Ein christlich-konservativer Chor und ein Flüchtlingsjunge mit Angebersonnenbrille: In Martin Buskers Tragikomödie „Zoros Solo“ treffen Welten aufeinander. Die Musik dazu stammt vom Stuttgarter Hymnus-Knabenchor.
Stuttgart - Eigentlich steht Mert Dincer eher auf Hip-Hop als auf christliche Chormusik. „Damit bin ich vor ‚Zoros Solo’ noch nie in Berührung gekommen“, sagt der 16-Jährige bei der Premiere der Tragikomödie im Stuttgarter Atelier am Bollwerk. Wenn er seine Figur auf der Leinwand glockenhell singen hört, klingt es für ihn noch immer etwas fremd. Vielleicht auch, weil die Stimme in Wahrheit gar nicht seine eigene ist. In Martin Buskers Film über die Vorurteile einer konservativen Chorleiterin spielt Mert Dincer den afghanischen Flüchtlingsjungen Zoro. Um seinen Vater in Ungarn zu treffen, tritt dieser in einen christlichen Knabenchor ein und zeigt dort unerwartete Talente.
40 Sänger des Hymnus-Knabenchors nahmen den Soundtrack auf
In Wirklichkeit ist es jedoch Marc Beckmann, den man als Stimmdouble im Film singen hört. Seit sechs Jahren gehört der 13-Jährige den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben an. „Als er sich gerade im Kino gehört hat, war er oberstolz“, sagt der Chorleiter Rainer Homburg. Insgesamt vierzig Hymnus-Knaben sind in „Zoros Solo“ zu hören. Während die Schauspieler Mimik und Ausdruck liefern, klingen aus ihren Mündern die Stimmen der Jugendlichen. Im Studio haben sie den Soundtrack aufgenommen, eine neue Erfahrung für den Chor, der normalerweise ausschließlich live singt. Mit Kopfhörern auf den Ohren performten sie während der Dreharbeiten eigens für den Film komponierte Stücke. „Wir mussten auch Stimmengewirr aufnehmen. Als wir das jetzt im Kino gehört haben, war es eine große Überraschung“, so Homburg. Damit nicht nur der Klang, sondern auch der Choralltag auf der Leinwand so realistisch wie möglich aussieht, besuchte das Filmteam den Knabenchor mehrmals während der Proben. Man habe sich Abläufe und Verhaltensweisen abgeschaut, erinnert sich Homburg: „Die Vorstellungen des Regisseurs waren am Anfang schon etwas anders. Die Stimmen sollten zum Beispiel tiefer sein. Das haben wir dann der Realität angepasst.“
Filmteam besuchte den Stuttgarter Chor bei den Proben
Den Kontakt zwischen dem Chor und der Filmcrew stellte die Produzentin Kathrin Tabler her, die aus Bietigheim-Bissingen stammt. Sie war es auch, die sich für eine kleine Stadt vor Stuttgart als Drehort einsetzte. Denn der Ort, in dem sich Frau Lehmann und Zoro auf der Leinwand langsam annähern, ist in Wahrheit die Altstadt von Besigheim.
Mehrere Bewohner der örtlichen Flüchtlingsunterkunft waren während der Dreharbeiten am Set und sind als Komparsen im Film zu sehen. „Man kam mit den Leuten ins Gespräch und hat ihre Geschichten kennengelernt“, so Andrea Sawatzki, die im Film die Rolle der bärbeißigen Frau Lehmann spielt. „Ich wünschte, mehr Menschen würden sich die Mühe machen, auf diese Weise Kontakt zu suchen.“ Die Figur, die sie in „Zoros Solo“ verkörpert, ist der Inbegriff spießbürgerlicher Vorurteile: Ausländer mag sie nicht, Kinder ebenso wenig, Flüchtlingsjungen findet sie gottlos, frech und schlecht erzogen. Erst als sie Zoro kennenlernt, ändert sie ihre Haltung. „Ich mag, wie sich das Vorurteil langsam über die Musik abbaut“, sagt Sawatzki. Doch Frau Lehmanns Einstellung finde man in der Gesellschaft wieder: „Menschen sprechen, ohne wirklich Ahnung zu haben. Sie wiederholen, was sie irgendwo aufgeschnappt haben – eine eigene Meinung ist das nicht.“