Fahrradstellplätze soll Parkplätze ersetzen, findet Grün-Rot. Foto: dpa

Grün-Rot gewährt Rad auch in Wohnungsbaupolitik Vorfahrt – und verspricht sich so günstigeren Wohnraum.

Stuttgart - Die Frage, ob Städte und Gemeinden selbst über die Anzahl der Auto- und Fahrradstellplätze bei neu errichteten Wohngebäuden entscheiden dürfen, steht bei der Reform der Landesbauordnung im Mittelpunkt. Momentan schreibt das Land seinen Städten und Gemeinden durch die sogenannte Stellplatzverpflichtung mindestens einen Kfz-Stellplatz pro Wohnung vor. Das soll sich nun ändern.

„Nachdem immer mehr Menschen auf das Auto verzichten und viele Gebiete an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen sind, sollen die Kommunen die Zahl der notwendigen Stellplätze selbstständig reduzieren können“, sagt Andreas Schwarz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag. Dadurch könne auch der Wohnraum in großen Städten günstiger werden, wenn auf viele teure Tiefgaragenplätze verzichtet werde, sollte beispielsweise eine S-Bahn-Haltestelle in der Nähe sein, argumentiert der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Verkehr und Infrastruktur bei den Grünen. Gerade in Ballungsräumen sei es schwierig, für sozial benachteiligte Mieter angemessenen Wohnraum zu finden.

Bauherren würden durch die Neuregelung aber nicht eingeschränkt, meint Andreas Schwarz. Wenn sich ein Käufer findet oder ein Kunde das wünscht, können Bauträger immer noch mehr oder weniger Stellplätze für Autos und Fahrräder bauen, als es die jeweilige Kommune verordnet.

„Mehrzahl der zurückgelegten Autofahrten liegen innerhalb von fünf bis sieben Kilometer“

Doch was bedeutet es in der Praxis, sollte eine Kommune den Bau von Häusern ohne Stellplatz zulassen? Würde dann nicht wild auf der Straße und im öffentlichen Raum geparkt? „Dieses Problem kann jede Kommune selbst am besten einschätzen“, meint die wohnungsbaupolitische Sprecherin der Grünen, Andrea Lindlohr.

Anstatt von Kfz-Stellplätzen wollen die Grünen lieber Radfahrer mehr berücksichtigen.„Die Mehrzahl der zurückgelegten Autofahrten liegen innerhalb von fünf bis sieben Kilometer. Dies sind Wege, die meist gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können“, so Lindlohr. So sieht die Novellierung der Landesbauordnung weiter vor, dass Fahrradstellplätze gebaut und im Rahmen der Stellplatzverpflichtung anstelle von Pkw-Stellplätzen angerechnet werden können. Dies solle einen Anreiz für Bauträger darstellen, um für Wohngebäude in zentraler Lage Fahrrad- statt Pkw-Stellplätze zu errichten.

Neben dem Klimaschutz spielt auch der Flächen- und Energieverbrauch bei der Reform der Bauordnung eine Rolle. Energie und Flächen sollen besser genutzt werden. Durch die Steigerung der Energieeffizienz könnten die Nebenkosten stark reduziert werden. Dadurch und durch staatliche Förderungen für höhere energetische Standards in Wohnungen (etwa durch Solaranlagen) sollen Städte und Gemeinden attraktiver und lebenswerter werden, lautet das übergeordnete Ziel grüner Wohnbaupolitik. Bessere Stadtentwicklungsmöglichkeiten sollten durch kommunale Satzungsrechte ermöglicht werden.

Novellierung der Bauordnung wird noch einige Zeit beanspruchen

Ein noch offener Punkt bei der Reform der Landesbauordnung ist die Einführung einer Rauchmelderpflicht. Rauchmelder müssten bei einer Pflicht allerdings regelmäßig gewartet werden. Ob das durch den TÜV oder durch den Wohnungsnutzer selbst geschieht, ist eine Kostenfrage, die auch Ottmar Wernicke vom Landesverband Württembergischer Haus- und Grundstücksbesitzer interessiert. „Es ist fraglich, ob solche Dinge gesetzlich geregelt werden müssen, oder ob man sich nicht auf die Freiwilligkeit der Mieter verlässt“, meint er.

Angesichts der vielen Interessengruppen wird die Novellierung der Bauordnung nach Angaben des zuständigen Verkehrsministeriums noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Aller Voraussicht nach wird sie im kommenden Jahr greifen. Grundsätzlich will das Land den Kommunen mehr Freiheiten gewähren. „Wir unterstützen die Eigenständigkeit der Kommunen“, meint Andreas Schwarz. Die Kommunen könnten von der neuen Regelung Gebrauch machen – müssten es aber nicht.