Ungleiche Partner: Beim ersten Besuch Angela Merkels bei Donald Trump im Weißen Haus im März vergangenen Jahres blieb der Händedruck aus. Foto: dpa

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wissen, dass sie die USA brauchen. Und die USA brauchen eigentlich auch die Europäer. Doch ob US-Präsident Donald Trump das genauso sieht, ist offen, meint unser Kommentator Michael Weißenborn.

Stuttgart/Washington - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist in Washington drei Tage lang mit größtmöglichem Bahnhof empfangen worden. Im Vergleich dazu darf Bundeskanzlerin Angela Merkel nur zu einem knapp vierundzwanzigstündigen „Arbeitsbesuch“ im Weißen Haus vorbeihuschen. Die große persönliche Wertschätzung Donald Trumps für Macron hat Frankreichs Einfluss in den USA gestärkt. Mit dem Charme des politischen Rockstars Macron kann die nüchterne Kanzlerin natürlich nicht mithalten. Der dünnhäutige Trump hat nicht vergessen, dass Merkel ihn gleich nach seiner Wahl – unklug – zur Einhaltung von Demokratie und Menschenrechten angehalten hat. Und mit Blick auf die negative amerikanisch-deutsche Handelsbilanz ziehen die „schlimmen, sehr schlimmen Deutschen“ regelmäßig Trumps zornige Tweet-Gewiter auf sich.

Doch allzu viel sollte man auf die unterschiedlichen Charaktere und Stile der beiden wichtigsten europäischen Staatenlenkernicht geben. Und auch nicht auf deren unterschiedlichen protokollarischen Einstufung. Denn die transatlantische Interessenlage Deutschlands und Frankreichs ist praktisch deckungsgleich. Das zeigt sich bei den beiden wichtigsten Themen auf der Besuchs-Agenda – dem Atomabkommen mit dem Iran und dem drohenden Handelskonflikt. Dringen Macron und Merkel bei Trump durch? Sollte er den Atomdeal brechen, so ihre Argumentation, wird er den Iran auch nicht zu einer verantwortungsvollen Macht umformen und den Konflikt mit Nordkorea erst recht nicht lösen. Wichtiger noch: Können die Europäer dem US-Präsidenten klar machen, dass Handelskriege keineswegs „gut und leicht zu gewinnen sind“, wie er getwittert hat, sondern schlecht für alle Beteiligten?

„Dafür, aber nicht dabei“

Bei aller regelmäßig auftretenden Schwärmerei von der „strategischen Autonomie“ insbesondere in Frankreich, sind sich Macron und Merkel völlig im Klaren darüber, dass eine harte transatlantische Abkoppelung von den USA tunlichst zu vermeiden ist. Viel zu groß ist immer noch die Abhängigkeit von Amerikas Sicherheitsgarantie. Umgekehrt ist aber auch Europa für die USA ökonomisch und geopolitisch viel zu wichtig, als dass die Weltmacht es sich leisten könnte, sich einfach isolationistisch abzuwenden. Es wird aber höchste Zeit, dass Europa endlich mehr zu einem strategischen Akteur und Garanten – auch militärisch – der liberalen Ordnung wird. Da ist Frankreich schon weiter als Deutschland. Paris wurde daher in Washington zuletzt auch viel ernster genommen als Berlin mit seinem „dafür, aber nicht dabei“ in Syrien.

Überall auf der Welt steht die liberale Demokratie unter Druck. Auch Europa ist gefährdet: Russland droht aggressiv gen Westen, expandiert nach Nahost und Nordafrika. Der Iran ist über Syrien bis ans Mittelmeer herangerückt. Und auch auf Europas Nachbarkontinent Afrika herrscht beileibe kein Mangel an Konfliktherden. Auch deshalb ist Macrons Initiative zur Erneuerung Europas so wichtig, um Frieden und Freiheit zu verteidigen. Macron und Merkel wissen, dass dieses Ziel am besten mit den USA gemeinsam erreicht werden kann. Weshalb der gegenwärtige Inhaber im Weißen Haus so wichtig ist für die Reisediplomatie der Europäer.

Fehlende Gemeinsamkeiten

Die offene Frage ist nur: Sieht das der amerikanische Präsident genauso? Sucht er den erneuerten Schulterschluss mit den kompromissbereiten europäischen Verbündeten oder will er die Kooperation lieber platzen lassen? Beim ersten Besuch Merkels in Washington im Frühjahr 2017 sorgte der fehlende gemeinsame Händedruck für Wirbel. Diesmal könnte es das Fehlen gemeinsamer Ziele sein.

michael.weissenborn@stuttgarter-nachrichten.de