Durch diesen insgesamt 1,3 Kilometer langen Bach können die Neckarfische in Zukunft die Schleuse bei Ludwigsburg-Poppenweiler. Klicken Sie sich durch die Bildergalerie. Foto: Peter-Michael Petsch

Ganz Europa schaut auf das Naturparadies Zugwiesen am Neckarufer Ludwigsburg – Einweihung am 13. Juni.

Ludwigsburg - Mit viel Beton haben Bund und Land den Neckar vor 60 Jahren wirtschaftlicher für den Gütertransport gemacht. Seit einigen Jahren wird das Korsett von Menschenhand wieder aufgerissen. Am größten ist der Schritt zurück zur Natur am Neckarufer bei Ludwigsburg-Poppenweiler ausgefallen.

Wenn sich demnächst Umweltschützer aus ganz Europa zu ihrem Kongress unter dem Dach der Europäischen Union treffen, schauen sie auf ein Ökoprojekt am Neckarufer bei Ludwigsburg. Das 17 Hektar große Biotop interessiert die EU allerdings nicht wegen seiner Größe von 17 Hektar. „Einmalig dabei ist die Zusammenarbeit von verschiedenen Behörden“, erklärt der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamts Stuttgart, Walter Braun. Damit Fische, Amphibien und Pflanzen rund um die Staustufe bei Ludwigsburg-Poppenweiler wieder ihre Rückzugsgebiete finden, hat die Europäische Union genauso mitgewirkt wie Brauns Behörde, der Verband Region Stuttgart, der Landkreis Ludwigsburg oder das Grünflächenamt der Stadt Ludwigsburg. Und alle haben fleißig Geld gegeben. Insgesamt rund acht Millionen Euro. „Diese Zusammenarbeit der Behörden und die gemeinsame Finanzierung eines Ökoprojekts hat es entlang von deutschen Gewässern und auch auf europäischer Ebene noch nicht gegeben“, erklärt Braun das Interesse der EU an den Zugwiesen.

„Flaggschiff für den regionalen Landschaftspark Neckartal“

An ein Ökoprojekt mit diesen Dimensionen hat die Stadt Ludwigsburg allerdings nicht gedacht, als sie vor mehr als zehn Jahren erste Überlegungen anstellte, wie die Schiffsschleusen beim Stadtteil Poppenweiler für Fische überwindbar gemacht werden können. Beflügelt wurde die Idee, die 17 Hektar große, ehemals landwirtschaftlich genutzte Neckaraue zu fluten, durch das Ikone-Projekt des Landes und durch den Verband Region Stuttgart.

Hinter dem Begriff Ikone steckt die Überlegung, den begradigten und regulierten Neckar samt seiner Nebenflüsse wieder naturnäher zu gestalten – wenn nicht auf der gesamten Länge der Gewässer, dann zumindest in Abschnitten. Der Verband Region Stuttgart (VRS) hat diese Gedanken auf seinen Landschaftspark Neckar übertragen. 6.000.000 Euro aus dem Jahresetat für die Landschaftsparks in der Region flossen deshalb auch nach Ludwigsburg, um die Flussaue dort zu modellieren. Jetzt sind die Arbeiten fast abgeschlossen, und niemand widerspricht dem Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec, wenn er im Zusammenhang mit der neu gestalteten Fluss- und Uferlandschaft vom „Flaggschiff für den regionalen Landschaftspark Neckartal“ spricht. Das Renommee am Fluss ist allerdings teuer erkauft. Abgesehen von der langen Planungszeit hat es die Stadt Ludwigsburg allein 1,7 Millionen Euro gekostet, um die notwendigen Grundstücke aufzukaufen.

Ludwigsburg muss über Lenkung der Besucherströme nachdenken

Es scheint mittlerweile aber, als hätten die Ludwigsburger sehnsüchtig auf dieses Stück erlebbare Flusslandschaft gewartet. Seit im März die 1,3 Kilometer lange Fischtreppe und die größeren und kleineren Wasserflächen geflutet wurden, besichtigen täglich viele Menschen die Naturoase. Führungen von Schulklassen oder Kurse der Volkshochschule gehören seit der Flutung der künstlichen Seen zur Tagesordnung. Der Andrang ist mittlerweile so groß, dass die Stadt über die Lenkung der Besucherströme nachdenken muss. Insbesondere will sie verhindern, dass mit dem Auto zu nah an die Auenlandschaft gefahren werden kann. In Zukunft soll bei den Parkplätzen am Freibad im Stadtteil Hoheneck die Weiterfahrt unterbunden werden.

Damit der Neckar sein neues Ufer voll in Besitz nehmen kann, fehlt noch ein entscheidender Schritt: Die Entfernung der alten Ufermauer auf einer Länge von rund 800 Metern. Diese Arbeiten werden nach Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes bis ins nächste Jahr dauern. Hinter den Baggerbissen, so Braun, stecke viel Ingenieurkunst. Es müsse verhindert werden, dass sich Steine und Sand, die der Neckar auf seinem Weg zum Rhein mit sich führt, in den Tümpeln absetzen können. Die Kunst bestehe darin, unter der Wasseroberfläche einen Teil der Mauer stehen zu lassen, um dem Neckarwasser die richtige Richtung zu weisen.

Den Start zum Abriss der Ufermauer aus den fünfziger Jahren geben in der kommenden Woche am Mittwoch, 13. Juni, der Ludwigsburger OB Spec und Birgit Esser, Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium. Den 13. Juni hat die Stadt zum Neckarfesttag erklärt. Neben den Baggerbissen von Esser und Spec in die Ufermauer hat die Stadt dafür ein umfangreiches Programm für die Besucher entwickelt. Ab 9 Uhr gibt es laufend Führungen durch das Projekt. In Zelten finden Ausstellungen statt, die den Neckar als Wasserstraße für den Güterverkehr und als Energielieferant zeigen und erklären. Diese Informationsstände befinden sich entlang des neuen Radwegs, der sich der Länge nach durch das neu gestaltete Gelände zieht. Mutige können sogar in die Luft gehen, um das Naturparadies von oben zu bewundern. Die Stadt stellt einen Kran auf, der eine Plattform 50 Meter nach oben zieht. Ein kostenloser Buszubringer bringt die Besucher den ganzen Tag im Halbstundentakt vom Omnibusbahnhof an den Neckar.