Das Volksfest hat ein Lärmproblem. 2012 sollen daher in den Zelten neue Regeln gelten. Foto: dpa

Veranstalter in.Stuttgart nimmt Münchner Vereinbarung zum Vorbild – Wirte fürchten Kosten.

Stuttgart - Auf dem Cannstatter Wasen sollen bereits zum Frühlingsfest neue Regeln zur Einhaltung der Lärmwerte gelten. Der Veranstalter in.Stuttgart will sich die in München für das Oktoberfest gültigen Regularien zum Vorbild nehmen. Die Festwirte reagieren reserviert.

 

Die auf dem jüngsten Volksfest gemessenen Lärmwerte werden Konsequenzen haben. Bis zu 100 Dezibel seien im Zelt erreicht worden, sagte Umweltbürgermeister Mathias Hahn (SPD) vor drei Wochen bei einer Veranstaltung unserer Zeitung. Der für den Rummel zuständige in.Stuttgart-Geschäftsführer Andreas Kroll hatte damals noch abgewiegelt. Die 100 Dezibel - das ist viermal so laut wie die erlaubten 80 Dezibel - seien "Spitzenwerte".

"Es gibt nichts zu verniedlichen"

Inzwischen liegt unserer Zeitung das Messprotokoll der Firma Braunstein und Berndt vor. Als Spitzenwert wurden nicht 100, sondern 110,7 Dezibel gemessen. Die Mittelwerte aus sieben Zelten reichen von gemäßigten 83,9 Dezibel an einem Sonntagvormittag bis 100,1 Dezibel. In keinem einzigen Zelt werden die vertraglich festgelegten Mittelwerte eingehalten. Je zehn Dezibel werden als Verdoppelung der Lautstärke wahrgenommen.

"Auf dem Volksfest ist es in den letzten Jahren nicht leiser geworden, da gibt es nichts zu verniedlichen", sagte Kroll am Freitag auf Anfrage. Damit liegt Kroll nicht falsch. Bei einer Messung im Jahr 2002 waren Mittelwerte von 86 bis 94 Dezibel notiert worden. Der Spitzenwert lag ebenfalls bei 94 Dezibel.

In.Stuttgart habe seinen Schwerpunkt 2011 auf die Sicherheit auf dem Gelände gelegt. 2012 wolle er aber das Thema Lärm angehen, so Kroll. Zu einer Veränderung brauche es "auch den politischen Willen", mahnt der Geschäftsführer Unterstützung an. Aus dem Gemeinderat gibt es bereits Forderungen nicht nur nach einer verbesserten Kontrolle. Auch die Münchener Regelung mit Lärmbegrenzern steht zur Debatte.

Münchener Wirte werden überwacht

Kroll warnt davor, "die Existenz der Veranstaltung zu gefährden". Mit den bisher erlaubten 80 Dezibel dringe eine Musikkapelle in einem voll besetzten Festzelt jedenfalls "nicht durch". Daher habe die Landeshauptstadt München für das Oktoberfest 85 Dezibel, ab 18 Uhr und an Samstagen ganztägig 90 Dezibel festgelegt. Die dortigen Werte werden technisch mit Begrenzern überwacht. Sie regeln Musikanlagen automatisch nach unten, wenn eine Überschreitung gemessen wird. "Die Münchener Regelung wäre ein tragfähiges Ziel", so Kroll. Außerhalb der Zelte sollen weiterhin 80 Dezibel gelten.

Eine Anpassung könnte schwierig werden, weil viele Brauereien und Festwirte länger laufende Verträge besitzen. "Ich bin seit 2005 dabei, mein Vertrag gilt noch ein paar Jahre", sagt zum Beispiel der Wirt Peter Brandl. In seinem Zelt habe es keine Beschwerden gegeben. "Wir zahlen unsere Kapellen nicht für eine Kaffeeklatsch-Veranstaltung, wir müssen einen Unterhaltungswert bieten", zeigt sich Brandl reserviert. Die Grenzwerte sollten diskutiert werden, sagt er. Technische Begrenzer "kosten uns ein Vermögen" befürchtet Brandl.

"Zum Thema Lärm ist bisher keiner an uns herangetreten", fordert der Wirtesprecher Werner Klauß die Offenlegung des Lärmgutachtens. Den Wirten längen die Messergebnisse nicht vor. "Jeder hat andere Vorstellungen, wie laut die Musik sein sollte, das ist stark vom Publikum abhängig", sagt er. Die jetzt festgeschriebenen 80, in der Spitze 85 Dezibel hält er für zu gering. Sie würden schon erreicht, "wenn sich 30 Leute in einem Raum unterhalten".

Im Konsens mit den Wirten und Schaustellern

Falls die Benutzungsordnung für das Cannstatter Volksfest und das Stuttgarter Frühlingsfest in Sachen Lärm geändert werden sollten, müsse das Regelwerk auch an anderer Stelle überarbeitet werden, fordert Klauß eine grundlegende Revision: "Es steht vieles drin, was nicht mehr zeitgemäß ist." Anfang 2012 solle es dazu ein Gespräch mit in.Stuttgart geben.

Klauß warnt die Stadt davor, auf dem Gelände des früheren Cannstatter Güterbahnhofs gegenüber dem Wasen neue Wohnbebauung zuzulassen. "Wenn die kommt, sehe ich den ganzen Wasen gefährdet", so Klauß. Der Rummel sei inzwischen ein Aushängeschild für die Stadt. "Vier Millionen Besucher bringen viel Geld hierher. Während des Volksfestes ist kein Hotelbett mehr zu bekommen."

Kroll weiß um die wirtschaftliche Bedeutung. "Es geht um eines der wichtigsten Feste des ganzen Landes. Wir haben das Volksfest über die Jahre qualitativ verbessert", so der Geschäftsführer. Neue Regeln sollten daher "im Konsens mit den Wirten und Schaustellern gefunden werden". Die Benutzungsordnung kann der Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats ändern. Die teils über Jahre laufenden Verträge müssten aber über Nachträge angepasst werden. "Mir liegt noch keine abgestimmte Meinung der Festwirte vor", so Kroll. Das nächste Frühlingsfest wird in.stuttgart vom 21. April bis zum 13. Mai ausrichten.