Der Getriebehersteller erhält den größter Auftrag der Firmengeschichte vom Autobauer BMW. Der Friedrichshafener Autozulieferer setzt auf neue Mobilitätskonzepte.
Friedrichshafen - Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen gibt bei den Zukunftsthemen elektrisches und autonomes Fahren mächtig Gas. „2018 war ein Jahr der großen Veränderungen“, sagte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider am Firmensitz in Friedrichshafen. Der Wandel in der Autoindustrie habe deutlich an Tempo zugelegt. Deshalb will sich auch ZF beschleunigt neu ausrichten, so Scheider. Um zwölf Prozent hat der Hersteller von Antriebstechnik seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung gesteigert. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 17 100 Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung; im Jahr 2016 waren es noch 14 550 Personen.
Mit Akquisitionen hat ZF zudem fehlende Kompetenz zugekauft. Erst vor wenigen Tagen hat der Zulieferer die Übernahme des amerikanisch-belgischen Bremsenherstellers Wabco (16 000 Mitarbeiter, 3,2 Milliarden Euro Umsatz) bekannt gegeben. Rund sieben Milliarden Dollar (6,2 Milliarden Euro) wird ZF dafür ausgeben. Damit will das Unternehmen, das bisher keine Bremsen anbietet, nicht zuletzt seine Kompetenzen im Nutzfahrzeugbereich stärken. Scheider ist zuversichtlich, dass die Wabco-Aktionäre Mitte des Jahres auf der Hauptversammlung dem Geschäft zustimmen werden. Die Finanzierung des Zukaufs habe das US-Institut J. P. Morgan zugesagt, fügte ZF-Finanzchef Konstantin Sauer hinzu. In den nächsten Wochen sollen dem Konsortium weitere Banken beitreten.
Autonom fahrender Kleinbus
Zusätzlich hat sich der Zulieferer auch an kleineren Unternehmen beteiligt – dazu gehört etwa 2getthere in Utrecht/Niederlande, ein Anbieter autonomer elektrischer Personentransportsysteme. 60 Prozent hält der Stiftungskonzern an dem kleinen Unternehmen, das aber bereits 1984 gegründet wurde und damit über gut 30 Jahre Erfahrung im Markt für autonomes Fahren verfügt. „Wir haben etwas Besonderes gefunden“, so Scheider. Er nahm gar das Wort „Trüffel“ in den Mund. Mehr als 14 Millionen Fahrgäste habe 2getthere bereits befördert. Stolz ist Scheider auf drei Vorzeigeprojekte des kleines Unternehmens – in Abu Dhabi, Singapur und auf dem Flughafen von Rotterdam. Dass niemand dieses Unternehmen bisher auf dem Radar hatte, begründet der ZF-Chef etwa mit dem Alter der Beteiligung: „Es ist kein Start-up mehr“. Und weil die Gründer, die die restlichen 40 Prozent halten, stets ein profitables Wachstum angestrebt hätten, sei 2getthere bisher klein geblieben. Durch die Finanzstärke der ZF rechnet Scheider aber schnell mit deutlichem Wachstum in diesem Bereich. „Aufgrund der langjährigen Erfahrung liegt die Verfügbarkeit der Mobilitätssysteme von 2getthere bei über 99,7 Prozent“, sagte Scheider weiter.
Während die Transportsysteme von 2getthere für die Beförderung vieler Menschen gleichzeitig und im begrenzten Raum wie Flughäfen ausgelegt sind, will ZF mit seinem autonom fahrenden Kleinbus e.GO People Mover auf die Straße. Die entsprechende Zulassung habe man, so Scheider. Im Herbst soll die Erprobungsphase in Aachen und in Friedrichshafen beginnen. Zur Sicherheit muss allerdings weiter ein Mensch im Fahrzeug sitzen. Scheider rechnet nicht mit einer schnellen Verbreitung. Er erwartet für 2021 eine fünfstellige Zahl dieser autonomen Kleinbusse.
Hohe Erwartung an Hybridantriebe
Aber ZF setzt nicht nur aufneue Mobilitätskonzepte, sondern bereitet sich auch mit elektrischen und mit hybriden Getrieben auf die Zukunft vor. Dabei glaubt er, dass vor allem Hybridantriebe – sie sind mit Elektro- und Verbrennerantrieb ausgestattet – über das nächste Jahrzehnt hinaus gefragt sein werden. Denn damit könne man dem Kunden die Reichweitenangst nehmen. Gerade hat das Unternehmen seinen größten Auftrag in der Firmengeschichte erhalten, der einen Umfang im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich hat. Von 2022 an beliefert ZF den Autohersteller BMW mit Getrieben für Verbrennungsmotoren; dazu gehören auch Hybridgetriebevarianten. Dies bringe dem Werk Saarbrücken eine gute Auslastung für viele Jahre, so Scheider. Einen Personalaufbau an diesem Standort „sehen wir aber nicht“, sagt Scheider.
ZF hat den Umsatz im vergangenen Jahr leicht gesteigert. Berücksichtige man den Verkauf des Bereichs Fahrzeugbediensysteme, habe der Zuwachs sogar bei sechs Prozent gelegen. Wegen der Schwäche in China, vor allem im November und Dezember, sei die Marke von 37 Milliarden Euro nicht übersprungen worden. Das gesunkene Ergebnis führt Finanzchef Sauer nicht zuletzt auf die Zunahme der Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie auf höhere Materialpreise zurück, die nicht vollständig an die Kunden weitergegeben werden konnten.
Vorsichtige Prognose
Für 2019 rechnet Scheider mit einem Umsatz zwischen 37 und 38 Milliarden Euro. Die Ebit-Marge – also das Ergebnis vor Steuern und Zinsen bezogen auf den Umsatz – soll zwischen fünf und 5,5 Prozent liegen. Das wäre leicht unter dem Vorjahreswert von 5,6 Prozent. ZF beschäftigt weltweit knapp 149 000 Mitarbeiter; der Aufbau erfolgte vor allem in den Regionen Nordamerika und Asien-Pazifik.