Die Zeit vergeht wie Seifenblasen: der Clown Paolo Carillon Foto: factum/Granville

Im Programmheft wird er als Comedian geführt, aber Robert Wicke muss über Zauberkräfte verfügen: Am Mittwoch hat er ein Zelt voller Ludwigsburger dazu gebracht, das Brahms’sche Wiegenlied „Guten Abend, gute Nacht“ zu singen. Das Zelt gehört dem Circus Roncalli und es steht im Südgarten des Schlosses.

Ludwigsburg - Im Programmheft wird er als Comedian geführt, aber Robert Wicke muss über Zauberkräfte verfügen: Am Mittwochabend hat er ein Zelt voller Ludwigsburger dazu gebracht, das Brahms’sche Wiegenlied „Guten Abend, gute Nacht“ zu singen – ganz ohne Begleitung und ganz ergriffen. Und weil das so gut funktioniert hat, hat er auch gleich noch den CDU-Stadtrat Klaus Herrmann dazu animiert, sein Talent für Jonglage zu offenbaren. Das Zelt gehört dem Circus Roncalli, und es steht im Südgarten des Residenzschlosses. Am Mittwoch war dort Premiere.

Keine Jagd nach Rekorden

Wird der Name des Ludwigsburger Oberbürgermeisters nun wie „Speck“ ausgesprochen oder doch eher wie „Spetz“? Bei seiner Begrüßung der lokalen Prominzen hatte der Roncalli-Direktor Bernhard Paul so seine Probleme. Dafür aber ging ihm die Begründung für den Spielort sehr viel leichter über die Lippen: Stuttgart sei zwar größer, aber Ludwigsburg biete die schönere Kulisse. Und die Kulissen spielen in diesem Jahr eine besonders große Rolle für Paul. Sein Zirkus feiert 40-jähriges Bestehen, und für die Jubiläumstournee hat er nur außergewöhnliche Standorte ausgewählt: In Köln gastierte er etwa am Neumarkt, in Wien wird das Zelt vor dem Burgtheater aufgebaut.

Was aber macht nun diesen Zirkus so besonders? Ist es die viel beschworene Nostalgie? Der (fast komplette) Verzicht auf Tiernummern? Oder die Weigerung, bei der Kraftmeierei der großen Konkurrenten, die ihr Programm als eine einzige Abfolge von immer einzigartigeren und rekordverdächtigeren Attraktionen präsentieren, mitzutun? Vermutlich von allem etwas. Statt Hochleistungssport steht auch bei der Artistik und Akrobatik von Roncalli das Atmosphärische im Mittelpunkt – bei den Clownerien sowieso. Und weil es in Sachen Tiere nur die Ponys von Karl Trunk und den elektrisch angetriebenen Hund des Clowns Paolo Carillon gibt, fehlt natürlich auch der zirkustypische Stallgeruch.

Zusammengehalten wird die Revue von den sehr beweglichen Musikern des Roncalli-Royal-Orchestras. Sie wechseln mühelos von Walzer zu Klezmer und vom elegischen Ton zum Radetzkymarsch und wieder zum Popsong zurück. Nur einmal müssen sie pausieren und dem wunderlichen Sound des Schweizer Duos „Stimmhorn“ die Lautsprecher überlassen: Der venezolanische Pantomime Aime Morales hat seinen Auftritt auf den kunstvoll verstolperten Jodler „Triohatala“ von Christian Zehnder (Gesang) und Balthasar Streiff (Alphorn) abgestimmt. Seine Figur ist der koboldartige Ai Moko, der auf einem Cyr-Rad – ähnlich einem sehr schmalen Rhönrad – durch die Manege rollt und tollt. Und wie dieses seltsame Wesen Tanz, Akrobatik, Clownerie und Sprache mit der Schleuderbewegung auf dem dünnem Reifen mixt, ist voller Überraschungen.

Spitzentanz und Seilakrobatik

Zu Ai Mokos ungewöhnlichem Rad gesellt sich in einer weiteren Nummer eine ungewöhnliche Schaukel: eine Mondsichel (oder ein Boot?), die mit einem Drahtseil verknüpft ist. Yana Pykhova nutzt es für Spitzentanz und Seilakrobatik. Ihr Mann gibt dazu den Rhythmus an – und sorgt ganz nebenbei für die nötige Balance. Ganz hoch in die Zirkuskuppel zieht es Avital und Jochen, die eine eigene Art der Luftakrobatik entwickelt haben – eine Art Tanz auf und unter nur einer Schaukel. Der 18-jährige Ty Tojo gilt als Wunderkind unter den Jongleuren. In Ludwigsburg zeigt er, dass er die Bälle nicht nur in der üblichen Weise durch die Luft wirbeln lassen kann, sondern dass er das auch hinter dem Rücken kann. Und natürlich sieht das bei ihm auch noch ganz mühelos aus.

Und immer wieder funken die Clowns dazwischen. Da jeder von ihnen als eigenständiger Charakter auftritt, schafft er sich auch seinen eigenen Raum um sich. Da gibt es zum einen den romantischen, aus der Zeit gefallenen Carillon mit Spieluhrengehänge und Hochrad. Und der kommt scheinbar gar nicht in Berührung mit der Welt von Gensi, der sich einen Fingerflötenwettbewerb mit dem Orchester liefert. Für das Derb-Spaßige ist vor allem Anatoli zuständig. Aber auch Ramon, der als Pausenclown beginnt, um später das Metier zu wechseln und einen ganz großen Auftritt als Zauberer hinzulegen.

Gastspiel am Residenzschloss

Vorstellungen
Der Circus Roncalli gastiert bis zum 7. August im Südgarten des Ludwigsburger Schlosses. Gespielt wird mittwochs bis freitags jeweils um 15.30 Uhr und um 20 Uhr, samstags um 15 Uhr und um 20 Uhr sowie sonntags um 14 Uhr und um 18 Uhr. Montags und dienstags ist spielfrei. Die Karten kosten zwischen 15 und 64 Euro.

Blühendes Barock
Das Blüba ist Gastgeber für den Zirkus, der nach dieser Station nach Österreich weiterzieht. Mitveranstalter ist die Ludwigsburger Agentur Eventstifter