Seit Jahren stehen Zulassungs- und Führerscheinstelle der Landeshauptstadt wegen langer Wartezeiten in der Kritik. Der Krankenstand ist dort deutlich höher als im Verwaltungsschnitt. Nun soll es Lösungen geben.
Stuttgart - Nach Jahren harscher Kritik an langen Wartezeiten und holprigen Abläufen in der Stuttgarter Kfz-Zulassungsstelle und der Führerscheinstelle ist Besserung in Sicht. Mit zusätzlichem Personal und erneuerter Technik soll das Schlangestehen verkürzt werden. Womöglich entsteht am aktuellen Standort in der Krailenshaldenstraße 32 oder in der Leitzstraße ein Neubau. Dieser oder die Sanierung des Altbaus sollen bis zur Sommerpause geprüft werden, das hat der Gemeinderat am Donnerstag entschieden.
Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU) hat am Mittwoch 21,4 neue Stellen für den städtischen Dienstleister in Feuerbach vorschlagen. Das sind 20 Prozent mehr als bisher (78,9 Stellen), zehn davon waren im Vorgriff im Mai 2019 gewährt worden, um der Misere zu begegnen, fünf sind nun bis Anfang 2024 befristet, sofern der hohe Krankenstand zurückgeht. Mit dem Stellenaufbau folgt Mayer den Empfehlungen einer Organisationsuntersuchung, die dem Verwaltungsausschuss des Rats am Mittwoch vorgelegt worden ist. Sie war im November 2019 extern vergeben worden, beauftragt hatte der Rat sie im Mai 2019.
Auf diese lange Vorgeschichte hatte die CDU vor vier Wochen hingewiesen. Sie und weitere Fraktionen hatten erneut im Vorgriff weitere Stellen gefordert. Die Parlamentarier lagen dabei nahe an den Empfehlungen der Managementberater.
Bandbreite an Maßnahmen
Das Beratungsunternehmen BSL (Mainz) stellt eine Bandbreite an Maßnahmen dar, je nachdem, wie stark die Wartezeiten reduziert werden sollen. Vor der Coronapandemie lagen sie in der Zulassungsstelle im Mittel bei 90 Minuten, in der Führerscheinstelle bei 60 Minuten. Ziel sind nun rund 20 Minuten Wartezeit.
Aktuell wird der Zugang in der Krailenshaldenstraße per telefonischer oder Online-Anmeldung geregelt. Vor Corona hatten sich bereits Stunden vor der Öffnung der Dienststelle Schlangen gebildet, von einem Sicherheitsdienst waren nummerierte Wartemarken vergeben worden. Die inzwischen etablierte Terminvereinbarung soll auch nach der Coronakrise beibehalten werden, sagt der Dienststellenleiter Matthias Franke. „Diese Kanäle sollte die Masse der Kundschaft nutzen, das ist für alle Beteiligten entspannter“, so Franke, der „Licht am Ende des Tunnels“ sieht. Auch künftig sollten nur Notfälle kurzfristig Zugang zu den Schaltern erhalten. Bis zur Tunnelausfahrt dauert es aber noch, neue Mitarbeiter müssen in die komplexe Materie erst eingearbeitet werden. Erleichterung soll auch die Digitalisierung bringen, sagte Mayer. 50 000 Euro wurden für IT-Ersatz zugesagt.
Sanierung oder Neubau überfällig
Die Gutachter bestätigten verschiedene Defizite im teilsanierten Gebäude. Der Wartebereich sei „suboptimal“, die Arbeitsplätze seien „verdichtet“. Das umschreibe, dass „die Leute wie die Hühner auf der Stange sitzen“, sagte Grünen-Fraktionssprecherin Gabriele Nuber-Schöllhammer. „Die Zustände sind nicht tragbar, in der Leitzstraße gäbe es Platz für einen Neubau“, sagte Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU). Diese Zustände haben Folgen: Die Krankheitsquote in der Dienststelle liegt bei 29,9 Tagen im Jahr pro Beschäftigtem und damit um 14 Tage über dem Schnitt der Stadtverwaltung.
Alle Fraktionen im Gemeinderat begrüßten die Vorschläge, sparten aber nicht mit Kritik. „Es geht eindeutig in Richtung Neubau“, sagte Jürgen Sauer (CDU), der einen zweiten Standorte im Süden der Stadt geprüft sehen will. Andere Kommunen würden diese Dienstleistung längst nicht mehr an einem Ort zentralisieren und ersparten ihren Bürgern damit lange Wege. Die „unhaltbaren Zustände“ seien lange bekannt und „von uns seit Jahren deutlich angesprochen worden“, sagte Thomas Adler für das Linksbündnis.
Digitalisierung braucht Personal
Für Martin Körner (SPD) drängte sich „der Eindruck auf, dass die Missstände bei Kernaufgaben der Verwaltung strukturelle Gründe haben“, denn weder erkenne die Verwaltungsspitze diese frühzeitig, noch reagiere sie darauf. Sibel Yüksel (FDP) nannte einen Neubau „sinnvoll“, Rose von Stein (FW) hofft nun auf „schnelle Erfolge“. Claudia Häußler, die Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, erinnerte daran, dass Digitalisierung nicht alle Probleme löse: „Auch dafür braucht es Personal.“