Die Bischofsstadt will christliche Werte leben, nicht nur predigen: Rottenburg am Neckar. Foto: Stadtverwaltung Rottenburg am Neckar

Die Stadt Rottenburg am Neckar hat erneut ihr Angebot bekräftigt, Geflüchtete vom Rettungsschiff Sea-Watch 3 aufzunehmen. In wenigen Wochen könnte ein Teil von ihnen nach Deutschland kommen.

Stuttgart - Spätestens seitdem die Kapitänin Carola Rackete am vergangenen Wochenende verhaftet worden ist, dürfte der Name Sea-Watch vielen bekannt sein. Mitte Juni hatte die zivile Seenotrettungsgruppe 53 Menschen im Mittelmeer von einem Schlauchboot gerettet. Nach mehr als zwei Wochen auf See hatte Kapitänin Rackete das Schiff Sea Watch 3 mit 40 Migranten an Bord dann Ende letzter Woche unerlaubt in den Hafen von Lampedusa gesteuert. Die Verhaftung der Kapitänin war weltweit kritisiert worden.

Was hat Rottenburg damit zu tun?

Schon im Januar diesen Jahres ist Rottenburg dem Bündnis „Seebrücke Schafft sichere Häfen!“ beigetreten. In dem Bündnis haben sich bundesweit knapp 70 Kommunen zusammengetan. Sie erklären sich bereit, zusätzlich zu ihren bisherigen Kontingenten Flüchtlinge aufzunehmen, die aus Seenot gerettet wurden. Deutschland hat nun zugesagt, etwa ein Drittel der Menschen von der Sea-Watch 3 aufzunehmen.

„Wir haben nun noch einmal gezielt beim Bundesinnenministerium nachgefragt, was der Stand der Dinge ist“, sagte eine Sprecherin der Stadt Rottenburg am Neckar unserer Zeitung. „Wir wollten damit das Signal senden: Wir sind da, wir stehen zu unserem Wort.“

Lesen Sie hier: Wie war die Rechtslage beim Anlegen der Sea-Watch 3?

Wo könnten die Geflüchteten in Rottenburg unterkommen?

In der Stadt steht nach Angaben der Sprecherin eine Sammelunterkunft bereit. Die Geflüchteten, die dort untergebracht waren, konnten mittlerweile in bessere Wohnsituationen vermittelt werden. Eigentlich hätte man die Unterkunft nun stilllegen können. „Stattdessen halten wir sie jetzt wegen der Sea-Watch 3 aber noch länger bereit“, sagte die Sprecherin.

Zusätzliche Kosten entstehen der Stadt nach Angaben der Sprecherin dadurch nicht. Das Gebäude werde nicht nur zum Wohnen genutzt, sondern auch von zahlreichen Gruppen der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe für ihre Angebote. „Wäre die Unterkunft jetzt wie geplant diesen Monat still gelegt worden, wären die Gruppen umgezogen. Und dann wären hierfür ähnliche Kosten an anderer Stelle entstanden“, heißt es aus Rottenburg.

Warum will Rottenburg Flüchtlinge aufnehmen?

„Rottenburg ist Bischofsstadt und als solche ist es uns wichtig, dass christliche Werte nicht nur sonntags gepredigt, sondern auch im Alltag gelebt werden“, sagte die Stadtsprecherin unserer Zeitung. „Leben gilt es zu schützen in jedem Stadium.“

Neben Rottenburg zählen in Baden-Württemberg Freiburg, Karlsruhe, Mehrstetten, Heidelberg, Konstanz, Reutlingen und Tübingen zu dem Bündnis. Sie wollen mit der Initiative ein Zeichen der Solidarität und Mitmenschlichkeit setzen. Sie „sind bereit, ihren Beitrag zu leisten, die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer zu beenden“, heißt es in einer Erklärung des Bündnisses.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats kamen im laufenden Jahr bis Mitte Mai etwa 18.500 Menschen über das Mittelmeer nach Europa, 500 werden vermisst. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 sind demnach 3771 Menschen auf dem Mittelmeer gestorben.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Bundesinnenministerium erklärt auf Anfrage: Zunächst müssen sich die EU-Länder einigen, wer neben Deutschland den Rest der Geflüchteten aufnimmt. Die Gespräche dazu in der EU-Kommission dauern an. Diejenigen Menschen, die nach Deutschland kommen, werden vor dem Transfer medizinisch untersucht, registriert und durchlaufen eine Überprüfung durch deutsche Sicherheitsbehörden.

Die überstellten Personen werden in Deutschland zunächst ein Asylverfahren durchlaufen. Dafür werden die Geflüchteten entsprechend dem Königsteiner Schlüssel, der auch bei allen anderen Asylbewerbern zur Anwendung kommt, auf die Bundesländer verteilt.

Innerhalb der jeweiligen Bundesländer werden laut Innenministerium diejenigen Kommunen, die ihre Bereitschaft signalisiert haben, dann speziell berücksichtigt. „Die Aufnahmebereitschaft deutscher Städte und Gemeinden bezüglich der Personen an Bord der Sea-Watch 3 wird von der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt“, heißt es aus dem Innenministerium.

Falls am Ende tatsächlich Geflüchtete von dem Schiff in Rottenburg unterkommen, könnte dies laut Innenministerium noch „wenige Wochen“ dauern.