Das frühere Horton-Kaufhaus soll nach den Plänen des Investors René Benko einem Bürogebäude mit reduziertem Einzelhandel weichen. Foto: Wilhelm Mierendorf wm-foto@t.online.de

Eine klare Mehrheit des Stuttgarter Gemeinderats will keinen Rechtsstreit mit dem österreichischen Immobilienmogul René Benko riskieren. Die Stadträte stimmen erneuten Gesprächen über einen Vergleich zu. Eine Fraktion allerdings traut dem Braten nicht.

Stuttgart - Die Stadt scheut den Gang vor Gericht und will mit dem österreichischen Kaufhauskönig René Benko über einen Vergleich in Sachen Vorkaufsrecht für die Galerie-Karstadt-Kaufhof-Filiale an der Eberhardstraße sprechen. Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) und Wirtschaftsbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) haben für ihre Marschroute am Donnerstag breite Rückendeckung im Gemeinderat erhalten. Nur die Linksfraktion votierte in nicht öffentlicher Sitzung gegen weitere Gespräche mit der Signa-Gruppe des Milliardärs.

Juristen hatten der Stadt gute Chancen im Rechtsstreit bescheinigt

Die Stadt will demnach, wie berichtet, auf ihr geltend gemachtes Vorkaufsrecht für das gut 2500 Quadratmeter große Grundstück verzichten. Im Gegenzug soll Benko das benachbarte Parkhausgrundstück nach der Erstellung einer zweigeschossigen Tiefgarage an die Stadt verkaufen – OB Nopper möchte dort ein Haus der Kulturen errichten lassen. Noch im vorigen Jahr hatte die Rathausspitze noch unter der Ägide von Noppers Amtsvorgänger Fritz Kuhn (Grüne) und gestützt auf einen breiten Gemeinderatsbeschluss das Vorkaufsrecht für beide Grundstücke gezogen, nachdem die zu Benkos Imperium gehörende Galeria-Karstadt-Kaufhof beide Grundstücke an eine andere zur Signa Holding gehörende Immobilienfirma veräußert hatte. Der juristische Streit dreht sich um die Frage, ob die konzerninterne Vermögensumschichtung als Verkauf zu werten ist oder nicht. Die Stadt bejahte dies und machte ihre Ansprüche auf einen Kauf geltend, weil das Areal im Sanierungsgebiet Stuttgart 27 liegt. Benko bestreitet, dass die Vermögensumschichtung als Verkauf zu werten ist.

Die jetzige Haltung der Rathausspitze und der Ratsmehrheit verwundert, hatte doch ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten nach Recherchen unserer Redaktion die Chancen für einen juristischen Erfolg als „überwiegend wahrscheinlich“ eingestuft. Im Raum steht freilich Benkos Drohung, den langfristigen Mietvertrag der Kaufhof-Filiale bei einer Niederlage bis zum Ende auszusitzen und die Erschließung so um Jahrzehnte zu verzögern.

Linksfraktion hält Nachgeben gegenüber dem Investor für falsch

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Die Linksfraktion kritisiert, dass die Stadt damit eine gute Chance für eine von ihr selbst gesteuerte städtebauliche Entwicklung aus der Hand gegeben habe. Das Vorkaufsrecht für das Parkhaus-Areal 1700 Quadratmeter sei ohnehin unstrittig, die größere Fläche wolle man nun ohne Not einem umstrittenen Investor überlassen, dem zudem Arbeitnehmerrechte nicht besonders am Herzen lägen, meint Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch. Hintergrund der Kritik: Benko, der in der Coronakrise von der Bundesregierung einen millionenschweren Kredit für Karstadt-Kaufhof erhielt, scheint mittelfristig wenig Interesse am Erhalt der Warenhäuser zu hegen; meist baut er die Filialen zu luxuriösen Shop-in-Shop-Center um. Auch in Stuttgart will er anstelle der Kaufhof-Filiale ein Bürogebäude mit reduziertem Einzelhandel erstellen. Derzeit arbeiten in der Filiale rund 60 Beschäftigte.

Zwar will Bürgermeister Fuhrmann in den Verhandlungen mit Benko offenbar auch das Thema Arbeitsplatzsicherung ansprechen, Rockenbauch ist allerdings skeptisch, dass mögliche Zusagen das Papier wert sind, auf dem sie niedergeschrieben werden.