Parteiübergreifende Initiative kündigt Gruppenantrag im Bundestag an. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Die Debatte um die Organspende nimmt wieder an Fahrt auf. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten unternimmt nun einen neuen Vorstoß, um zu einer Widerspruchsregelung zu kommen. Wir beantworten die wichtigesten Fragen.
Wie ist die Organspende bisher geregelt?
In Deutschland gilt eine Zustimmungslösung. Eine Organspende ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn der mögliche Organspender zu Lebzeiten eingewilligt hat. Ist der Wille des möglichen Spenders nicht mehr zu ermitteln, müssen die nächsten Angehörigen auf der Basis des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen einer Organentnahme zustimmen. 2020 hat der Bundestag Maßnahmen beschlossen, um die Spendebereitschaft zu erhöhen. So können nun Hausärzte über die Organspende informieren, in den Erste-Hilfe-Kursen vor der Führerscheinprüfung wird informiert, und in einem Online-Register kann man seine Spendenbereitschaft einfach eintragen .
Wie haben sich die Zahlen entwickelt?
Die Spendenbereitschaft hat sich dennoch nicht erheblich erhöht. In Deutschland warteten nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation Ende vergangenen Jahres knapp 8400 Patienten auf ein Spenderorgan. Dem standen 2900 Organspenden im Jahr 2023 gegenüber. Statistisch gesehen sterben täglich drei Menschen, die auf der Wartelist für ein Spenderorgan stehen. Seit März ist das Spenderegister online. Bislang sind dort 132 000 Erklärungen dokumentiert. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation weist aus, dass es von Januar bis Mai 2024 in Deutschland 382 Organspenden gegeben hat, das sind 2,8 Prozent weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Andererseits steigt die Zahl der Besitzer von Organspende-Ausweisen. 2010 gaben 25 Prozent der erwachsenen Bundesbürger an, einen Spenderausweis zu besitzen, heute sind es rund 40 Prozent.
Was soll sich bei der Widerspruchslösung ändern?
Nach den Vorstellungen der parteiübergreifenden Initiative soll künftig jeder volljährige und einwilligungsfähige Mensch als Organspender gelten, wenn er nicht zu Lebzeiten ausdrücklich – etwa durch einen negativen Vermerk im Spenderegister – widersprochen hat. Das wäre auch für Angehörige erleichternd, denn sie müssten nicht mehr den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen erkunden.
Wer bringt diesen Vorstoß ein?
Die Initiative geht von einer Gruppe von Abgeordneten unterschiedlicher Parteien aus. Gestern stellten sechs Abgeordnete ihr Konzept in der Bundespressekonferenz vor: Sabine Dittmer (SPD), Gitta Connemann (CDU), Armin Grau (Grüne), Christoph Hoffmann (FDP), Peter Aumer (CSU) und Petra Sitte (Linke).
Wie chancenreich ist der Vorstoß?
Der Bundestag hatte sich 2020 schon einmal gegen die Widerspruchslösung ausgesprochen. Seither haben allerdings die Zahlen gezeigt, dass die 2020 beschlossenen Ermutigungen zur Spende im Rahmen einer Zustimmungslösung wenig Wirkung gezeigt haben. Zudem wird der Gesetzentwurf der Verfechter der Widerspruchslösung diesmal deutlich weniger kompliziert sein. Damals wollte man eine doppelte Widerspruchslösung, bei der auch die nächsten Angehörigen einer Organentnahme widersprechen können. Das soll diesmal nicht Teil der Reform sein. Es könnte also durchaus sein, dass sich im Bundestag eine Mehrheit findet.
Was sagt der Minister?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war stets ein vehementer Befürworter der Widerspruchslösung. „Ohne dass wir allen zumuten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, werden die Organspendezahlen nicht signifikant steigen“, sagte er gestern. „Wer das Sterben auf der Warteliste beenden will, sollte diese Bundestagsinitiative unterstützen. “
Welche Bedenken gibt es?
Das Hauptargument der Gegner ist, dass die Zustimmung zur Organspende nur erschlichen wird, denn wer einer Organentnahme nicht aktiv widerspricht, hat damit eben noch kein grünes Licht gegeben: Schweigen ist keine Zustimmung – das ist der wesentliche Punkt der Kritiker.