Der Klinikverbund will die Gynäkologie in Leonberg schließen, in Herrenberg sogar das ganze Krankenhaus dicht machen. Dagegen regt sich heftiger Widerstand bei Hebammen und Müttern. Sie befürchten, dass die Entbindungssituation sich dramatisch verschlechtern wird.
Die entscheidende Frage stellt Christiane Hug-von Lieven nach zweieinhalb Stunden: „Besteht eine Chance“, so will die Leonberger SPD-Stadträtin wissen, „dass die vorgetragenen Argumente in das Konzept mit einfließen?“ Der Landrat nickt eifrig. „Die allerbesten Chancen“, beeilt sich Roland Bernhard zu sagen. „Die besten Argumente sollen zählen. Wir verkaufen Ihnen hier nichts, wir entwickeln etwas.“
Jede andere Antwort hätte vermutlich die Stimmung kippen lassen. Bei einem Informationsabend zur Zukunft des Leonberger Krankenhauses, zu dem der Klinikverbund Südwest und das Landratsamt in die Steinturnhalle eingeladen haben, gibt es zwar etliche kritische Fragen und Anmerkungen, doch es geht weitgehend sachlich zu. Ruhiger auf jeden Fall als zwei Tage zuvor in Herrenberg. Dort ging es um die geplante Aufgabe des dortigen Krankenhauses und dem damit verbundenen Aus der Geburtenstation.
Status als Basis-Klinik steht nicht zur Debatte
In Leonberg sieht die Lage anders aus: Der Status der Klinik als „breit aufgestelltes Haus der Grundversorgung“ im Rund-um-die Uhr-Betrieb stehe nicht zur Disposition, versichert Bernhard. Sehr wohl zur Disposition steht aber die Gynäkologie und die dazugehörige Geburtshilfe. In Zukunft sollen im Klinikverbund Kinder nur noch in Böblingen und Nagold auf die Welt kommen.
Genau diese Pläne rufen nicht nur die Hebammen auf den Plan, die in großer Zahl erschienen sind, schon am Halleneingang ihren Unmut kundtun und die Pläne als „frauenfeindlich“ bezeichnen. Auch etliche Mütter sind mit ihren Kindern erschienen. Im Saal herrscht eine Atmosphäre, die sich von den üblichen Abenden politischer Prägung deutlich unterscheidet.
Was Landrat Bernhard und dem Geschäftsführer des Klinikverbundes, Alexander Schmidtke, wichtig ist: Thema der Diskussion sind die Vorschläge eines Gutachtens. „Nichts wird in der kommenden Woche umgesetzt“, beteuert Bernhard. Wie ein neues Medizinkonzept aussehen soll, das werde der Kreistag erst im Dezember entscheiden. Der Veränderungsdruck indes sei angesichts eines befürchteten Jahresdefizits von 70 Millionen Euro im ganzen Klinikverbund immens groß.
Die Mütter, Hebammen und Mitarbeiterinnen des Krankenhauses in Leonberg verstehen aber nicht, dass die Sanierung ausgerechnet zu Lasten der Frauen und Kinder gehen soll. Eine Assistenzärztin in der Leonberger Frauenklinik nennt beispielhaft einen Eileiterbruch, bei dem es auf jede Minute ankomme. Eine Fahrt nach Böblingen könne für die Betroffene tödlich enden.
Eine Hebamme, die sowohl in Herrenberg als auch in Leonberg gearbeitet hat, berichtet von schon jetzt völlig überlasteten Geburtshilfen überall im Klinikverbund: „Bei uns rufen verzweifelte werdende Mütter an, die keinen Platz finden. Wir haben keinen. Und selbst in Tübingen gibt es keinen. Wie soll das das funktionieren, wenn Leonberg und Herrenberg nicht mehr da sind?“
„Viele wollen keine große Gebärmaschine“
Auch die Vorzüge der hebammengeführten Kreißsäle werden von den Fachfrauen angeführt: mehr menschliche Zuwendung, familiäre Atmosphäre in kleineren Einheiten. „Viele Mütter wollen nicht in einer großen Gebärmaschine ihre Kinder auf die Welt bringen“, sagt eine Schwester.
Alexander Schmidtke, der die Inhalte des Gutachtens der Beratungsgesellschaft Lohfert & Lohfert vorträgt, hält Zahlen dagegen: Die Geburten in Leonberg mit jährlich knapp 600 und selbst in Herrenberg mit 1200 seien zu wenig. In jeder Geburtshilfe müsste rund um die Uhr eine ausreichende Zahl an Fachärzten vorhanden sein, unabhängig davon ob der Kreißsaal von Hebammen geleitet wird. In größeren Einheiten seien die Schichten besser darstellbar. Der Mangel an Fachkräften, daran lässt der Chef des Klinikverbundes keinen Zweifel, sei eines der größten Probleme. Und bei den meisten Geburten sei eben doch medizinische Hilfe notwendig.
Cornelia Kraus lässt die vermeintlich zu geringe Zahl an Geburten nicht gelten. „In Herrenberg hat es einige Jahre gedauert, bis der hebammengeführte Kreißsaal steigenden Zahlen gebracht hat“, sagt die Leitende Hebamme in Leonberg. „Bei uns geht es nach oben.“ Dass werdende Mütter automatisch nach Böblingen ausweichen, glauben sie und viele ihrer Kolleginnen nicht. Selbst Schmidtke muss einräumen, dass dem Klinikverbund Mütter verloren gingen. Unter dem Strich stimme die Rechnung aber.
Patienten aus dem Strohgäu gingen verloren
Bernd Murschel berichtet von seinem zweiten Kind, das im „Auto geboren worden wäre, hätte es nicht die Gynäkologie in Leonberg gegeben.“ Der Grünen-Stadtrat ist „stolz, dass es in Leonberg eine hebammengeführte Geburtshilfe gibt.“ Der Leonberger Oberbürgermeister wiederum ist froh, dass „unser Krankenhaus als Basisversorger erhalten bleibt“. Gleichwohl weist Martin Georg Cohn auf das nordöstliche Umland hin. Patienten aus dem Strohgäu würden sich nach Stuttgart und Ludwigsburg orientieren, gäbe es in Leonberg zu viele Leistungskürzungen. Eine Einschätzung, der der Geschäftsführer nicht widersprechen kann.
Die Moderatorin Antje Grobe, die mit viel Umsicht die emotionalen Klippen umschifft, hat alle Themen protokollieren lassen. Sie würden jetzt aufgearbeitet, verspricht sie.