Die Kinder begegnen den gehörnten Tieren mit Respekt und Freude Foto: Gottfried Stoppel

Ziegen gehören zum Schulalltag der Magdalenen-Förderschule an der Freien Waldorfschule Engelberg in Winterbach (Rems-Murr-Kreis). Die Schüler sollen im Umgang mit den Tieren lernen, Regeln einzuhalten.

Winterbach - Unter freudigem Geplapper setzt sich der Konvoi beim Schulhaus in Bewegung. Vorneweg rollt ein Bollerwagen, beladen mit Wasserkanistern und Futter für Vicky, Vinny, Lotte und Lilly. Einige Kinder haben selbst Vesperdosen und Plastiktüten mit Futter für die vier Schulziegen mitgebracht.

Seit Pfingsten gehören die Tiere zum Alltag der Magdalenen-Förderschule an der Freien Waldorfschule Engelberg in Winterbach (Rems-Murr-Kreis) dazu. Auf einer umzäunten Streuobstwiese, nicht weit von den Schulgebäuden entfernt, steht ihr Stall mit Tränke, Heuraufe und allem, was das Ziegenleben glücklich macht. Die Lehrerin Gabriele Bück erklärt, schon der Weg zu den Tieren sei eine gute Übung für die Kinder. „Sie machen meistens unter sich aus, wer den Wagen ziehen darf“, sagt sie. Keine leichte Aufgabe, denn jeder will an die Reihe kommen.

Auch bei der Ankunft beim Stall ist etwas Geduld gefragt. „Einige der Kinder haben ein Nähe- und Distanzproblem. Sie rennen auf alles zu, ohne zu merken, ob das gerade passt“, sagt Bück. Am Stromzaun muss jeder warten, bevor Äpfel und Gras in die Ziegenmäuler wandern können. Die Förderschüler – sie haben meist Lernstörungen oder Entwicklungsverzögerungen – sollen im Umgang mit den Tieren lernen, Regeln einzuhalten. Auch solche, welche die Ziegen aufstellen: Wer zu stürmisch auf sie zurennt, darf sie nicht striegeln. Hinterherzurennen ist zwecklos. „Die Tiere bringen die Kinder dazu, Ruhe zu finden. Das ist für viele hier sonst ziemlich schwierig“, erklärt Gabriele Bück.

Zu den Aufgaben der Schüler zählt neben dem Füttern auch das Striegeln, das Ausmisten und das Umsetzen des Zauns, wenn die Wiese abgefressen ist. Dabei sollen sie erfahren, was es heißt, Verantwortung für ein anderes Wesen zu übernehmen – eines, das sie nicht wegen eventueller Handicaps beurteilt. „Menschen gehen mit gewissen Erwartungen an die Kinder heran. Tiere dagegen sind einfach so, wie sie eben sind“, meint Bück. „Vielen der Kinder fällt es schwer, sich zu öffnen. Den Tieren gegenüber klappt das oft besser.“

Den Schülern sind die vier Ziegen schon ans Herz gewachsen. „Wir gehen manchmal auch nach dem Unterricht noch hin“, erzählt der neunjährige Philip. Manche Kinder sind da schüchterner – schließlich können die Tiere, besonders die Leitziege Vicky, mit ihren Hörnern durchaus Respekt einflößen. Noch nicht alle Kids trauen sich über den Zaun, um den Ziegen das Fell zu striegeln. Gabriele Bück betont, wer sich nicht traue, könne so lange hinter dem Zaun stehen bleiben, wie er möchte. Ganz nebenbei lernen die Kinder zum Beispiel, wie die Lieblingsspeisen ihrer Schützlinge aussehen und wie sie heißen. „Sauerampfer mögen die Ziegen sehr gerne“, erklärt Bück dem neunjährigen Jannis. „Da hinten hab’ ich welchen gesehen“, meint der und zieht los. Gabriele Bück lächelt. Bald wollen sie und ihre Kolleginnen mit Vicky und Co. auch Spaziergänge unternehmen. Aber dafür müssen sie noch üben – die Kinder wie die Ziegen.