Eine Plakatkampagne der Stadt Stuttgart gegen Zwangsprostitution, die unter anderem an die Menschenwürde appelliert. Foto: dpa

Eine 30-Jährige muss für ihre Zuhälter auf den Strich gehen und wird tätowiert wie ein Stück Vieh. Nach ihrer Befreiung wollte die Krankenkasse zunächst nicht für die Entfernung des Tattoos zahlen.

Düsseldorf - Eine ehemalige Zwangsprostituierte darf sich eine Tätowierung am Hals, die als Zeichen ihrer Zuhälter galt, auf Kosten ihrer gesetzlichen Krankenklasse entfernen lassen. Die Tätowierung mit den Initialen der Vornamen der beiden Täter und dem Kürzel „DH2“ wirke entstellend, und es drohe der Frau die Gefahr eines Rückzugs aus dem sozialen Leben, begründete das Sozialgericht Düsseldorf seine am Mittwoch bekanntgegebene Entscheidung (S 27 KR 717/16).

Die 30-jährige Düsseldorferin war Opfer eines als „Die heiligen Zwei“ bekannten Täterduos und wurde von diesem zur Prostitution gezwungen. Während dieser Zeit wurde der Frau laut Gericht am Hals die große und auffallende Tätowierung gestochen. Nach der Befreiung von der Zwangsprostitution durch die Polizei verweigerte die Kasse aber die Kostenübernahme für die Entfernung der Tätowierung, weil dies keine „Krankenbehandlung“ sei.

Dem Urteil zufolge muss die Kasse nun doch zahlen. Es handle sich ausnahmsweise um eine Krankenbehandlung: Die Tätowierung wirke entstellend, und es drohe die Gefahr eines Rückzugs aus dem sozialen Leben, entschied das Gericht. Die Frau könne ansonsten als Opfer der Zwangsprostitution erkannt werden, zumal über den Fall in der Presse berichtet worden sei. Ohne die Entfernung der Tätowierung sei die Heilungsprognose für die bei der Klägerin bestehende posttraumatische Belastungsstörung erheblich schlechter.