Die alten Betriebsgebäude der EnBW im Stuttgarter Osten sollten einem neuen Quartier mit rund 800 Wohnungen weichen. Foto: IBA'27/Niels Schubert

Die Pläne für das neue Stadtquartier Stöckach können nicht mehr wirtschaftlich umgesetzt werden. Der Energiekonzern zieht daher die Notbremse.

Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) wird ihr großes Wohnbauprojekt am Stöckach im Stuttgarter Osten auf Eis legen. Auf dem bisherigen Betriebsgelände, das bis Ende des Jahres noch vom Mieter Stuttgart Netze genutzt werden wird, sollen 800 Wohnungen auf laut EnBW mindestens 60 000 Quadratmeter Wohnfläche entstehen, 40 Prozent der Einheiten sollen gefördert und damit weniger zahlungskräftigen Bürgern zugänglich gemacht werden. Der Energiekonzern hat den Vorstandsbeschluss OB Frank Nopper (CDU) mitgeteilt. „Wir bedauern die Entwicklung sehr“, sagt Stefanie von Andrian, die Leiterin des Immobilien-Managements bei dem Energiekonzern. Der Gemeinderat hat erst in dieser Woche einen Zielbeschluss für 20 000 neue Wohnungen bis 2033 diskutiert. Bezahlbarer Wohnraum wird dringend benötigt. Auf dem EnBW-Areal könnten bis zu 2000 Menschen Wohnraum erhalten.

Baupreise seit 2022 um 15 Prozent gestiegen

Der EnBW ergeht es mit dem Vorzeigeobjekt nicht anders als vielen privaten Bauherren und der Stadt selbst. Die Baupreise sind in der Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nochmals erheblich gestiegen, die Finanzierung hat sich durch die Zinsbeschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) dramatisch verteuert. Um bis zu ein Drittel seien die Kosten für das mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag kalkulierte Projekt gestiegen, so von Andrian im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Marktsituation lasse „die wirtschaftliche Umsetzung zurzeit nicht zu“. Darüber hinaus müsse sich das Unternehmen mit Blick auf den Energiemarkt stärker auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Nach Unterlagen aus dem städtischen Hochbauamt haben die Baupreise allein seit Februar 2022 um 15 Prozent zugelegt. Seit 2015 stiegen sie laut den Indexwerten des Statistischen Landesamtes bis August 2022 um 50,9 Prozent.

Keine Abstriche an der Qualität

Die EnBW verordnet sich eine Pause und hofft, dass sich die Marktlage ändert. Abstiche am Konzept will der Konzern nicht machen. Das Quartier unter dem Namen „Der neue Stöckach“ soll nachhaltig und in Summe – in Bau und Betrieb – kohlendioxidneutral sein. Daran werde sich nichts ändern, so von Andrian. Aus dem internationalen, offenen Realisierungswettbewerb mit rund 80 Büros waren im Dezember 2019 das Büro Tong+ und Hannes Hörr Landschaftsarchitektur als Sieger hervorgegangen. Für die Internationale Bauausstellung IBA 2027 in Stuttgart und der Region sollte das Quartier ein Leuchtturmprojekt werden.

Die Planung läuft weiter

Die Planung für die 42 500 Quadratmeter große Innenstadtfläche will die EnBW weiter vorantreiben. Für dieses Jahr war der Start der Rückbauarbeiten geplant. Diesen werde man vorerst nicht angehen, die weitere Planung für ein Staub- und Lärmminderungskonzept sollen aber genauso abgeschlossen werden wie der Bebauungsplan, das sei partnerschaftlich mit der Stadt abgesprochen. Nur so könne das Projekt kurzfristig auch wieder aufgenommen werden, sagt von Andrian. Neben Baupreisen und der Zinsentwicklung erschwere das unklare Förderregime der Bundesregierung die Kalkulation, so die Leiterin des Immobilienmanagements.

Bis zur Internationalen Bauausstellung 2027 wird die EnBW durch die zeitlich nicht umreißbare Projektpause kein Bauwerk präsentieren können. Ob eine Zwischennutzung auf dem Stöckach-Betriebsgelände möglich wäre, ist unklar.

Stadt gibt Finanzspritze an eigenen Wohnungsbauer

Auch andere große Bauträger wie die Vonovia SE haben angekündigt, in diesem Jahr wegen der Marktlage keine Neubauvorhaben anzugehen. Anders sieht es bei der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) aus. Hier sichert eine Eigenkapitalerhöhung der Stadt um 200 Millionen Euro das Neubauprogramm mit 1890 Einheiten bis Ende 2027 ab. Außerdem sollen 1993 Wohnungen modernisiert und bei 1861 die Wärmeversorgung erneutet werden. Ohne die Finanzspritze der Stadt müsste die SWSG ihr Programm erheblich eindampfen.