Ein ZF-Mitarbeiter fertigt ein Getriebe Foto: dpa

Bei den Automobilzulieferern bahnt sich eine Giganten-Hochzeit an. Die ZF Friedrichshafen will den US-Konkurrenten TRW übernehmen, um sich Schlüsseltechnologien zu sichern.

Friedrichshafen - Noch ist die Unterschrift nicht gesetzt. Doch sowohl die ZF Friedrichshafen als auch der amerikanische Zulieferer TRW Automotive haben am Freitag Gespräche über einen möglichen Kauf bestätigt. „Wir sind noch in einem sehr frühen Stadium“, sagte ein ZF-Sprecher unserer Zeitung. Von TRW-Seite hieß es lediglich, man habe eine Offerte erhalten und wäge nun Alternativen ab. Der Börsenwert von TRW wird derzeit auf etwa acht Milliarden Euro geschätzt.

Sollte es zum Zusammenschluss kommen, könnte dies eine ganze Branche durchschütteln. Denn die beiden Unternehmen sind etwa gleich groß und könnten zusammen zur Spitze der deutschen und internationalen Zulieferindustrie aufschließen, die bisher von Bosch und Conti dominiert wird. Bosch machte mit seiner Kfz-Sparte im vergangenen Jahr 30,6 Milliarden Euro Umsatz. Bei ZF waren es in diesem Bereich – Nutzfahrzeuge inklusive – 14,45 Milliarden Euro. TRW kam 2013 auf 12,8 Milliarden Umsatz. Mit zusammen über 27 Milliarden Euro würde das neue Unternehmen in die Liga von Bosch und Co. aufsteigen. „Uns geht es nicht um Bosch, wir schauen auf uns“, sagte der ZF-Sprecher zur möglichen verschärften Konkurrenz.

Gelingt das nun angestrebte Geschäft, werden die Beziehungen des Stuttgarter Bosch-Konzerns zur Konkurrenz vom Bodensee davon allerdings nicht unberührt bleiben. Mit ZF Lenksysteme betreiben die beiden Stiftungsunternehmen nämlich seit Jahren ein milliardenschweres Gemeinschaftsunternehmen. 2013 wurden mit mehr als 13 000 Mitarbeitern weltweit mehr als 4,1 Milliarden Euro umgesetzt, schwerpunktmäßig mit Servolenkungen und Lenkungspumpen und Steuerungen. Der US-Konzern TRW ist auf dem selben Feld aktiv. Nach Angaben des Unternehmens aus Livonia im US-Staat Michigan sei man führend bei der Entwicklung und Herstellung „aller bedeutenden Lenksysteme“ sowie bei Gestänge- und Radaufhängungssystemen. Beim ZF Lenksysteme mit Sitz in Schwäbisch Gmünd herrscht denn auch absolute Funkstille zu dem brisanten Thema. Anfragen dieser Zeitung, sowohl beim Betriebsrat als auch beim Unternehmen selbst, blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Im Vordergrund der geplanten Übernahme steht aber in erster Linie die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Im Gegensatz zur ZF Friedrichshafen, die vor allem Antriebs- und Fahrwerktechnik an die Automobilhersteller liefert, ist TRW ein Spezialist für Elektronik. „Es ist kein Geheminis, das wir uns in diesem Bereich besser aufstellen und Technologieführer werden wollen“, sagte der ZF-Sprecher. TRW entwickelt Fahrer-Assistenzsysteme und elektronische Sicherheitslösungen. Diese Technologien gelten als unabdingbar für das autonome Fahren der Zukunft, an der viele Pkw-Hersteller und Zulieferer fieberhaft arbeiten.

Auch Google mischt im Wettbewerb mit und hat bereits ein Roboter-Auto vorgestellt. Immer mehr Assistenzsysteme, die Fußgänger erkennen, Notbremsungen einleiten, die Spur halten oder ein Auto selbstständig durch den Kolonnenverkehr eines Staus lotsen können, finden bereits Eingang in die Serienproduktion. So liefert Conti Stereokameras und Sensoren für die Erkennung von Hindernissen im Sichtfeld, die in der neuen S-Klasse von Mercedes verbaut sind. Wer diesen Trend verschläft, könnte als Zulieferer abgehängt werden.

ZF-Chef Stefan Sommer will den Umsatz der Friedrichshafener bis zum Jahr 2025 mit 40 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Ohne große Zukäufe dürfte dieses Ziel trotz eines boomenden Automobilmarkts kaum zu erreichen sein.

Zu den möglichen Auswirkungen auf Standorte und Mitarbeiter wollte ein ZF-Sprecher am Freitag nichts sagen. Die ZF Friedrichshafen hat ihren Stammsitz am Bodensee, dort arbeiten 8500 Mitarbeiter. Die TRW ist im Land vier Mal vertreten. Hier arbeiten 3750 Beschäftigte in genau jenen Bereichen, an denen die ZF Friedrichshafen interessiert ist. In Alfdorf bei Welzheim befindet sich das weltweite Entwicklungszentrum für Insassenschutzsysteme mit 1620 Mitarbeitern. In Blumberg bei Villingen-Schwenningen fertigen 860 Mitarbeitern Motorenteile. In Radolfzell entwickeln 800 Mitarbeiter Lösungen in der Sicherheitselektronik, weitere 115 forschen an Steuergeräten für Airbags oder Gurtstraffer. Der Standort St. Leon Rot bei Heidelberg, an dem zuletzt 300 Beschäftigte Airbag-Module fertigten, wurde Ende vergangenen Jahres geschlossen. Die Produktion soll nach Polen verlagert werden.

Die Gewerkschaft IG Metall geht nicht davon aus, dass durch die Übernahme eines US-Konzerns die sprichwörtliche „ZF-Kultur“ verloren gehen könnte, deren Zeichen es ist, in Zeiten der Krise den Konsens mit den Mitarbeitern zu suchen. Bisher zumindest sei ZF seiner sozialen Verantwortung nachgekommen, sagte die Friedrichshafener ZF-Bevollmächtigte Lilo Rademacher.