Die Uhr läuft gegen den Schachverband Foto: Baumann

Die Schachfiguren bewegen sich, die Spieler meistens nicht. Genau deshalb werden dem deutschen Schachverband die Fördergelder gestrichen. Geschieht kein Wunder, ist bald Schluss.

Die Schachfiguren bewegen sich, die Spieler meistens nicht. Genau deshalb werden dem deutschen Schachverband die Fördergelder gestrichen. Geschieht kein Wunder, ist bald Schluss.

Berlin - Das deutsche Schach ist in heller Aufregung. Das Bundesinnenministerium (BMI) hat dem Deutschen Schachbund mitgeteilt, dass es dem Verband die Fördermittel streicht. Es geht um jährlich 130 000 Euro. Ein kleiner Betrag – dessen Wegfall aber eine große Wirkung erzeugt. Mit dem Geld finanziert der Schachbund die Stellen des Bundestrainers und des Sportdirektors. Betroffen von der Entscheidung ist ein Verband mit mehr als 90 000 Mitgliedern, der größer ist als der Eishockey- und Hockeyverband, größer auch als der Ruderverband.

Hintergrund der Entscheidung sind geänderte Förderrichtlinien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die für die Entscheidung des Ministeriums maßgebend sind. Darin heißt es: „Die Ausübung der Sportart muss durch eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität des Sportlers gekennzeichnet sein, die nicht überwiegend in der Bewältigung technischen motorgetriebenen Geräts besteht. Diese eigenmotorische Aktivität liegt insbesondere nicht vor bei Denksport-, Geschicklichkeits- und Glücksspielen, Bastel-, Funk-, Computer- und Modellbautätigkeiten.“

Diese Gleichstellung des Schachs mit Modelleisenbahnern und Sandburgen-Bauern finden die Schachspieler empörend. Vor allem aber verweist der Schachbund darauf, dass der DOSB selbst Schach weiter für förderwürdig hält. Tatsächlich hatte auf der entscheidenden Sitzung des DOSB, im Dezember 2013, Christa Thiel, die Vorsitzende des Leistungssport-Ausschusses, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie Schach ungeachtet der Formulierungen in den Richtlinien weiter für förderwürdig hält.

Der Sprecher des DOSB, Christian Klaue, bestätigt gegenüber unserer Zeitung diese Position. Die Mitgliederversammlung habe „die Fördersystematik für den nicht-olympischen Spitzensport beschlossen und dafür votiert, dass Schach auch weiterhin die Förderwürdigkeit zuerkannt wird.“ Denn „Schach sei eine vom IOC anerkannte Sportart und langjähriges Mitglied des DOSB/DSB.“ Tatsächlich wird Schach seit 1976 durchgehend vom BMI gefördert.

Doch wenn kein Wunder geschieht, ist bald Schluss. Eine Sprecherin des Ministeriums verwies auf Anfrage unserer Zeitung darauf, dass das Ministerium „schon aus Gründen der Gleichbehandlung darauf achten“ müsse, „dass die Kriterien der neuen Fördersystematik einheitlich auf alle Verbände angewendet werden.“

Tatsächlich kann man die Rolle des DOSB seltsam finden. Die Richtlinien sind eindeutig. Aber sie widersprechen den Bekundungen, dass Schach mit dem Ausschluss des „Denksports“ nicht gemeint sei. Das ist auch der Politik aufgefallen. „Da muss man den Ball an den DOSB zurückspielen“, sagt Eberhard Gienger, der sportpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. „Wenn das die Meinung des DOSB ist, dann darf er eben einen solchen Beschluss nicht fassen, der für die Politik handlungsleitend ist.“ Dort sei nämlich „Schach direkt und im Grunde unmissverständlich angesprochen“.

Gienger macht den Schachspielern wenig Hoffnung: „Unter den momentan gegebenen Voraussetzungen kann ich mir nicht vorstellen, dass der Bund weiter Gelder zur Verfügung stellen wird.“ Schon deshalb, weil eine Korrektur Folgen hätte. Gienger: „Natürlich würde eine Veränderung der Entscheidung beim Schach auch wieder andere Verbände auf den Plan rufen. American Football ist zum Beispiel in einer ähnlichen Situation.“ Für die Politik könne dies nur heißen: „Sie muss sich an die Regeln halten, die sich der deutsche Sport selbst gegeben hat.“

Immerhin weist Gienger sehr vorsichtig einen anderen Weg: Vielleicht ließe sich ja im Kulturetat etwas machen. „Schach als Kulturgut in den Vordergrund zu stellen ist sicher ein guter Ansatz. Da kann ich mir schon vorstellen, dass bei einer relativ bescheidenen Summe, um die es da geht, ein Versuch nicht ganz chancenlos ist.“ Der Schachbund hofft derweil auf den DOSB.