Fachleute inspizieren vom Helikopter aus die Schäden. Foto: Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG

Bei der ersten Routine-Übung an der neuen Zugspitzbahn reißt ein Kettenzug. Daraufhin rast ein tonnenschwerer Bergewagen in eine der beiden Glasgondeln und zerstört sie völlig. Wie es weitergeht, weiß derzeit niemand.

Grainau - Die Seilbahn zur Zugspitze kann nach dem schweren Unfall am Donnerstagabend bis auf Weiteres nicht fahren. Bei einer Notfallübung war ein Rettungswagen in eine der beiden Gondeln gerast und hatte sie größtenteils zerstört.

Die Bahn, die erst im vergangenen Dezember in Betrieb gegangen war, werde „mit Sicherheit mehrere Wochen geschlossen bleiben“, sagte die Sprecherin der Bayerischen Zugspitzbahn, Verena Lothes, am Freitag. Dennoch könne Deutschlands mit 2962 Metern höchster Gipfel besucht werden und auch der Beginn der Skisaison am 16. November sei nicht in Gefahr. „Die Zahnradbahn und die Gletscherbahn fahren regulär.“

„Die Zugspitzbahn bleibt bis auf Weiteres außer Betrieb“

Wie lange genau die hochmoderne Seilbahn stillstehen wird, ist noch völlig unklar. Fest steht nur: „Die Zugspitzbahn bleibt bis auf Weiteres außer Betrieb.“ Erst müsse ein Weg gefunden werden, um die in der Luft baumelnde, havarierte Gondel ins Tal zu bringen.

Die Kabine droht zwar nicht abzustürzen, aus Sicherheitsgründen ist aber die Kletterroute „Eisenzeit“ an der Nordwand der Zugspitze, seitlich der Unfallstelle, gesperrt worden.

Unfallursache: Ein gerissener Kettenzug

Laut der Betreibergesellschaft können Konstruktionsfehler an der Seilbahn als Unfallursache ausgeschlossen werden. „Es liegt einzig und allein an einem Kettenzug, der bei der Vorbereitung zur Bergeübung gerissen ist“, erklärte Verena Lothes. „Das hätte nicht passieren dürfen, weil der Kettenzug ein Vielfaches des Gewichts des Rettungswagens halten muss.“ Zudem seien alle Materialien, die zum Einsatz kämen, vor der Inbetriebnahme von der Seilbahnaufsicht geprüft und freigegeben worden.

Auch die Schadenshöhe ist noch nicht abzuschätzen. „Die Gondel ist massiv beschädigt.“ Teile von Boden und Dach seien bei dem Zusammenstoß weggerissen worden, eine Hälfte sei stark beschädigt. „Wir gehen davon aus, dass wir eine neue Gondel brauchen.“ Die Bayerische Zugspitzbahn AG sei für solche Fälle versichert.

5,4 Tonnen schwerer Bergewagen raste in die Gondel

Am Freitag hing die Gondel weiter am Ort des Unglücks, 280 Meter unterhalb der Bergstation. Nach einem Erkundungsflug mit einem Helikopter und einer Drohne überlegen die Experten, wie die fast zwölf Tonnen schwere Konstruktion sowie der 4,5 Tonnen schwere Rettungswagen talwärts gebracht werden können. Nach Angaben des Betreibers hat die Gondel ein Leergewicht von 4,2 Tonnen, hinzu kommen das Stahlgehänge und die Rollenbatterien mit mehr als sieben Tonnen.

Die Seilbahn mit ihren beiden 120 Personen fassenden vollverglasten Gondeln war erst am 21. Dezember 2017 eingeweiht worden. Sie wurde von der österreichisch-schweizerischen Doppelmayr/Garaventa-Gruppe, dem Weltmarktführer im Seilbahnbau, gebaut. Übungen wie am Donnerstag sind ein Test für den Ernstfall.

Routinemäßige Bergeübung

Dabei probt das Bergbahnpersonal routinemäßig alle sechs Monate, wie Personen bei einem Notfall evakuiert werden können. Dafür wird ein Bergewagen zur Gondel herabgelassen, mit dem maximal 30 Fahrgäste in der Gondel zurück zur Bergstation gebracht werden können. Für jedes der beiden Trageseile ist ein Bergewagen in der Bergstation vorhanden.

Am Donnerstag gegen 18 Uhr riss plötzlich die Kette des Hebewerkzeugs, als der Bergewagen eingehängt wurde. Dies habe eine Kettenreaktion ausgelöst, so Lothes. Der Wagen raste talwärts und krachte ungebremst in die Gondel, die sich zwischen Bergstation und der einzigen Mittelstütze befand. Weder im Wagen noch in der Gondel befanden sich Personen, weshalb niemand verletzt wurde.

Spezialisten des Herstellers sind vor Ort

Die Bayerische Zugspitzbahn AG als Betreiberin der Seilbahn hat Untersuchungen eingeleitet, in die auch der Seilbahnhersteller sowie unabhängige Sachverständige einbezogen sind. Die Herstellerfirma hatte bereits in der Nacht zum Freitag Spezialisten nach Grainau geschickt, die darüber beraten, wie es nach dem Unglück weitergehen soll. Noch ist aber Lothes zufolge nicht entschieden, ob die havarierte Kabine nach oben oder unten gezogen werden kann. Eine Gefahr für das Tragseil bestehe nicht.

Ein weiteres Problem ist, dass die Gondel zu schwer für jeden gängigen Hubschraubertyp ist. Nur Riesen-Helikopter wie der russische Mi-26 könnten solche Lasten bewältigen. Das 29 Tonnen-Ungetüm trägt sperrige Lasten mit bis zu 20  Tonnen an Stahlseilen unter dem Rumpf.

Info: Die neue Zugspitzbahn

Die Zugspitze, mit 2962 Metern Deutschlands höchster Gipfel, ist weiter über die Zahnradbahn sowie die Gletscherbahn zu erreichen. Die Seilbahn mit den bodentief verglasten Kabinen hatte am 21. Dezember 2017 nach drei Jahren Planungs- und drei Jahren Bauzeit ihren Betrieb aufgenommen. Sie löste die Eibsee-Seilbahn von 1963 ab.

Die neue Bahn wartet mit einigen Rekorden auf: Mit 3213 Metern Abstand von der einzigen, 127 Meter hohen Stahlstütze bis zur Bergstation ist die zu überwindende Entfernung so groß wie bei keiner anderen Seilbahn. Einzigartig ist auch der Höhenunterschied von 1945 Metern zwischen Talstation (988,5 Meter) und Bergstation (2943,75 Meter). Und keine andere Pendelbahn der Welt hat mit 127 Metern eine derart hohe Stahlbaustütze.

Die beiden Gondeln bieten Platz für 120 Personen und können bis zu 580 Passagiere pro Stunde auf den Gipfel befördern. Die neue Seilbahn kostete rund 50 Millionen Euro. Die Gesamtlänge der Seilbahn beträgt 4466,9 Meter. Jedes der beiden Trageseile wiegt 153 Tonnen.