig“, beschreibt Roger Schäufele, der Stuttgarter Kreisvorsitzende der Kraftfahrzeuginnung, die Lage: „Kunden wägen Benziner, Hybride und Diesel gegeneinander ab.“ Die steuerlich geförderten Plugin-Hybride hätten im Oktober einen Zulassungsrekord verzeichnet. Aber 47 Plugins unter 4395 Neuzulassungen seien gerade 1,1 Prozent. „Und die Zulassung von 18 Elektroautos treibt die Konjunktur auch nicht an“, sagt Innungsgeschäftsführer Christian Reher.

Laut Innung liegen die knapp 4400 Neuzulassungen in Stuttgart um 7,7 Prozent niedriger als im Oktober 2015. Damit sei das Minus noch etwas höher als der Bundesdurchschnitt, heißt es bei der Innung. Firmenkunden in der Region seien besonders auf Fahrzeuge angewiesen, die nicht von Fahrverboten betroffen sein könnten. Da der Diesel in diesem Punkt ein Problem habe, sei der vom Kraftfahrtbundesamt in Flensburg gemeldete bundesweite Rückgang um 12,6 Prozent bei den Selbstzündern erklärbar. In Stuttgart gab es laut Innung mit 0,9 Prozent immerhin einen leichten Zuwachs bei den Benzinern, eine Nachfrage nach Elektroautos sei hingegen kaum vorhanden.

Die Diesel-Misere betrifft auch den Markt für Gebrauchtwagen. „Einen Diesel in Zahlung zu nehmen, will gut überlegt sein“, sagt Treiber. Wenn die blaue Plakette komme, verlören auch Fahrzeuge mit grünem Bäbber rapide an Wert. „Wir plädieren seit über einem Jahr für eine Umstiegsprämie, die das Auswechseln alter Diesel beschleunigen würde“, betont Reher.

Forscher glauben an weiteren Rückgang

Nach Angaben des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen laufen die deutschen Autobauer wegen der sinkenden Marktanteile des Diesels „in eine gefährliche CO2-Falle“. Bereits 2018 werde der Anteil der Selbstzünder an den Neuwagen unter 40 Prozent liegen. Gleichzeitig kämen die Elektroautos trotz Prämie nicht in Gang.

Statt dessen stiegen Zulassungszahlen der sogenannten SUV mit einem deutlich höheren CO2-Ausstoß. Diese Entwicklung verschärfe das Risiko von Strafzahlungen die Europäische Kommission für die deutschen Autohersteller. Diese müssten die Klimapolitik deutlich ernster nehmen und rascher gegensteuern.

Das zeigt für CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer auch die Diskussion in China. Dort werde daran gedacht, 2018 eine Produktionsquote von acht Prozent für Elektroautos einzuführen. Diese E-Auto-Quote solle danach dynamisch angehoben werden. Im Jahr 2019 sollen zehn und 2020 bereits zwölf Prozent aller in China gebauten Fahrzeuge elektrisch fahren.