Müll auf dem Schlossplatz in Stuttgart Foto: Moritz

Der Abfallwirtschaft fehlt ein sechsstelliger Betrag, um die Stadt sauber zu halten.

Stuttgart - Von wegen Let's putz. Die Kehrwoche war gestern. Stuttgart, der Stadt mit dem Meister-Proper-Image in Deutschland, fehlt das Geld für saubere Wege und Straßen. Bürger sind entsetzt, der Städtereinigung sind die Hände gebunden. "Uns fehlt ein sechsstelliger Betrag", sagt AWS-Geschäftsführer Heß .

Der Uralt-Streifen "Vom Winde verweht" hat schon manche Dame tief bewegt. Die Romanze zwischen Scarlett O'Hara (Vivien Leigh) und Rhett Butler (Clark Gable) rührt einfach zu Tränen. Die Wirkung von wehenden Winden hat auch Iris Bürger-Bremser zuletzt zugesetzt. Der Stuttgarterin ist bei ihren Spaziergängen in der Helfferichstraße am Killesberg oder bei der Liederhalle am Berliner Platz oft zum Heulen zumute. Sie erkennt ihre Stadt kaum wieder. Ihr Stuttgart vermüllt. An vielen Orten. In der Königstraße genauso wie in kleinen Straßen aller Stadtteile.

Dreck, Abfall, Plastikmüll.

Und wenn dann auch die Winde in heftigen Böen wehen, treibt es der Dame vom Fleckenweinberg tatsächlich die Tränen ins Gesicht. "Manchmal fliegt mir der Dreck der Straße in die Augen", sagt sie, "überall liegt Müll oder festgetretenes Laub vom Herbst." Es sei ein Jammer. Sie findet diese "dreckige Stadt schrecklich, entsetzlich". Aber Iris Bürger-Bremser ist eine Frau der Tat. Sie weiß: Den Müllberg bewegt man nicht durch Bitten. Schon gar nicht durch Lamentieren. Also greift sie zum Telefon, wählt die Nummer vom Amt für öffentliche Ordnung und fällt aus allen Wolken.

Herr G., dessen Name ungenannt bleiben soll, sucht erst gar nicht nach Ausreden. Im Gegenteil: Herr G. öffnet sein Herz: "Liebe Frau, ich verstehe ihren Kummer, aber uns sind die Hände gebunden. Uns fehlen Geld und Maschinen." Im Stuttgarter Norden gebe es keine Kehrmaschinen mehr. Und die fünf fleißigen Männer, die früher als Ein-Euro-Jobber den Müll aufsammelten, habe man entlassen. So habe man pro Jahr 8000 Euro eingespart. "Wir wissen derzeit nicht einmal, wie wir den Splitt des Winters von den Wegen und Straßen bekommen sollen", klagt der Mann vom Amt. Auch er versteht die Welt nicht mehr. Erst neulich habe er in unserer Zeitung gelesen, dass Stuttgart eine der säubersten Städte in Deutschland sein soll. Auch Iris Bürger-Bremser kann darüber nur lachen: "Frankfurt als Drittletzer in dieser Rangliste ist viel sauberer. Stuttgart, sauber!? Das war vielleicht einmal."

Sauber wie geschleckt - das war gestern

Es waren Zeiten, in denen Alt-OB Manfred Rommel das Selbstverständnis der Stuttgarter in dem Spruch bündelte: "Mir hen da Dreck erfunde, damit mer was zum Putze hen." Dies wurde jenseits der Landesgrenzen mitunter belächelt, aber der Hang des Schwaben zur Sauberkeit war imageprägend. Gleiches gilt für die Kehrwochen-Aktion "Let's putz", die Oberbürgermeister Wolfgang Schuster initiierte. Wie auch immer: Damals war das Trottoir noch sauber. Auf gut Schwäbisch: "Es sah aus wie geschleckt."

Aber das kann die AWS - also der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart - heute nicht mehr leisten. Auch die Männer und Frauen von Geschäftsführer Thomas Heß sehen den Müll in der Stadt - haben aber in diesem Fall keinen Dreck am Stecken. Die AWS ist lediglich Dienstleister der Stadt. Wenn man so will, sind es Saubermänner, die nur unter bestimmten Rahmenbedingungen ordentliche Arbeit leisten können. Thomas Heß und der AWS steht nur ein begrenztes Budget zur Verfügung.

"Sparzwänge", sagt Thomas Heß entschuldigend, "uns fehlt ein sechsstelliger Betrag. Wenn man die Situation ändern will, muss man eben mehr Geld in die Hand nehmen." Es sei nicht seine Entscheidung zu sagen, "was sinnvoll, notwendig oder wünschenswert ist". Gleichzeitig bedauert Heß, dass die Moral der Bürger gesunken sei. Oft beobachtet er, wie Passanten ihren Müll einfach auf die Straße werfen. "Umwelt lebt vom Mitmachen. Da muss jeder sein Scherflein beitragen", sagt er und wünscht sich, dass Themen wie Umwelt und Mülltrennung wieder offensiver in den Kindergärten und Schulen angesprochen werden. "Auch hier würde es sich lohnen, etwas Geld auszugeben."

Das liebe Geld. Immer dann, wenn es in Stuttgart irgendwo ausgeht oder fehlt, ist Michael Föll am Zug. Aber in diesem Fall fühlt sich der Finanzchef und Erste Bürgermeister nicht angesprochen. "Wir haben den Etat bei der Straßenreinigung nicht gekürzt", sagt Föll überrascht, "die AWS hat das gleiche Budget wie im Vorjahr - ohne Einschnitte." Natürlich sei Föll bewusst, dass man mehr für die Sauberkeit der Stadt tun könne, wenn man mehr Geld dafür ausgebe. Aber dann müsse diese auch von der AWS angesprochen werden: "Wir können in den Haushaltsberatungen nur darüber diskutieren, wenn wir wissen, dass da ein Bedarf da ist und geltend gemacht wird."

Daran besteht kein Zweifel. Die Tränen von Iris Bürger-Bremser sind der beste Beweis.