Nina Heidemeier (links) und Vanessa Oelmann haben einen Diebstahl vereitelt. Foto: factum/Weise

Es geschah vor ihren Augen, als die Schülerinnen im Bus heimfuhren: Zwei Frauen entwendeten einer älteren Dame die Geldbörse aus ihrer Tasche. Doch während die anderen Fahrgäste die Straftat weitgehend ignorierten, schritten die beiden Teeanger ein.

Ludwigsburg - Was ist zu tun, wenn man einen Diebstahl beobachtet? Da Zivilcourage zu zeigen fällt oft nicht leicht. Die Angst, selbst angegriffen zu werden, schreckt ab. Nina Heidemeier (16) und die Studentin Vanessa Oelmann (18) aus Hoheneck haben gehandelt. Sie haben in einem Bus einen Diebstahl verhindert und bekamen dafür den Zivilcouragepreis der Stadt Ludwigsburg. Der Erste Bürgermeister der Stadt, Konrad Seigfried, lobte die beiden: „Sie sind Vorbilder für andere und motivieren dazu, für andere einzutreten.“

Der Zwischenfall passierte im Januar. Die damals 15-jährige Nina Heidemeier war auf dem Nachhauseweg vom Goethe-Gymnasium, ihr Bus befand sich zwischen den Haltestellen Rathaus und Residenzschloss, als sie beobachtete, wie zwei Frauen einer alten Dame den Geldbeutel aus der Tasche nahmen. Die Schülerin sprach die Diebinnen an, sie sollten das Portemonnaie zurückgeben. Die Frauen aber verstanden offenbar weder Deutsch, noch machten sie Anstalten, ihre Beute herauszurücken.

Die Täterinnen flüchteten

Die Haltestelle kam, und die noch recht jungen Täterinnen stiegen schnell aus. Doch auch die 17-jährige Vanessa Oelmann hatte den Diebstahl mitbekommen. Auch bei ihr sträubte sich etwas dagegen, das Unrecht einfach so geschehen zu lassen. Das diebische Duo warf den Geldbeutel weg und lief davon. „Ich habe erst überlegt, die beiden zu verfolgen“, sagt Vanessa Oelmann. Dann hob sie das Portemonnaie auf und gab es der Besitzerin zurück. Keine drei Minuten dauerte der Vorfall, so lange wie die Fahrt zwischen zwei Haltestellen.

Die beiden Jugendlichen hatten keine große Straftat vereitelt, auch wenn der Beutezug der beiden Frauen dem Opfer einen Schock versetzt hatte. Warum Vanessa und Nina anders handelten als die übrigen Fahrgäste? „Ich glaube, ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht, was ich als Nächstes tue“, sagt Nina Heidemeier heute.

Die Dame hatte den Diebstahl nicht bemerkt

Knifflig war ihr Einschreiten deshalb, weil die alte Dame den Diebstahl nicht bemerkt hatte. „Ich habe befürchtet, dass ich jemanden falsch beschuldigt hatte“, sagt die Schülerin. Gleichwohl ärgert sie sich noch heute darüber, dass mehrere Fahrgäste im Bus ihr vorhielten, sich unnötig in fremde Angelegenheiten einzumischen.

Die beiden Schülerinnen kennen sich eher flüchtig, sie wohnen nicht weit voneinander entfernt und fahren manchmal im selben Bus. Sie beschlossen, zur Polizei zu gehen, obwohl die Bestohlene das nicht wollte. Im Februar sollte es eine Gegenüberstellung mit den Diebinnen geben, doch diese fand nie statt. „Eine der Frauen hatte anscheinend das Land wieder verlassen. Die Polizei hat sich bei uns gemeldet und die Sache abgesagt“, erzählt Nina.

So schnell die Situation geklärt war – für die beiden Teenager war sie ziemlich aufregend. „Als ich nach Hause kam, war ich erst mal mit meiner Psyche am Ende. Ich glaube, ich werde mich immer an diesen Vorfall im Bus erinnern“, sagt Nina. Die meisten Menschen seien zu beschäftigt mit ihren eigenen Angelegenheiten, um auf andere zu achten. „Ich hoffe, dass alle, die unsere Geschichte lesen, motiviert werden, sich für andere einzusetzen“, sagt Vanessa Oelmann. Und Nina ergänzt: „Wenn wir zwei es schaffen, eine gute Tat zu vollbringen, dann schaffen es andere auch.“

Den gut gemeinten Rat der Eltern ignoriert

Übrigens hatten beide den Rat ihrer Eltern ignoriert, sich von gefährlichen Situationen fernzuhalten. „Manchmal muss man einfach selbst einschätzen, ob man einer Sache gewachsen ist“, erklärt Vanessa. Ein Vorbild hat Nina in der eigenen Familie: Ihrer Großmutter war eine Gruppe Männer aufgefallen, die in einem Supermarkt Fernsehgeräte einfach in ihr Auto gepackt haben. Sie hat sie angezeigt. Nun ist die Oma stolz auf ihre Enkelin. Auch Ninas Mutter freut es letztlich doch, wie ihre Tochter gehandelt hat: „In diesem Moment hat sie keine Angst gehabt. Da macht man einfach, was man für richtig hält.“