Es gibt handfeste Hinweise, dass der Staat gerade rund um die Abgaben, die Autofahrer zu bezahlen haben, also Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Maut, ein bürokratisches Monstrum aufbaut. Foto: Fotolia

Von April 2014 treibt der Zoll die Kfz-Steuer ein: Von heißen Druckern, Millionen Mahnschreiben und satten Milliardengeschäften.

Von April 2014 treibt der Zoll die Kfz-Steuer ein: Von heißen Druckern, Millionen Mahnschreiben und satten Milliardengeschäften.

Berlin - Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag ist kaum trocken, die SPD-Führung muss noch um die Zustimmung an der Basis werben, und schon zeichnet sich ab, dass ein zentrales Vorhaben von CDU, SPD und CSU im gesetzgeberischen Treibsand stecken bleiben dürfte. Deutlicher gesagt: Die Umsetzung der Pkw-Maut droht, in einem großen Chaos zu versinken.

Im Koalitionsvertrag heißt es, „dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute“, wenn die Pkw-Maut kommt und alle Autobahnbenutzer eine Vignette kaufen müssen. Im Klartext heißt dies, dass jeder Autofahrer, der eine Vignette gekauft hat, dafür an anderer Stelle finanziell entschädigt werden soll. Die Entschädigung der Autofahrer soll über eine Gutschrift bei der Kfz-Steuer laufen.

Die politische Entscheidung für eine Pkw-Maut trifft die Verwaltung in einer heiklen Phase. Von Juli 2014 an treiben nicht mehr die Länder die Kfz-Steuer ein, dann ist der Zoll dafür zuständig. Aber schon jetzt winkt der Chef der Zoll- und Finanzgewerkschaft, Klaus H. Leprich, in Sachen Pkw-Maut ab. „Wenn nun auch noch die Aufgabe auf den Zoll zukommen sollte, bei der Vignettenlösung für die Kompensation über die Kfz-Steuer zu sorgen, prophezeie ich fundamentale Umsetzungsschwierigkeiten“, sagt der Gewerkschaftschef im Gespräch mit unserer Zeitung. Leprich weiter: „Wenn der Zoll 2014 die Kfz-Steuer schultert, ist unsere Personalausstattung schon sehr bedenklich auf Kante genäht.“

"Diesen schwachsinnigen Verschiebebahnhof darf der Finanzminister nicht mitmachen"

Schon die reine Erhebung der KfZ-Steuer bringt den Zoll ins Schwitzen. Zunächst sollten 1771 Staatsdiener, die auch wegen der Bundeswehr-Reform in der Verwaltung nicht mehr gebraucht werden, zum Zoll gehen und die Aufgabe übernehmen. Doch daraus wurde nichts, weil die Bundeswehr noch nicht auf so viele Beamten verzichten konnte. Nun arbeiten sich mehrere Hundert Staatsdiener, die früher bei den Staatsunternehmen Telekom und Post beschäftigt waren und jetzt beim Nachfolgeunternehmen Vivento unter Vertrag stehen, beim Zoll ein. Nach Beschluss des Haushaltsausschusses vor wenigen Wochen sollen sie aber wieder gehen, wenn das Verteidigungsministerium das Personal dann doch komplett bereit stellen kann. Leprich schimpft: „Diesen schwachsinnigen Verschiebebahnhof darf der Finanzminister nicht mitmachen. Wenn sich die Leute von der Post und Telekom bewähren, darf man sie doch nicht nach zwei Jahren wieder nach Hause schicken.“

Es gibt handfeste Hinweise, dass der Staat gerade rund um die Abgaben, die Autofahrer zu bezahlen haben, also Kfz-Steuer, Mineralölsteuer und Maut, ein bürokratisches Monstrum mit vielen Köpfen aufbaut, bei dem niemand mehr den Durchblick hat. Und das kommt so: Im Jahr 2009 hatte sich der Bund mit den Ländern geeinigt, dass die Kfz-Steuer, die bis dahin eine Ländersteuer war und von den Finanzämtern eingetrieben wurde, künftig an den Bund wandert und von 2014 an nicht mehr durch die Länderfinanzverwaltung eingetrieben wird, sondern dann durch eine Bundesbehörde – wie jetzt der Zoll.

Vor dem Stabwechsel tickt die Uhr. Beim Zoll steigt die Nervosität. In den nächsten Monaten geben die einzelnen Bundesländer Zug um Zug die Kfz-Steuer an den Zoll ab. Nordrhein-Westfalen schaltet im Februar um, der Südwesten im April, bis zum 1. Juli muss der Wechsel von den Ländern zum Bund endgültig vollzogen sein.

Schlechte Zahlungsmoral vieler Autohalter

Gewerkschafter Leprich sieht noch erhebliche Probleme: „Die Zollgewerkschaft ist sich zum jetzigen Zeitpunkt nur sicher, dass bis dahin die Computerprogramme laufen und einer grundsätzlichen Erhebung der Kfz-Steuer durch den Zoll nichts im Wege steht.“ Bei allem, was über die routinemäßige Erhebung hinaus geht, werde es aber schwierig. So sei etwa die Zahlungsmoral vieler Autohalter schlecht. Die Finanzämter verschickten jedes Jahr allein 50 Millionen Mahnschreiben. Vielfach zahlten die Autofahrer auch nicht nach mehrmaliger Mahnung. Leprich: „Ich mache mir große Sorgen, dass genügend Personal vorhanden ist, um dann die nötigen Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen.“ Wenn jetzt auch noch die Kompensation der Vignette vom Zoll über die Kfz-Steuer organisiert werden soll, dann dürfte der Wahnsinn ausbrechen..

Alarmierend sind auch diese Zahlen: Die Halter von zehn Millionen Pkw – immerhin rund ein Viertel des Bestandes – zahlen weniger als 100 Euro Steuer im Jahr. Wenn die Vignette 100 Euro kostet, ist die Verrechnung der Mautkosten über die Kfz-Steuer also bei Millionen von Pkws schon einmal nicht möglich.

Und schon jetzt spielen sich bei der Zollverwaltung höchst pittoreske Szenen ab: Es ist klar, dass die Datenverarbeitungssysteme von Finanzämtern und Zoll nicht kompatibel sind. Derzeit laufen in den Kfz-Steuer-Abteilungen der Finanzämter, wie zu hören ist, die Drucker heiß. Alle Fälle, die nicht abgeschlossen sind – etwa bei säumigen Zahlern oder Firmenpleiten – werden auf Papier ausgedruckt. Die Akten werden in Umzugskartons verstaut und gehen in nächster Zeit an die 42 Hauptzollämter mit ihren 280 Zollämtern, die für die Kfz-Steuer demnächst zuständig sind. Allein die Masse an Papier, die da verschoben wird, legt nahe, dass die Kartons niemals wieder angerührt werden. Alle säumigen Kfz-Steuerzahler dürfen also schon jetzt darauf spekulieren, dass ihre Akte wegen Personalmangels nie mehr gezogen wird.

Und wie werden die deutschen Autofahrer  entschädigt?

2009 war davon die Rede, dass der Bund die Kfz-Steuer von den Ländern übernimmt, um die Abgabe später mit der Mineralölsteuer und Maut-Lösungen intelligent und bürgernah verknüpfen zu können. Davon ist heute freilich nichts mehr zu hören. Leprich: „Zu meinem großen Erstaunen will das Finanzministerium bis auf weiteres an der Kfz-Steuer festhalten.“

Die düsteren Vorahnungen der Gewerkschaft lassen das Bundesfinanzministerium – zumindest nach außen hin – einigermaßen kalt. Ein Sprecher teilte unserer Zeitung mit: „Die Zollverwaltung ist gut darauf vorbereitet, im kommenden Jahr die Verwaltung der Kfz-Steuer zu übernehmen.“ Der Aufbau der Verwaltung verlaufe planmäßig. „Dies gilt insbesondere für den Bereich der Vollstreckung.“ Wie die deutschen Autofahrer eines Tages für den Kauf der Vignette an anderer Stelle wieder entschädigt werden, darüber müssen sich Beamte in einem anderen Ministerium noch den Kopf zerbrechen.

Und was ist mit den Ländern? Es kann nicht davon die Rede sein, dass sie in die Röhre schauen, wenn die Kfz-Steuer nun abwandert. Sie werden vom Bund dafür entschädigt. Alles ist minutiös geregelt: Dem Südwesten steht vom Ertrag der Kfz-Steuer jährlich 14,51618 Prozent zu – Jahr für Jahr überweist der Bundesfinanzminister so gut 1,3 Milliarden Euro in den Südwesten. Damit aber nicht genug: Der Bund bekommt bereits seit Juli 2009 die Kfz-Steuer, erhoben wurde sie bislang aber immer noch durch die Länderfinanzbehörden. Und die lassen sich diese Arbeit entlohnen: Fürs Eintreiben bekommt der Finanzminister im Südwesten zusätzlich noch einmal 24,68 Millionen Euro jährlich. Unter dem Strich also ein sattes Milliardengeschäft für die öffentliche Hand auf Landesebene.

Wenn die Finanzämter im Südwesten am 4.April endgültig die Akte Kfz-Steuer schließen, sind 130 Beamte im Land erst einmal ohne Aufgabe. Ein Sprecher von Finanzminister Nils Schmid (SPD) teilte den Stuttgarter Nachrichten mit: „Nach Schulungen werden die Beamten in anderen Bereichen der Steuerverwaltung eingesetzt.“ Wie zu hören ist, würde der Finanzminister die freien Stellen gern mit Steuerfahndern besetzen. Doch darüber ist das letzte Wort mit dem grünen Koalitionspartner offensichtlich noch nicht gesprochen.