19. Juni 1933: Eugen Bolz (mit Hut im Fonds des Wagens) wird von Nazi-Schergen vor dem damaligen Polizeipräsidium in der Dorotheenstraße (Hotel Silber) verhaftet. Foto: Privatbesitz Eugen Rupf-Bolz

Die Stimmen für den Erhalt der Villa des entschiedenen Nazigegners Eugen Bolz mehren sich: Neben der Stuttgarter CDU wendet sich auch der Verein Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber gegen einen Abriss.

Stuttgart - Das Schicksal der Villa Bolz ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Wie berichtet, soll das ehemalige Wohnhaus des von den Nazis ermordeten früheren württembergischen Staatspräsidenten am Kriegsbergturm abgerissen werden; an ihrer Stelle plant das Stuttgarter „wohnbau-Studio“ vier exklusive Eigentumswohnungen. Die Enkel von Eugen Bolz (1881–1945) hatten das 13 Ar große Anwesen im vergangenen Jahr an das Wohnungsbauunternehmen verkauft; ein Baugesuch soll demnächst eingereicht werden. Der geplante Abriss, über den unsere Zeitung zuerst berichtet hatte, stößt auf Kritik – unter anderem bei Historikern. Eine Prüfung der Denkmalschutzbehörden hatte vergangene Woche ergeben, „dass es sich bei der Villa um kein Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes“ handelt.

Damit ist die Diskussion jedoch nicht beendet. Der Verein Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber sprach sich jetzt ebenfalls gegen einen Abriss aus. „Wir sind grundsätzlich gegen die Abreißerei in Stuttgart“, sagte der Vereinsvorsitzende Harald Stingele unserer Zeitung. Es bestehe ein enger Bezug zum Hotel Silber; dort war Bolz nach seiner Entmachtung am 19. Juni 1933 das erste Mal verhaftet worden (siehe Foto). Vor vier Jahren hatte die Initiative in einer Gedenkveranstaltung vor dem Hotel Silber an dieses Ereignis erinnert. Stingele sagte, Geschichte könne man am besten an authentischen Orten erzählen. „Das ist etwas anderes, als wenn man später eine Gedenktafel anbringt.“ Konkret schlägt der Verein vor, die Bolz-Villa als Ort für historisch-politische Bildung zu nutzen. Gleichzeitig plädiert er dafür, „die Geschichte von Eugen Bolz vollständig zu erzählen“. Seine Persönlichkeit solle dort „in allen Facetten und Widersprüchlichkeiten dargestellt werden – nicht nur als Opfer und Widerständler, sondern auch als politisch Verantwortlicher in den zwanziger und beginnenden dreißiger Jahren, am Vorabend des Nationalsozialismus“. Stingele warnte außerdem davor, Erinnerungsorte gegeneinander auszuspielen. Dieser Eindruck könne entstehen, wenn – wie in einer Leserreaktion geschehen – die Villa Bolz als „authentischer“ als das Hotel Silber geschildert werde.

Klares Votum von der Stuttgarter CDU

Ein klares Votum geben auch die Stuttgarter Christdemokraten ab. Der CDU-Kreisvorstand sprach sich auf einer Sitzung für den Erhalt der Villa aus. Er schlug vor, „schnell eine überparteilich getragene Lösung für den Erhalt der Eugen-Bolz-Villa bzw. die Schaffung eines Erinnerungsortes zu finden“.

Der CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann würdigte Bolz als „einen der bedeutendsten Widerstandspolitiker gegen die Nationalsozialisten und großen Württemberger, der von den Nazis wegen seiner Überzeugungen hingerichtet wurde“. Das Wohnhaus, in dem der tiefgläubige Katholik von 1932 bis 1944 gelebt habe, solle erhalten werden. Zwar seien an dem Gebäude in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche bauliche Veränderungen vorgenommen worden, sagte Kaufmann. Es gehe in diesem Fall aber nicht um die bauhistorische Bedeutung oder Substanz: „Die Eugen-Bolz-Villa stellt ein staatspolitisches Demokratie-Denkmal dar“, erklärte der CDU-Politiker. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit würden heute oft als Selbstverständlichkeit hingenommen. Die Villa könne dazu beitragen, „den ständigen Einsatz für diese Werte anzumahnen und das Andenken zu wahren“.

An Bolz erinnert bisher vor allem ein von dem österreichischen Künstler Alfred Hrdlicka gestaltetes und 1994 eingeweihtes Mahnmal am Stuttgarter Königsbau. Initiator war der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU). Einen ausgewiesenen Erinnerungsort allerdings gibt es bisher nicht. In einer Rede zum Widerstand gegen Hitler befand der ehemalige Staatsminister Christoph Palmer (CDU) vor neun Jahren: „Leider fehlt bis zum heutigen Tag eine würdevolle Gedenkstätte für den hochrangigsten Politiker der Weimarer Republik, der den Weg auf das Schafott ging.“

Arbeitszimmer noch fast vollständig erhalten

Der CDU-Kreisvorsitzende Kaufmann verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass das Arbeitszimmer des Zentrum-Politikers „noch so gut wie vollständig erhalten ist“; dort hatte Bolz unter anderem Gespräche mit dem führenden Widerstandskämpfer Carl Friedrich Goerderler geführt. „Daraus kann ein Erinnerungsort erwachsen, der die deutsche Geschichte auch für nachfolgende Generationen greifbar macht“, betonte der CDU-Politiker. Eine anderweitige Nutzung des restlichen Gebäudes sei dadurch nicht ausgeschlossen.

Das sogenannte Herrenzimmer von Bolz befindet sich auf Vermittlung der Bolz-Erben derzeit beim Geschichts- und Altertumsverein in Ellwangen; dort ist es eingelagert, weil sich noch keine passenden Räume gefunden haben. Der älteste Enkel, Eugen Rupf-Bolz, hatte es nach eigenen Angaben zuvor dem Stuttgarter Haus der Geschichte angeboten. Dieses habe jedoch kein Interesse gezeigt. „Sollte ein Erhalt der Villa als Denkmal nicht realisierbar sein, soll zumindest das Arbeitszimmer erhalten und gegebenenfalls im Haus der Geschichte Baden-Württemberg gezeigt beziehungsweise wieder aufgebaut werden“, fordert die CDU.

„Stadt und Land sollten die Finanzierung stellen“

Am liebsten sähe sie jedoch einen Erhalt des Gebäudes. Die CDU zeigt außerdem Sympathie dafür, bei einer Sanierung der Villa „den historischen Zustand wieder anzustreben“ (siehe Aufriss aus dem Jahr 1906). Allerdings fehlt für solche Überlegungen bisher die Grundlage, denn die Villa ist nicht verfügbar. Das „wohnbau-Studio“ hat einen Verkauf zwar nicht kategorisch ausgeschlossen, will seine Plänen für einen Neubau jedoch nicht aufgeben. Zur Höhe der Summe, für die es die Villa erworben hat, macht das Unternehmen keine Angaben.

Die Stuttgarter CDU sieht die Stadt und die Landesregierung in der Verantwortung: „Die Schaffung und Unterhaltung eines Erinnerungsortes kann nicht den heutigen Eigentümern oder der Familie Bolz aufgelastet werden“, erklärte Kaufmann. Stadt und Land sollten die Finanzierung und einen organisatorischen Rahmen zur Verfügung stellen.