Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir beim Wahlkampfabschluss der Grünen. Foto: dpa

Die Partei hat im Bundestagswahlkampf mit großer Geschlossenheit gekämpft und das zweitbeste Ergebnis in ihrer Geschichte erzielt. Diese Einigkeit braucht sie jetzt auch weiter, die Regierungsbeteiligung in einem Jamaika-Bündnis ist eine Option. Nun werden die Möglichkeiten einer Sondierung sondiert.

Berlin - So, das war’s mit Bangen und Hoffen. Es ist 18 Uhr, und das Wahlergebnis flimmert über die Fernsehschirme. Die Grünen haben ihre Wahlziele nicht ganz erreicht. Aber sie sind so nah dran, dass der Jubel bei der ersten Prognose einen Moment lang keine Grenzen zu kennen scheint. Die Freude über den Stimmengewinn auf mehr als neun Prozent bleibt aber nur einen Augenblick ungetrübt. Das dumpfe, vielstimmige Buh folgt sogleich, als der Balken der AfD auf dem Bildschirm in die Höhe schießt.

Gemischte Gefühle, die gibt es wahrlich bei dieser grünen Wahlparty im Vollgutlager der Kindl-Brauerei in Berlin Neukölln. Katrin Göring-Eckardt bringt es wenig später auf den Punkt. „Das ist ein so schlechter Tag“, sagt sie als Allererstes im Blick auf die AfD. „Wir werden keinen einzigen Angriff auf die Demokratie und auf das Grundgesetz stehen lassen“, verspricht Göring-Eckardt in den Jubel und die Pfiffe hinein. Beide Spitzenkandidaten, neben Göring-Eckardt auch Cem Özdemir, betonen bei ihrem Auftritt die Verantwortung für Umweltschutz und Gerechtigkeit, die die Grünen jetzt gerade angesichts der neu ins Parlament gewählten politischen Partei schultern müssten. „Wir reden mit allen, außer mit der AfD, aber wir reden nicht über alles“, sagt Göring-Eckardt. Und auch Özdemir bekräftigte, dass Deutschland nach diesem Wahltag ein gespaltenes Land sei und alle demokratischen Parteien gefordert seien, „alles dafür zu tun, um diese Spaltung zu überwinden“.

Die Grünen verweigern sich nicht einer Sondierung

Dass Sondierungen über eine Jamaikakoalition wohl zum Auftragspaket für die nächsten Tage und Wochen dazugehören werden, liegt auf der Hand, nachdem die SPD den Weg in die Opposition bereits am Wahlabend angekündigt hat. Dem werden die Grünen sich, das machen viele Spitzenpolitiker am Wahlabend deutlich, nicht verweigern. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der wegen Flugausfalls in Stuttgart gestrandet ist, betonte, dass jetzt „ernsthaft“ darüber gesprochen werde. Aber ob das Bündnis, das keiner wollte, am Ende auch zustande kommt? Wetten würde darauf bei der Wahlparty keiner, und das nicht nur, weil man tunlichst nicht schon vor dem Beginn von ersten Gesprächen die Preise drücken sollte.

„Wir wollen unser Land verändern“, bekräftigt Özdemir denn auch. „Aber es wird keine Regierung mit grüner Beteiligung geben, ohne starke Entscheidungen für den Klimaschutz. Wir werden eine kraftvolle Stimme für Gerechtigkeit sein und keinen antieuropäischen Kurs mittragen. Als sich die Stimmung bei der Wahlparty allmählich lockert, haben die Grünen „ein Wechselbad der Gefühle“ hinter sich, wie es Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haselmann ausdrückt. Was Wähler den Demoskopen beim Verlassen der Wahllokale erzählten, schwankte stark. Mal lagen sie zwischen sechs und sieben, mal zwischen acht und neun Prozent – das sind an Wahlabenden Welten. Die Grünen sind anders als gewollt, nicht drittstärkste Kraft geworden, und auch das Ziel der Zweistelligkeit verfehlen sie. Aber sie haben auf den letzten Metern mehr herausgeholt, als die Umfragen versprochen haben. Historisch haben sie das zweitbeste Stimmenergebnis bei einer Bundestagswahl geholt (nach 10,7 Prozent 2009). Das ist ein Erfolg, den viele Parteifreunde den Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir zuletzt nicht mehr zugetraut haben.

Am Ende noch die Basis überzeugen

Dass es zu einer Regierungsbeteiligung kommt, was das wichtigste Wahlziel war, ist jetzt eine echte Option, wenn auch nur für die unbeliebte Jamaikakoalition. Am Montag beraten Vorstand und Parteirat. Am Samstag soll ein Länderrat eine Sondierungsgruppe benennen und den Kurs festlegen. Das Ziel: möglichst viel grüne Politik durchsetzen und am Ende die eigene Basis vom Regieren überzeugen.