Ändern Autofahrer ihr Fahrverhalten, wenn Fahrradpiktogramme auf der Straße angebracht sind? Das untersuchen zwei Universitäten in einem bundesweiten Forschungsprojekt. Auch die Stadt Stuttgart gehört zu den Probanden. Im Visier steht die Ludwigsburger Straße in Zuffenhausen.
Zuffenhausen - Welcher Autofahrer kennt sie nicht, die Eile von A nach B. Und dann fährt er plötzlich vor einem: der Radfahrer. Gerade an beengten Straßen, die keinen Schutzstreifen zulassen, ganz zu schweigen von den 1,5 bis zwei Metern vorgeschriebenen Abstand beim Überholen. Hand aufs Herz: Wer ist nicht schon mal zu nah an der ungeliebten Tempobremse vorbeigefahren? Doch für den Fahrradfahrer kann dies gefährlich ausgehen. 2016 verunglückten in Deutschland mehr als 81 000 Radfahrer, fast 400 tödlich. Wie man ihre Sicherheit gerade an problematischen Stellen verbessern kann, erforschen derzeit zwei Universitäten in einem bundesweiten Forschungsprojekt. Auch in Stuttgart wird getestet und zwar in Zuffenhausen.
Wer derzeit über die Ludwigsburger Straße in Richtung Stuttgarter City fährt, dem sind die neuen Markierungen vermutlich schon aufgefallen. Vor circa zwei Wochen hat das Tiefbauamt in einem Abstand von je 25 Metern weiße Fahrradpiktogramme zwischen dem Emil-Schuler-Platz und der Hohensteinstraße auf der Fahrbahn angebracht. Laut dem Fahrradbeauftragten beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, Claus Köhnlein, folgt in den nächsten Wochen auch die andere Straßenseite in Richtung Emil-Schuler-Platz. „Wenn es der Platz erlaubt, werden Schutzstreifen für Radfahrer eingerichtet. Aber in diesem Bereich ist dies leider nicht möglich“, erklärt Claus Köhnlein. Hauptgrund für den mangelnden Spielraum seien die Straßenbahnlinien, die in der Mitte der Ludwigsburger Straße verlaufen.
Einfluss auf das Fahrverhalten wird untersucht
Um andere Möglichkeiten auszuschöpfen, mittels derer die Sicherheit von Fahrradfahrern erhöht werden kann, nimmt die Stadt Stuttgart als eine von sechs Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern an dem bundesweiten Forschungsprojekt „Radfahren in beengten Verhältnissen – Wirkung von Piktogrammen und Hinweisschildern auf Fahrverhalten und Verkehrssicherheit“ teil. Das Forschungsvorhaben wird von der Bergischen Universität Wuppertal in Kooperation mit der Technischen Universität Dresden durchgeführt. Zwischen August 2016 und Juli 2019 soll unter anderem untersucht werden, ob sich das Fahrverhalten der Rad- und Autofahrer ändert oder anpasst und ob die Verkehrssicherheit für Radler damit erhöht wird, teilt die Stadt Stuttgart mit. Dazu zähle beispielsweise der Überholabstand oder die Flächennutzung der Radfahrer.
Markierung ohne rechtliche Bedeutung
Bei manchen Autofahrern führen die Piktogramme jedoch zu Verunsicherung was die verkehrsrechtliche Lage angeht. „Es handelt sich nur um eine Markierung, ohne rechtliche Bedeutung. Es geht darum, die Wahrnehmung der Autofahrer zu schärfen“, betont Köhnlein. Allen Verkehrsteilnehmen wird so ins Bewusstsein gerufen, dass Radfahren hier erlaubt ist. Laut Köhnlein sinke die Aggression, was vor allem an engen Stellen wichtig sei. „Ich fahre die Strecke auch selber zum Test und habe schon jetzt den Eindruck, dass manche Autofahrer defensiver fahren“, sagt der Fahrradbeauftragte.
Die Wirkung wird aber nicht nur nach subjektivem Empfinden, sondern auch mittels Videoaufnahmen überprüft. So werden zum einen Anwohner und Verkehrsteilnehmer befragt. Zum anderen werden an ausgewählten Tagen Kameras aufgestellt. Das Material soll später bei der Auswertung zeigen, inwieweit sich das Verhalten der Verkehrsteilnehmer zu der Zeit vor den Markierungen verändert hat. Die Stadt Stuttgart versichert, dass die Daten nach Projektende gelöscht würden. Zudem sei die Kameraauflösung so gering, dass keine Gesichter oder Kennzeichen zu erkennen seien. Vorgestellt werden die Erkenntnisse im Sommer 2019. Anschließend sollen sie in einem Leitfaden auch anderen Kommunen zur Verfügung gestellt werden.