Michael Rapp (rechts) und sein junger Kompagnon Nico Grockenberger wollen den Laden noch einmal richtig rocken, bevor es am 31. Dezember mit dem Täle vorbei ist. Foto: Eva Herschmann

Das Wirte-Trio wird zum Jahresende das Zom Täle in Urbach schließen. Mögliche Nachfolger sind nicht in Sicht. Somit endet wohl eine rund vier Jahrzehnte währende Lokalgeschichte.

Michael Rapp hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Einige schlaflose Nächte hat sie den 54-jährigen Wirt der Kulturkneipe Zom Täle in Urbach gekostet. Doch sein Entschluss steht fest, und seine Partner Nico Grockenberger und André Mayer tragen ihn mit. Im Urbacher Freibad, in dem das Trio den Kiosk betreibt, machen sie schon zu dieser Saison Schluss. Zum Jahresende werden sie dann auch die Livemusik-Kneipe mit Kultcharakter zumachen. Das dürfte das dauerhafte Ende für das Lokal bedeuten, das seit gut vier Jahrzehnten eine Institution in Urbach ist. Denn ein Nachfolger ist nicht in Sicht, zudem müsste für eine Zukunft erst einmal einiges im Haus auf Vordermann gebracht werden.

Während der Fußballweltmeisterschaft im vorigen Sommer hat es das Täles-Team mit seiner Boykott-Aktion „Kultur kickt Katar“ bis in die ARD-Tagesthemen geschafft. Dennoch soll nun Schluss sein – mit Events, Livekonzerten, vor allem aber auch mit einem Stück „Urbacher Kultur“, wie Martina Fehrlen, Bürgermeisterin in der Remstalgemeinde, das Ende des Täles bedauert.

Große Schäden am Haus

Mehrere Gründe hätten den Ausschlag für das zum 31. Dezember angekündigte Ende gegeben, berichtet Michael Rapp. Das sei die Coronazeit, die sich noch immer auf das Ausgehverhalten der Menschen auswirke. „Es kommen längst nicht mehr so viele wie früher zu den Livekonzerten.“ Auch die steigenden Unterhaltskosten machten das Wirtschaften nicht einfacher. „Ich kann für ein Bier keine 5 Euro verlangen, würde aber meinen Leuten am liebsten 15 Euro Mindestlohn zahlen.“ Zudem merke er langsam sein Alter, sagt Rapp. „Meine Lebensplanung soll ruhiger werden.“ Und nicht nur er und sein gleichaltriger Kompagnon André Mayer seien in die Jahre gekommen, sondern auch das Haus. Sie hätten mehrere Wasserschäden in kurzer Zeit gehabt, und das sei längst nicht das einzige Problem. Man müsse inzwischen Angst haben, dass das ganze Haus auseinanderfalle, wenn man einen Nagel aus der Wand ziehe oder das Efeu an der Außenfassade entferne. „Der Eigentümer weiß selbst nicht, was er damit anfangen soll.“

Weil ohne Investitionen ein weiterer Kneipenbetrieb kaum möglich ist, wird das Ende des engagierten Wirte-Trios wohl auch das der Kulturkneipe Zom Täle sein. Doch bis dahin werden sie noch ein musikalisches „Feuerwerk abbrennen“, verspricht Michael Rapp. „Wir machen jede Woche Konzerte. Wir haben Anfragen ohne Ende für Auftritte. Die kriegen wir dieses Jahr gar nicht mehr alle unter.“ Musiker, die oft und gerne im Täle gespielt haben, wie Dieter Voral, bedauern, dass bald Schluss ist. „Es gibt auch nicht mehr so viele Locations zum Auftreten“, sagt der Leiter einer Musikschule und Flamenco-Gitarrist mit Künstlernamen Pepe de Alida. Er wird im Sommer auch noch einmal im Täle aufspielen.

Achim Grockenberger, der Leiter des Ordnungs- und Kulturamts Urbach – und Vater von Nico Grockenberger – findet es schade, dass das Täle schließt. „Ich verstehe nicht, warum die Leute lieber zu Helene Fischer gehen und mit dem Fernglas gucken, anstatt hautnah Livemusik zu genießen.“ Oder, dass zum DJ-Abend beim „Viva Urbach“-Festival mehr Leute in der Halle gewesen seien als bei Konzerten der Bands.

Das Täle spüre, dass Livemusik unter dem Internet leide, sagt Michael Rapp. „Die Zeiten haben sich eben geändert. Früher hat man sich eine Langspielplatte gekauft und das als Gesamtkunstwerk betrachtet. Heute stellt man sich eine Playlist zusammen mit lauter unterschiedlichen Titeln.“ All das trage dazu bei, dass er sich manchmal „fucking cool und fucking alt“ fühlt, sagt Michael Rapp mit einem Grinsen. Er habe sich nie mit 60 Jahren noch hinter dem Tresen stehen sehen und sehne sich danach, ab und an früher ins Bett zu kommen.

Ehrenamt, Mini-Job oder Studium

Zwölf Jahre Gastronomie, im Rubberduck in Schorndorf, im Blauen Affen in Winterbach und sechs Jahre im Täle haben bei dem Wirt Spuren hinterlassen. „Wir haben es nie wegen des Geldes gemacht, sondern aus voller Überzeugung, weil das unser Leben ist“, sagt Michael Rapp. Zu alt, um etwas Neues zu beginnen, fühlt er sich nicht. „Ich brauche eine Aufgabe.“ Vielleicht werde er ehrenamtlich oder als Mini-Jobber im sozialen Bereich arbeiten, in der Jugendkultur oder der Migrationshilfe. „Ich habe viel gesehen in meinem Leben, das kann hilfreich sein.“ Vielleicht studiere er noch mal, etwa Geschichte und vergleichende Religionswissenschaft. „Aber ich mache sicher keine Kneipe mehr. Es gibt nur das Täle, danach kann nichts mehr kommen.“

So sieht es auch André Mayer, der nebenbei DJ ist. Nico Grockenberger, mit 23 Jahren der jüngste Täles-Macher und eigentlich Mechatroniker von Beruf, könnte sich zwar vorstellen, als Hobby wieder einmal eine Kneipe zu betreiben. „Aber nur, wenn sie so wäre wie das Täle: urig und krumm.“